Ja, vielleicht. Einzelpersonen sind zwar wichtig, aber wichtiger ist Selbstverständnis eines Volkes und seine Moralvorstellungen. Die letzteren ändern sich ohnehin ständig, aber den Konflikt in der Ostukraine hätte es wahrscheinlich nicht gegeben, hätte es das ukrainische Parlament in den Tagen nach Maidan im Jahr 2014 nicht ein Gesetz verabschiedet, das die ukrainische Sprache zu alleiniger Amtssprache in ganz Ukraine erklärte. Das hat Menschen auf der Krim und im Osten der Ukraine, die in der Mehrheit nur russisch sprechen, hart getroffen. Entsprechend war die Reaktion, die Russland, als selbsternannte Beschützerin aller Russen, noch verstärkte. Was danach folgte und bis heute folgt, ist nur die Eskalation des Konflikts, das sich an einem unsinnigen Sprachgesetz entzündete. Aber wir sollten das nicht weiter vertiefen - dafür haben wir schon einen Faden.
Woher stammen denn diese elaborierten Weisheiten? Russia Today?
De facto getroffen, hat dieses Gesetz eigentlich niemanden, weil es in dieser Form nicht in Kraft gesetzt wurde. Das die Verabschiedung eines solchen gesetzes durch das ukrainische Parlament völlig folgenlos bleiben musste, so lange der ukrainische Präsident es nicht unterzeichnete (was nicht passierte), dass wusste Moskau.
Entsprechend gab es überhaupt keinen Grund seitens einfach mal auf der Krim einzumarschieren, wenn es darum gegagen wäre, dass hätte man auf persönlicher Ebene zwischen dem Kreml und dem ukrainischen Übergangspräsidenten bereinigen können.
Mal davon abgesehen, fällt es bei dem engen zeitlichen Zusammenhang (Verabschiedung des Gesetzes durch das ukrainische Parlament am 23. Februar, Beginn der Krimbesetzung ab 27. Februar) schwer anzunehmen, dass es sich um eine spontane Reaktion gehandelt habe.
Schließlich mussten erstmal Transportmittel zusammengezogen werden um russische Truppen auf die Krim zu verfrachten etc. Das hätte ohne Vorbereitung eine recht erstaunliche Kaltstart-Fähigkeit der russischen Streitkräfte vorausgesetzt, innerhalb von 4 Tagen eine spontane Invasion zu organisieren.
Wer das glaubt, der glaubt auch an den Osterhasen.
Die Nummer war vorbereitet und man wird davon ausgehen dürfen, dass die Streitkräfte bereits Tage vorher in Bereitschaft gesetzt und auf Abruf dafür gehalten wurden.
Der Kreml suchte hier eine Begründung zu tun, was er ohnehin vor hatte und das ukrainische Parlament war töricht genug eine zu liefern, die das russische Volk propagandistisch entsprechend zugeschnitten akzeptieren würde.
Andernfalls hätte sich eine andere Begründung gefunden.
Der Startschuss für Russland war der Machtwechsel in Kiew und die sehr eilige Anerkennung der veränderten Verhältnisse dort durch den Westen, die auf ein Herausbrechen der Ukraine aus der russischen Einflusszone hinauslief.
Ja, in beiden Ländern bekennen sich Menschen mehrheitlich zum Christentum – und dennoch haben die Kirchen dort an politischen Einfluss eingebüßt.
Spar dir die Nebelkerzen.
Ich hatte dich auf diese beiden Länder auch schon hingewiesen und du warst Antworten darauf schuldig geblieben.
Du hattest einen entscheidenden Einfluss der katholischen Kirche auf die Politik in katholischen Ländern unterstellt, mit Behauptungen, wie derjenigen, dass die Wahlempfehlungen katholischer Geistlicher größte Auswirkungen auf das Wahlverhalten und die politischen Entscheidungen der Bevölkerung habe.
Wenn das der Fall wäre, müssten sich die mehrheitlich katholischen Länder auf Grund der Einheit der katholischen Lehre auch gleichförmig in eine bestimmte Richtung entwickeln. Tun sie aber offensichtlich nicht.
Auch andere mehrheitlich katholisch geprägte Länder entsprechen nicht dem Bild, dass du da entwirfst. Wo z.B. sind die durch die katholische Kirche herbeipropagierten iliberalen Entwicklungen in Belgien?
Es gibt sie schlicht nicht.
Und das kann nicht sein. Entweder müssten auf Grund der Einheitlichkeit der Lehre alle stark katholischen Länder in die gleiche Richtung gehen oder aber dein Postulat taugt nichts, weil eine andere Entwicklung den Beweis dafür liefert, dass es mit dem Einfluss der Katholischen Kirche in die Politik nicht so weit heer sein kann.
Bei protestantischen Ländern mit dezentralen Landesirchen oder ohne Amtskirchen und ohne einheitliche Lehre und mit von einander abweichenden Ansichten wäre das möglich, aber bei Katholischen nicht.
In den USA mischen sich protestantischen Evangelikale so sehr in die Politik ein, dass man sich hierzulande nur ungläubig Augen reiben kann ob so viel Chuzpe; Trump konnte schon beim ersten Mal nur mit der Unterstützung dieser Kreise gewinnen, und wenn es ihm dieses Jahr wieder gelingen sollte, dann aus eben diesem Grund.
