Das Verrückteste ist, daß in der Hagia Sophia noch das Grab des Enrico Dandolo existiert! Ich hätte ja gedacht, daß die Byzantiner die Grabstätte nach der Rückeroberung 1261 sofort aus dem Boden gerissen hätten. Für mich ein Beleg, daß das Reich damals bereits entkräftet war.
Also ich halte das für einen ziemlich schlechten Beleg dafür, dass das Reich entkräftet war, dass man ein Grab nicht entfernte. Da gibt es schlagkräftigeres.
Und warum beließen eigentlich die Osmanen das Grab? Gibt es eigentlich in ehemaligen Moscheen, jetzige Kirchen, z.b. in Andalusien, Balkan, etc. noch muslimische Gräber?
Die Moschee hat ja im islamischen Raum nicht den gleichen Stellenwert, wie eine Kirche. Sie ist der Raum des Niederwurfs (ma
sǧi
d; 'sich niederwerfen'
sa
ǧa
da)
, aber nicht sakral. In Kirchen befinden sich Heiligenreliquien und die Vorstellung, dass die Heiligen als erste erlöst werden und die Nähe des eigenen Grabs zu einem Heiligengrab die eigene Erlösung beschleunigt, führt dazu, dass Friedhöfe in und um Kirchen angelegt werden. Das hat man im islamischen Raum so nicht (wobei ich nicht sicher sagen kann, wie das bei den nordafrikanischen Marabus aussieht, häufig befinden sich ja dort Friedhöfe rings um das garb eines Marabu).
Ja, Caro1, das ist es ja, ich kenne viele Moscheen, die früher z.B. byz. Kirchen, waren, und wenn ich heute den Teppich umschlage, dann blickt mich manchmal ein Opus Sectile Boden und christl. Grabplatten an. Meine Frage oben hingegen ging in die Richtung, ob in heutigen Kirchen, die einmal Moscheen waren (z.B. in Andalusien, auf dem Balkan, usw.), ob sich dort auch muslimische Gräber noch finden. Also genau andersrum, wie du dachtest, Caro1.
Also, wie oben dargestellt, wird man in Moscheen kaum Gräber finden, daher eben auch keine muslimischen Gräber in ehemaligen Moscheen, die nun Kirchen sind. Der ši'itische Islam kennt allerdings Schraine und es gibt Fälle von jüdischen und christlichen Gräbern, die in sunnitischen Moscheen weiterexsitieren. So gibt es z.B. bei Petra eine kleine Moschee auf einem Berg, in der Harūn liegen soll, Aaron, der Bruder des Moses. In der Umayyadenmoschee von Damaskus befindet sich das angebliche Grabmal des Täufers, das von den Muslimen als Heiligtum verehrt wird.
Grabschändung andalusischer Gräber durch Spanier hat es gegeben. Zwar wurde in den Kapitulationen von Granada Boabdil durch die katholischen Könige zugesagt, dass die Muslime ihren Glauben weiterhin praktizieren dürften und muslimische Einrichtungen nicht angetastet würden, aber ziemlich schnell wurde die Kirche
San Cristobal gebaut, mit Verwendung von Grabsteinen vom al-Malik-Friedhof, der vor den Toren im Westen der Stadt lag.
Zu den islamischen Grabriten gehört u.a. das Verbot des Betretens eines Grabes, weil durch das Betreten die Grabruhe gestört wird.
Aus diesem Grunde nehme ich an, dass niemals Muslime in einer Moschee ihre letzte Ruhe gefunden haben werden, da innerhalb eines sakralen, zum Gebet bestimmten Gebäudes die Gefahr des Betretens des Grabes zu groß gewesen wäre.
Ist das wirklich bei den Muslimen so? Ich will es nicht abstreiten, kenne das aber vor allem von den Juden. Angeblich wurde doch der islamische Friedhof in Jersualem ins Kidrontal gelegt, damit die Juden, die ihren Friedhof auf dem Ölberg haben, am Tag der Auferstehung nicht durch die goldene Pforte auf den Tempelberg kommen, weil sie nicht über Gräber laufen dürfen.