Handel während des Amerikanischen Bürgerkriegs

Luckerlukas

Neues Mitglied
Ich würde gerne wissen, ob der amerikanische Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaatlern dazu geführt haben könnte, dass Europa Waren aus Amerika speziell Tabak fehlten.

Zu beachten ist meiner Meinung nach, dass:

- Europa Baumwolle, Gewürze und Tee aus dem nahen Osten, Afrika, Indien und Asien beschaffen konnte
- Tabak und Gewürze in Südamerika sowie auf den karibischen Inseln vorhanden waren (Bahamas und Jamaika noch englische Kolonien :confused:)

Danke im voraus ;)
 
Ich würde gerne wissen, ob der amerikanische Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaatlern dazu geführt haben könnte, dass Europa Waren aus Amerika speziell Tabak fehlten.
Tabak konnte ja auch in Europa angebaut werden.

Ich denke, dass es vor allem den Tabakkennern an dem berühmten Virginia-Tabak mangelte.

Schlimmer war sicherlich für den europäischen Markt fünfzig-siebzig Jahre zuvor die britische Blockade im Zuge der Koalitionskriege. Dadurch kam es wirklich zu umfangreichen Engpässen mit Luxusgütern und Genussmitteln aus Amerika. Dieses Kapitel der europäischen Wirtschaftsgeschichte habe ich hier schon thematisiert: http://www.geschichtsforum.de/f16/die-blockade-1793-1815-a-35515/
 
So weit ich weiss haben sich auf Grund der Blockade der Nordstaaten Baumwollimporte aus Indien und Ägypten durchgesetzt.
 
So weit ich weiss haben sich auf Grund der Blockade der Nordstaaten Baumwollimporte aus Indien und Ägypten durchgesetzt.
Die CSA wollte ja zumindest gemäß den zeitgenössischen Karikaturen die Briten mit Hilfe von "King Cotton" gewinnen. Ob dieser Versuch durch den Zugriff Großbritanniens auf die indische Baumwollproduktion nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt war, vermag ich nicht zu sagen. Aber wir haben zur Beantwortung dieser Frage ja zum Glück ein paar Experten zum Thema Wirtschaftsgeschichte des 19.Jh. mit griffbereiter einschlägiger Literatur hier im Forum. :yes::winke:
 
So weit ich weiss haben sich auf Grund der Blockade der Nordstaaten Baumwollimporte aus Indien und Ägypten durchgesetzt.
Stimmt.
Außerdem waren zu Kriegsbeginn in Europa die Baumwolllager noch relativ wohlgefüllt, sodass die Textilindustrie noch eine Weile mit den Vorräten auskam.
 
Großbritannien deckte vor 1861 rund 75% des Baumwollbedarfs aus den USA.

Der Importausfall und der "ungedeckte Baumwollhunger" ab 1861 hat die Baumwollindustrie besonders heftig erschüttert, vgl. die kurz gefassten Aussagen bei Treue, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit.

Das sieht weder nach ausreichenden Reserven aus, noch nach anderweitiger Importdeckung. Dagegen (bzw. für ungedeckte Nachfrage) spricht auch die Verfünffachung des Baumwollpreises bis zur Preisspitze 1864.

Die britischen Importe 1862 entsprachen schließlich der Hälfte der Jahresdurchschnitte 1855/60.

Als Folge der Krise ergab sich die Umorientierung bei den Lieferregionen, mengenbezogen wirksam wurde das aber wohl erst nach Ende des Bürgerkriegs.
 
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Die Niederrheinische Baumwollindustrie versuchte das damals weit verbreitete Mischgewebe aus Baumwolle und einheimischer Schafswolle oder Leinen möglichst weit zu strecken (also mehr Schafswolle oder Leinen zu verarbeiten). Der Trend ging eigentlich in die andere Richtung (zur Vermehrten Verarbeitung von Baumwolle), allerdings stieg der Baumwollpreis vor allem mit der zunehmenden Blockade der Südstaaten massiv an.
 
Großbritannien deckte vor 1861 rund 75% des Baumwollbedarfs aus den USA.

Der Importausfall und der "ungedeckte Baumwollhunger" ab 1861 hat die Baumwollindustrie besonders heftig erschüttert, vgl. die kurz gefassten Aussagen bei Treue, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit.

Das sieht weder nach ausreichenden Reserven aus, noch nach anderweitiger Importdeckung. Dagegen (bzw. für ungedeckte Nachfrage) spricht auch die Verfünffachung des Baumwollpreises bis zur Preisspitze 1864.

Die britischen Importe 1862 entsprachen schließlich der Hälfte der Jahresdurchschnitte 1855/60.

Als Folge der Krise ergab sich die Umorientierung bei den Lieferregionen, mengenbezogen wirksam wurde das aber wohl erst nach Ende des Bürgerkriegs.


Es war ja die große Hoffnung der Konföderierten, dass die starke Nachfrage nach Baumwolle die Briten bewegen würde auf seiten der Konföderierten zu intervenieren, was die sich aber politisch nicht leisten konnten, denn schließlich verstand sich GB als Vorkämpfer gegen die Sklaverei. Allerdings gab die Yankee- Blockade, die in den ersten Jahren noch sehr lückenhaft und mehr symbolisch war, den Konföderierten ein gutes Argument, als Staaatsgebilde anerkannt zu werden, was Lincoln Kopfschmerzen bereitete, denn wenn es sich um lediglich um einen aufruhr, eine Rebellion handelte, wie konnte dann der Präsident einen Blockade gegen einen Teil des eigenen Landes verhängen?
 