Der Grund, warum Trump 2016 gewinnen konnte, war nicht die Unterstützung irgendwelcher Kreise, sondern der einzige Grund, den er diesen Wahlsieg dankt, ist ein antiquiertes Wahlsystem, dass in seinen Wurzeln auf das 18. Jahrhundert zurückgeht und dass es erlaubt, Wahlen auch mit deutlichen Minderheiten zu gewinnen.
In einem modern verfassten demokratischen Staat, wäre der Mann bei diesem Wahlergebnis in der popular vote, nicht Präsident geworden, sondern als Wahlverlierer nach Hause gegangen.
Das Beispiel Trump taugt nicht um einen übermäßigen Einfluss religiöser Gruppen auf das Wertesystem der Bevölkeerungsmehrheit zu belegen. Es würde allenfalls dazu taugen, einen weitren Schwachpunkt der Studie zu diskutieren, nämlich denjenigen, dass ein "westliches" Wertverständnis en bloc postuliert wird, ohne dieses Konstrukt näher auseinander zu nehmen.
Einen solchen gemeinsamen Wertekanon gibt es aber nur in sehr begrenztem Maße. Was es gibt, dass ist ein gemeinsames Wording im Hinblick auf moralische Werte, zu denen man sich bekennt, dass aber teilweise doch inhaltlich sehr unterschiedlich interpretiert wird.
Ich für meinen Teil würde z.B. das Postulat, ich würde meine moralischen und politischen Werte mit einer Gesellschaft teilen, die es für legitim hält, auf Grund eines antiquierten Wahlsystem aus dem 18. Jahrhundert Wahlverlierer (nach Stimenzahl) die Regierungsgeschäfte zu übertragen, strikt zurückweisen.
Die Amerikaner mögen dass ja für Demokratie und Freiheit halten, ich halte das für einen Akt der Hinwegsetzung über den mehrheitlichen Willen des Volkes (mithin des Souveräns), bei einer explizit plebiszitären Veranstaltung (denn was sollte eine Wahl anderes sein, als ein Plebiszit darüber, wer die Regierung führen sollte) und somit für mit der Demokratie nicht vereinbar. Und ich bin sicher, dass ich da nicht der Einzige bin.
Das hat aber natürlich Auswirkungen auf das Ergebnis, je nachdem, wie Fragen gestellt werden.
Wird z.B. danach gefragt, ob die Demokratie als ein anzustrebender Wert angesehen wird, ist doch nicht zu übersehen, dass die Antwort darauf sehr stark davon abhängt, auf welchen Demokratiebegriff man die Frage denn nun bezieht, denn man kann ja gleichzeitig das Demokratieverständnis der meisten Teile Europas bejahen und dass in den Vereinigten Staaten ablehnen.
Oder aber die befragte Person ist sich über die Verschiedenartigkeit überhaupt nicht im Klaren und versteht darunter explizit eines der beiden Modelle, dem sie zustimmt, oder das sie ablehnt, ohne dass die Frage solches intendiert hätte.
Ein anderes Beispiel: Auch zu Zeiten des Schahs bekannten sich Menschen in Iran mehrheitlich zum Islam, aber seitdem dort die Ajatollachs das Sagen haben, sind sie in ihren Ansichten radikaler, kompromissloser geworden.
Ja, weil es im Iran auch so einfach ist, sich einfach mal auf den Marktplatz zu stelle und zu erklären, dass man die Ansichten der Ayatollahs für Murks und die Ansichten verschiedener westlicher Gesellschaften für richtiger hält, diese doch bitte einführen und die Ayatollahs abschaffen sollte.
*Augen verdreh*
Wir reden von einem Land, in dem politische Abweichler aufs schwerste repressiert werden und wo man auch mit der Todesstrafe nicht zimperlich ist.
Ähnlich sieht es in Pakistan aus. Deswegen ist der Hinweis in der Studie auf die Diskrepanz Australien-Pakistan in der Frage, wie Kinder zu erzielen sind, schon folgerichtig.
Auch auf die Problematik bist du hingewiesen worden (selbstrendend ohne darauf zu reagieren).
Natürlich äußert sich die Bevölkerung eines Landes ohne vernünftigen Rechtsstaat, in dem dafür Gruppen wie die Tailban und mit ihnen verbandelte Organisationen herumlaufen, anders als die Bevölkerung eines Landes in dem die schlimmste Form von Repression darin besteht, dass der Nachbar mit einem nichts mehr zu tun haben will.
Grundsätzlich bin ich der Meinung: Wenn es einen politischen Islam gibt – jedenfalls wird bei uns dauernd davon gesprochen –, dann gibt es auch ein politisches Christentum.
Selbstredend gibt es ein politisches Christentum. Auch in diesem Land laufen und liefen Vereine herum, die explizit veruschten und versuchen Politik und Religion miteinander zu verbinden, bzw. auf Basis von Religion Politik zu machen.
"Partei Bibeltreuer Christen" und ähnlicher Humbug.
Das stellt ja niemand grundsätzlich infrage, nur den von dir postulierten und nicht bewiesenen Einfluss dessen.
Was du betreibst ist der fortgesetzte Versuch Religionsgemeinschaften als genuin politische Veranstaltungen zu verkaufen.
Du postulierst de facto nicht, dass es so etwas wie ein politisches Christentum
gäbe (das ist zweifellos der Fall), sondern du postulierst dass das Christentum eine genuin politische Verastaltung zwecks Durchsetzung einer iliberalen Gesellschaftsordnung
sei.
Weswegen seine Funktionsträger und Anhänger grundsätzlich als politische Akteure in diesem Sinne zu betrachten seien.
Und das ist nicht der Fall.