Fremdbezeichnung Wenden (Winden?) für Slawen

Damit bliebe dann die Erklärung, dass in der Tat zwei verschiedene Völker Namensgeber für den Begriff "Wenden" waren. Aber recht befriedigend ist das alles nicht.

Wenn es ja nur zwei wären:

Aus http://de.wikipedia.org/wiki/Veneter

Ein thrakischer Stamm, ein Volk an der Nordküste der Adria, ein keltisches Volk nördlich der Loiremündung, ein um 350 von den Ostgoten unterworfenes Volk an der mittleren Weichsel und die lateinische Bezeichnung für die slawischen Wenden.

:D

Verwirrung total.
 
Daß es verschiedene Völker waren, ist ja nun ziemlich klar. Bleibt die Frage: Hat man einigen den Namen irrtümlicherweise gegeben oder gibt es verschiedene Übersetzungen? Die Buchstabenfolge wend oder ent taucht ja in Massen in den indoeuropäischen Sprachen auf.
 
Könnte man evt. die thrakischen Veneti mit dazu nehmen?

In einem Bericht über die Reise Pytheas' von Massilia habe ich gelesen, dass die antiken Forschungsreisenden so manche ihnen neue Völker und Gegenden schon bekannten zuordneten, mit denen die eigentlichgar nichts zu tun hatten.
 
Das "Lexikon der Antike" hat eine plausible Vermutung für die verstreuten wendischen Volksbezeichnungen. Es schreibt zu diesem Problem:

"Der Volksname "Weneto-" ist an weitgestreuten Stellen bezeugt: in Paphlagonien, in Latium, in Gallien, in der Aremorica, an der Weichsel, der Bodensee heißt Venetus Lacus ... ferner vgl. die Bergnamen Groß-Venediger, Venetberg.
Offen bleibt, ob damit Spuren der Wanderung einer indogermanischen Gruppe greifbar werden oder ob den venetischen Namen, der ja eine positive Benennung enthält (etwa "die Beliebten", zu indogerm. "wenos") mehrere indogermanische Gruppen geführt haben."
(Lexikon der Antike, Bd. 5, S. 1166)

Dass derart viele Namensspuren noch aus Zeiten der indogermanischen Wanderung zurückgeblieben sein sollen, kann ich mir kaum vorstellen. Eine derartige Namensinflation, verstreut über halb Europa, findet sich auch bei anderen indogermanischen Völkern nicht. Ich halte daher die zweite Begründung, dass mehrere Völker den Namen "Veneti" führten, für plausibler.
 
Interessant. Der Bodensee also auch. Gibt es dafür irgendeine plausible Begründung? Wer diesen Namens siedelte vor 1500 - 2000 Jahren am Bodensee?

Slawen sicherlich nicht ...
 
Beispiele für verstreute Völkernamen gibt es einige. So z.B. die Calucones an der Elbe und den Alpen, dazu vielleicht noch die Helvecones östlich der Oder. So auch die Volcer in Kleinasien, Südfrankreich und (wenn ich mich nicht irre) in Spanien. Es spricht nichts dagegen, daß die Veneter in Europa und Kleinasien zu einer gemeinsamen Völkergruppe gehört haben. Dabei muß es sich nicht um eine von Beginn homogene Gruppe gehandelt haben, ähnlich wie bei Germanen oder anderen kann sich der Name von einer Gruppe ausgebreitet haben. Ich halte immer noch einen Zusammenhang mit der Urnenfelder-Zeit für möglich, lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Nätürlich könnte auch Dieter Recht haben. Immerhin gehören alle venetischen Splitter zur Indogermanischen Sprachfamilie. Die Benennung könnte also unabhängig voneinander erfolgt sein. Ich frage mich allerdings ob diese Auffassung wesentlich wahrscheinlicher ist als die von mir vorgetragene.
Die Gleichsetzung der Veneti an der Weichselmündung mit den Slawen halte ich für problematisch. Im Allgemeinen ist man sich doch relativ einig, das die Slawen eher im östlichen Karpatenraum, Pripjet etc. entstanden sind, also gerade nicht an der Weichselmündung.
Woher kommt also die Gleichsetzung? Wer hat sie bekannt gemacht. Hier erscheint sie doch zuerst im Balkangebiet. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, daß Goten oder andere germanische Völker den Wendennamen für die Völker jenseits von Weichsel, Bug etc mit nach Süden brachten. Erst mit der (Ethno)genese der Slawen verdrängten diese die Veneti, wobei der Name auf sie überging.
 
Vielleicht waren es die blonden Ureinwohner Nordeuropas, die die dunkelhaarigen Kelten Venti nannten - die Weissen. Und später die Germanen: Alb, Alp, Elf, Elbe, im LAteinischen dann Albion und Albanien.

*spekulier*
 
Eine durchaus plausible Hypothese für die in Europa und sogar Kleinasien verstreuten Veneti-Namen, beorna.