Auswirkungen hatten die Probleme mit der Baumwollversorgung aus den CSA übrigens auch auf Russland, wo sie den Wunsch verstärkten, sich in Turkestan eigene Anbaugebiete zu verschaffen. 1864/65 kam es daher zu weiteren größeren Eroberungen.
 
Großbritannien deckte vor 1861 rund 75% des Baumwollbedarfs aus den USA.


Diese Aussage würde ich eher stützen, wenn man bedenkt, dass die indische Baumwoll - und Bekleidungsindustrie von den Briten vorsätzlich zerstört wurde, um die dortige Bevölkerung "abhängig" von britischen Lieferungen zu machen und so einen (beachtlichen) Absatzmarkt für die eigenen Produkte zu gewinnen.

Wenn ich nicht irre, war es erst Gandhi, der im Zuge seines zivilen Ungehorsams auch das Hausspinnen wieder populär machte und so den Briten einen empfindlichen wirtschaftlichen Schlag zu verpassen drohte, weswegen man gegen private Haushalte diesbezüglich rigoros vorging.
 
Die Nachfrage bezog sich einfach darauf, was und wie vorsätzlich zerstört worden sein soll. Vielleicht kannst Du das etwas erläutern?

Wie sah es denn mit der indischen Baumwollindustrie und -produktion, sagen wir um 1800/1830 aus?
 
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Als Folge der Krise ergab sich die Umorientierung bei den Lieferregionen, mengenbezogen wirksam wurde das aber wohl erst nach Ende des Bürgerkriegs.
Der Sezessionskrieg sorgte in Lateinamerika, vor allem in Brasilien, für einen kurzfristigen, staatlich geförderten, Baumwollboom. Ebenso verhielt es sich mit Ägypten, wo bereits seit 1820 zunehmend Baumwolle angebaut wurde, der Anbau aber während des Sezessionskrieges massiv gefördert wurde. Nach Kriegsende brach der Baumwollpreis aber rasch ein.

Diese Aussage würde ich eher stützen, wenn man bedenkt, dass die indische Baumwoll - und Bekleidungsindustrie von den Briten vorsätzlich zerstört wurde, um die dortige Bevölkerung "abhängig" von britischen Lieferungen zu machen und so einen (beachtlichen) Absatzmarkt für die eigenen Produkte zu gewinnen.
"Vorsätzlich zerstört" ist etwas überspitzt, "gröblich benachteiligt" würde es besser treffen. Ab Mitte des 19. Jhdts. entwickelte sich in Indien durchaus eine heimische baumwollverarbeitende Industrie, aber ihr machte die britische Konkurrenz schwer zu schaffen. 1896 wurde zwar ein Zoll für importierte britische Baumwollprodukte eingeführt, aber die britische Baumwollindustrie erzwang die Einführung einer Ausgleichsabgabe auf indische Baumwollprodukte in der Höhe des Einfuhrzolls, die erst 1926 wieder aufgehoben wurde.

Wenn ich nicht irre, war es erst Gandhi, der im Zuge seines zivilen Ungehorsams auch das Hausspinnen wieder populär machte und so den Briten einen empfindlichen wirtschaftlichen Schlag zu verpassen drohte, weswegen man gegen private Haushalte diesbezüglich rigoros vorging.
Dass Gandhi das Hausspinnen populär zu machen versuchte, hatte aber verschiedene Gründe und richtete sich keineswegs nur gegen die Briten. Es ging ihm auch darum, den Kleinbauern ein Nebeneinkommen zu verschaffen, indem er sie ermutigte, in der Zeit, in der sie nicht mit ihrer Landwirtschaft beschäftigt waren, zu spinnen. Er wollte damit aber auch ein soziales Zeichen gegen die Kastendiskriminierung setzen, da Handarbeit als Tätigkeit von Angehörigen niedriger Kasten galt. Selbstgesponnene und -gewebte Kleidungsstücke wurden dann auch zum Markenzeichen national gesinnter Politiker.
 
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Die Nachfrage bezog sich einfach darauf, was und wie vorsätzlich zerstört worden sein soll. Vielleicht kannst Du das etwas erläutern?


Inzwischen hat das Ravenik ja besser erklärt. Aber grundsätzlich ist es nur logisch, dass die Briten lieber die eigenen Produkte an den Mann bringen wollen und daher Konkurrenz nicht dulden. Die "Handhabung" Indiens wurde immer mit dem Hintergedanken an die "Great Mutiny" von 1857 geführt, also dementsprechend vorsichtiger und strenger, was viele Bereiche betraf.
 
Oversimplified explanations, which exaggerate the role of British commercial policy and ignore the role of changes in demand and technology, have been very common and have had some adverse impact on post-independence economic policy. [Gagil, Maddison]

Vorkoloniale Industrialisierungsvergleiche waren ja eine Zeit lang en vogue. Die wirtschaftshistorischen Beuteilungen waren im letzten Jahrhundert auch politisch durchsetzt. Entsprechend verlief die Debatte über die De-Industrialisierung Indiens.

Zu den Wettbewerbsfaktoren und ihrer Verschiebung vor 1850 siehe zB:
http://www.iisg.nl/hpw/papers/broadberry-gupta.pdf
 
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