Interessant ist es sicher, wenn man die durchklingende Germanenherkunftstheorie außer acht läßt.
Von Gewässer- und Ortsnamen, die auf Wortstämme irgendeiner Protosprache zurückgeführt werden, soll auf die Großsprachgruppe der ersten Besiedler geschlossen werden, weil diese, da sie die ersten waren, dem Fluß, den sie vorfanden, seinen Namen gaben. Wären sie nicht die ersten gewesen, hätten sie die vorher dagewesenen einfach nach dem Namen des Flusses fragen können und hätten sich die anstrengende Namensfindung gespart.
Das klingt vielleicht ein bißchen albern und ich weiß, das es viele Beispiele von alten Fluss- und Ortsnamen gibt.
Zunächst ist zu sagen, daß die Chance, auf richtig alte Namen zu stoßen, bei Flüssen natürlich höher ist als bei Siedlungen. Siedlungen werden aufgegeben, neue Siedlungen werden gegründet, Flüsse (und natürlich auch Berge, Inseln etc.) sind da einfach beständiger.
Man kann ja auf der Landkarte der USA gut studieren, daß zahlreiche Flüsse alte Namen aus (z. T. längst ausgestorbenen) Indianersprachen tragen: Mississippi, Missouri, Chattahoochee, Alabama, Ohio, Savannah etc. etc.
Doch auch Eroberer und Neusiedler haben sich in Flußnamen verewigt. Aus spanischer Zeit stammen etwa die Namen der Flüsse Colorado, Sacramento oder Brazos, viele weitere Flüsse verdanken ihren Namen englisch- oder französischsprachigen "Entdeckern" und Siedlern: Columbia, Snake, Flint (drei Flüsse heißen so), James (ebenfalls drei Flüsse), St. Mary's (Sainte Marie), St. Lawrence (Saint Laurent) etc.
Dennoch ist der Anteil indianischer Namen sehr hoch. Nun sind allerdings die meisten indianischen Namen ganz gut etymologisierbar und lassen sich einzelnen Sprachen (Irokesisch, Sioux, Cherokee etc.) zuweisen. Die Sprache(n) der allerersten Einwanderer auf dem amerikanischen Kontinent kann man daraus sicher nicht rekonstruieren.
Was die mitteleuropäischen Gewässernamen betrifft, so kann man selbstverständlich auch verschiedene Schichten auseinanderhalten und analysieren (wie es die Linguisten Hans Krahe, Wolfgang P. Schmid und Jürgen Udolph seit nunmehr drei Generationen tun) und stößt neben germanischen, keltischen und slawischen Namen dann auch auf eine vorgermanisch/vorkeltisch/vorslawische Schicht, in der sehr viele Namen auf einen indoeuropäischen Ursprung deuten. Nur hat man damit weder "die Urheimat" der Indoeuropäer gefunden noch ist das "die Sprache" der ersten Bewohner Mitteleuropas seit der letzten Eiszeit. Darüber ist sich sicher auch Jürgen Udolph im klaren.
Zur Herkunft der Germanen liefert die Gewässernamenskunde sicher wertvolle Hinweise, zur Herkunft der Indoeuropäer wohl kaum. Hier kann nur fröhlich spekuliert werden. Das gilt auch für andere Hypothesen, die in graue Vorzeit hineinreichen; der Sprachwissenschaftler Theo Vennemann sieht in etlichen Gewässernamen "vaskonische" (hypothetische Vorgängersprache des Baskischen) Bezüge...