Ich muss gestehen, dass ich mich zwischen den beiden infrage kommenden Hypothesen nicht recht entscheiden kann. Die venetisch-wendische Namensexplosion ist doch ziemlich einzigartig, auch wenn sich dieses oder jenes Beispiel für die Verbreitung anderer Volksnamen finden lässt. Problematisch finde ich jedoch die Vorstellung, dass sich derartige Spuren noch aus den Zeiten der indoeuropäischen Wanderung finden sollen, die immerhin etwa 2000 Jahre vor der slawischen Ethnogenese liegt.

Sicher ist, dass die in Oberitalien beheimateten antiken Veneter die frühesten und als Volk inklusive der Sprache wirklich fassbaren Vertreter sind. Zu allen anderen aufgefundenen Veneti-Namen lässt sich kein an gleicher Stelle nachweisliches Volk mehr finden. Wer sorgte also für die Verbreitung? Trat der Name unabhängig mehrfach auf, oder strahlte er von einem Ursprungsvolk aus? Das ist die Frage! Wenn man die Goten als Namensgeber in Haftung nimmt, so ergibt sich die Frage, von welchem Volk oder Stamm sie diesen Namen genommen haben.
 
Einige Veneter-Namen stimmen mit den Siedlungsgebieten der Kelten überein, fällt mir grad auf. Vielleicht ein alternativer der Name für die Kelten, die nicht in Gallien wohnten (sondern in Süddeutschland, Polen, Balkan)? Die Slawen würde ich aber da ausnehmen; das scheint mir doch, wie allgemein vermutet, eine irrtümliche Namensgebung zu sein.

Um eine evtl. Wanderungsthese zu unterstützen oder zu widerlegen, sollte man vielleicht mal die einzelnen ähnlichklingenden Namen zeitlich ordnen.
 
Der fränkische Chronist Fredegar bezeichnete diese im Zusammenhang mit den Ereignissen um Samo als "Sclavos coinomento Winedos". Andere überlieferte Namensformen, dabei stets auf Slawen bezogen, sind Hwinidi, Guinidi, Winidones, Winethen, Wendene sowie auch Wandali, was mit den germanischen "Wandalen" nichts zu tun hat.

Das wollte ich nicht so stehen lassen. Es scheint zwar mehrheitlich akzeptierte Forschermeinung zu sein, aber eine recht wackelige, finde ich.

Wikipedia schreibt:

Zwar erwähnen bereits Plinius der Ältere, Tacitus und Ptolemäus von Alexandria ab dem 1. Jahrhundert in unterschiedlicher Schreibweise ein Volk der Venedi, Venethi, Venadi oder Ouenedai, das östlich der Weichsel beziehungsweise an der Danziger Bucht siedelte, doch beziehen sich diese Angaben zweifellos auf die den Germanen zuzurechnenden Vandalen. Der Sammelbegriff Veneter wurde im 6. Jahrhundert offenbar auf das bis dahin unbekannte "Volk" der Slawen übertragen, obwohl keine direkten Beziehungen zwischen beiden bestanden.

Die markierten Wörter zweifellos und offenbar empfinde ich als Wunschdenken.
 
Hallo Pope, zu Deinem vorletzten Beitrag:

Griechische Texte erwähnten die Elbe schon als Albis, bevor die ersten Römer da waren. Die anscheinend von der Wissenshaft bevorzugte Ableitung des Namens vom skandinavischen *elfr (Fluss), heute älv (S) bzw. elv (N) hat für sich, dass gegenüber den ganzen entweder kleinen oder mehr stehenden als fließenden Flüssen der südlichne Ostsee (Peene) oder jütischen Halbinsel (Eider, Treene, Stör) die Elbe endlich wieder mal ein richtiger Fluss war.
 
Die anscheinend von der Wissenshaft bevorzugte Ableitung des Namens vom skandinavischen *elfr (Fluss),
Elva ist im Norwegischen ein Bach oder ein Flüßchen, das man zumindest noch durchwaten kann. Und seit wann nennt man einen Fluß "Fluß"? Nennt man einen Berg "Berg" und eine Insel "Insel"? Eigentlich kommt doch immer noch ein erklärender Zusatz dazu. Außerdem, soweit ich weiß, sind die europäischen weiblichen Flußnamen alteuropäischen Ursprungs.
 
Elva ist im Norwegischen ein Bach oder ein Flüßchen, das man zumindest noch durchwaten kann. Und seit wann nennt man einen Fluß "Fluß"? Nennt man einen Berg "Berg" und eine Insel "Insel"? Eigentlich kommt doch immer noch ein erklärender Zusatz dazu. Außerdem, soweit ich weiß, sind die europäischen weiblichen Flußnamen alteuropäischen Ursprungs.

Danke für diesen Widerspruch. Ich glaube ebenfalls, dass es zur Namensgebung der Elbe mal wieder mehr Theorien gibt, als Wissenschaftler...

;)
 
Zu Saxo "elva=Bach":
Der Trysilelv, in Schweden Klarälv genannt und ab Båtstad (!) kurz nach der Grenze befahrbar, ist ein stattlicher Fluss, Götaälv, Torneälv usw. nicht minder. Ob groß oder klein, die meisten S und N Flüsse haben eine deutliche Strömung. Sie laufen. In DK und SH, wo die Gewässer überwiegend klein sind und /oder in ihren Niederungen mehr stehen als fließen, heißen sie oft -å = -au, eben wie feuchte Niederung. Die Stromschnellen des Hochrheins heißen (bis auf den Rheinfall) Laufen, ähnlich dem slawischen Elbe-Namen Labe.

Dass Flüsse nie "Fluss" heißen stimmt nicht:
- In Westfalen und Niedersachsen gibt es diverse Flüsschen, die einfach nur Aa heißen.
- Mehrere Orte am Guadalquivir (von arab. Wad-al-Kebir = Der große Fluss) tragen den Beinamen "… del Rio".
- In Kalabrien, wo bis ins ausgehende Mittelalter mehr Griechisch als Italienisch gesprochen wurde, gibt es einen "Fiume Potamo", der Fluss(I) namens Fluss(GR).

Und wie ist es mit dem Harz? Harz = (Tannen-)Wald. Und wieviele Wälder oder Waldhügel gibt es, die einfach nur "Die Haardt" heißen?

Dazu die zahlreichen Städte namens "Burg", "Hradišt'e", Graz/Grätz.

Orte namens Weil / Wilen / Wyhl

Maria Laach am Laacher Mar = St.Maria See am See von See!

Inseln: "Hallig" (salzig, Salzinsel) kann man als deutsche Übersetzung von "Insel" betrachten: in-sul < in-salo = im Salz(meer)
 
Zuletzt bearbeitet:
Inseln: "Hallig" (salzig, Salzinsel) kann man als deutsche Übersetzung von "Insel" betrachten: in-sul < in-salo = im Salz(meer)

Moooooooment!!! Dafür hätte ich gerne einen Beleg ;)

Und wenn die Elbe der einzige große mitteleuropäische Strom wäre, würde ich Deine Namensherkunft gerne akzeptieren.

Des weiteren stellt sich die Frage, wer den Skandinaviern das Recht gab, einem mitteleuropäischen Fluss seinen Namen geben zu dürfen! Damals wird sich jemand im heutigen Tschechien oder Sachsen wohl kaum gesagt haben: wir haben zwar unsere Toponyme, aber die Nordgermanischen finden wir noch besser!
 
wie ist es mit dem Harz? Harz = (Tannen-)Wald. Und wieviele Wälder oder Waldhügel gibt es, die einfach nur "Die Haardt" heißen?
Also ich gehöre zu denen, die Harz vom "Hercynischen Wald" ( http://de.wikipedia.org/wiki/Hercynisch ) ableiten. Aber auch da gibt es mehrere Theorien. Eine "Harde" ist im Mittelniederdeutschen ein Verwaltungsbezirk (in der "Edomsharde" lag Rungholt), also auch nicht so klar, wie es scheint...

Bei Deinen anderen Beispielen würde ich unterscheiden, wie oft der Name inner halb eines Gebietes auftrat, und ob er von verschiedenen Bewohnergruppen verschieden benamt wurde. Gab es nur einen Bach im Umkreis, konnte man ihn Au/Å nennen, weil es eindeutig war. Mit zunehmendem Handel und Verkehr ließ sich das aber oft nicht mehr halten. Burg, Hradišt'e, Grätz kenne ich öfter mit Beinamen (Magdeburg, Minerske Hradišt'e, Königgrätz).
 
1) Hallig = Insel: Hall ist immer etwas mit Salz und "insula" < "in salo" steht in meinem Lateinlexikon. Da steht zwar nur "im Meer", aber unter "sal"steht "Salz, Salzflut, Meer". "Salz" ist ja eigentlich die bekanntere Bedeutung, vgl. insalata = Eingesalzenes > Salat.
2) Ich habe gerade entsprechenden Teile aus Plinius' 4. Buch und aus Tacitus' Germania gelesen. Zu unserem Harz passt da eher der Mons Saevo. Die Hercynischen Wälder werden eher mit den Chatten in Verbindung gebracht. Ob die alle waldigen Höhen des Hessischen Berglandes als Harze bezeichnet haben? Why not?
3) Meine Vermutung zur von den Wissenschaftlern favorisierten Ableitung des Namens Elbe von elfr = Fluss ist ja, dass Nordmänner sich gedacht haben: "Endlich wieder ein richtiger Fluss"
3b) Der Rhein wird ja auch mit dem griechischen ρειν (reîn) = strömen in Verbindung gebracht.
4. Bei Graz wird nicht "in der Steiermark" dazugesagt, bei Gartz bzw. Garz sind Zusatzangaben üblich. Wenn ein Name öfters vorkommt, bezeichnet er ohne Zusatz meist den Größten der oft zahlreichen gleichnamigen Orte, Beispiele: Münster, Hagen
 
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Die Halloren in Halle an der Saale waren die Salzsieder in der Salzstadt am Salzfluss Die Gründer der ganzen salzreichen Hall-Orte hatten noch keinen Internetanschluss. Die wussten so, was sie meinten.
 
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