Hinrichtung durch die Guillotine

Ich muss ja immer rechnen...
gehen wir mal von 200.000 Privilegierten (1./2,. Stand) und 25 Mio "Drittständlern" aus, dann kamen um:

3,2% Adel/Geistliche
0,1% 3. Stand

Dies war aber wohl nur Paris?
 
Ich muss ja immer rechnen...
gehen wir mal von 200.000 Privilegierten (1./2,. Stand) und 25 Mio "Drittständlern" aus, dann kamen um:
3,2% Adel/Geistliche
0,1% 3. Stand
Dies war aber wohl nur Paris?

Bezüglich der Opferzahlen wird immer noch auf Donald Greer (1935) Bezug genommen, der 35-40.000 geschätzt hat (natürlich ohne den Bürgerkrieg in der Vendée u.ä.). Die in Gerichtsverfahren verhängten Todesurteile bezifferte er mit 16.594; von den Verurteilten entstammten 83 % dem Dritten Stand, 8.5 % dem Adel und 6 % dem Klerus (Handbuch der europäischen Geschichte, Bd. 5, S. 222).

Zum Rechnen: "Adel und Klerus machten zusammen keine drei Prozent der Bevölkerung aus" (Markov/Soboul, S. 368).
 
Hier geht nun aber einiges durcheinander!
Die Zahlen, die Du nennst sind genau so von Matze in Posting #20 genannt worden (aber ohne genaue Quelle)

Daraufhin habe ich berechnet, dass dies bedeutet, dass
3,2% des 1. und 2. Standes und
0,1% des 3. (und 4.) Standes
ermordet wurde.

1. und 2. Stand habe ich mit 200.000 von 25 Mio, also etwa 0,8 % der Bevölkerung angesetzt.
 
Hier geht nun aber einiges durcheinander!
Die Zahlen, die Du nennst sind genau so von Matze in Posting #20 genannt worden (aber ohne genaue Quelle)

Matze wird mir verzeihen, aber es gibt kleine Differenzen:
1. Das Zitat in der Hausarbeit bezieht sich auf März 1793 bis Juli 1794, das Zitat im Handbuch ist nicht eindeutig eingegrenzt.
2. Die soziale Zusammensetzung ist in der Hausarbeit offenbar auf die Zahl 40.000 bezogen, im Handbuch auf jene 16.594 - einfaches "Hochrechnen" geht nicht!
3. Die Differenz beim Klerus beträgt 0.5 % oder (immerhin) 1/12 der Zahl.

Die Bevölkerungszahl um 1789 gibt Fernand Braudel (Frankreich, Bd. 2, S. 167) mit 26,3 Millionen an. "Keine 3 %" für Adel/Klerus lese ich als 2,5 % (von 26 Millionen), das sind 650.000 Köpfe.

Ich behaupte keineswegs, dass "meine" Zahlen/Interpretationen richtig und die anderen falsch sind, sondern stelle nur Klärungsbedarf fest. (Und wundere mich ein bißchen, dass in vielen Darstellungen der Revolutionszeit die Zahlen der Opfer überhaupt nicht genannt werden.)
 
2. Versuch
Die Wikipedia :) gibt 25 Mio zu 500.000 an; das scheinen mir schöne runde Zahlen zu sein.

Wenn wir mit nur 17.000 Verurteilten rechnen, und die von jschmidt angegebenen Prozente nehmen, dann wurden

0,5% des 1. und 2. Stands
0,06% des 3. Standes
verurteilt. Wahrscheinlich (?) starben aber doppelt soviele...
 
Dass sie außerordentlich klein sind (wenn man sie mal mit den militärischen Opfern unter Napoleon vergleicht), und dass die privilegierte Schicht 10x gefährdeter war als ein "Bürger". Ob dieser Faktor 10 jetzt viel oder wenig ist, mag ich gar nicht beurteilen...

Oder doch: Ich würde sagen: Er ist recht klein! Und erst recht diese 0,5%! Diese Gerichtsurteile dienten also offenbar in erster Linie nicht dazu, einen Stand abzuurteilen, sondern eine "Gesinnung" (oder es waren sogar wirtschaftliche Aspekte beteiligt)
 
Zuletzt bearbeitet:
Gab es damals schon eine genau festgelegte Altersgrenze ? Das kann ich mir kaum vorstellen.

Gruß...

Eine Grenze, die bis ins 20. Jahrhundert eine deutliche Zäsur vom Jugendleben markierte, war jedenfalls die Konfirmation oder Kommunion, wenn ein Jugendlicher zumindest religiös mündig wurde. Das bedeutete meistens auch den Eintritt in die Arbeitswelt. Ich erinnere mich, dass mein Großvater erzählte, wie sein Vater ihm am Abend seiner Konfirmation bedeutete, dass er jetzt für alles, was er tut, selbst verantwortlich ist. Er trat dann am darauffolgenden Tag als Lehrling in die Stellmacherei seines Onkels ein.
 
Dürfte sich die Frage nicht am leichtesten durch diese Überlegung lösen: Was ist eigentlich aus dem Thronfolger von Ludwig dem XVI. geworden? Meines Wissens wurde er einem Schuster anvertraut, der ihn erziehen sollte. Und wenn der Tronfolger, der doch die größte Gefahr für die Republik dargestellt haben dürfte - nicht hingerichtet wurde, so wird die logische Schlussfolgerung wohl lauten, dass keine Kinder hingerichtet wurden. Oder etwa nicht?:winke:
 
Vielleicht sollte der Dauphin als Druckmittel für eventuelle Verhandlungen mit den Briten usw. absichtlich am Leben bleiben.

Matze
 
DUnd wenn der Tronfolger, der doch die größte Gefahr für die Republik dargestellt haben dürfte - nicht hingerichtet wurde, so wird die logische Schlussfolgerung wohl lauten, dass keine Kinder hingerichtet wurden. Oder etwa nicht?:winke:

Würde ich jetzt nicht so sehen.

Auch wenn viele Hinrichtungen in der Revolutionszeit nur politische Motive hatten, wurde doch immer an der Fiktion festgehalten, es ginge um die Bestrafung von Verbrechern. Und da hatte sich der Dauphin eben noch nichts zuschulden kommen lassen.
Man hätte natürlich etwas konstruieren können, aber es war wohl politisch interessanter, ihn demonstrativ als Schusterlehrling zu behandeln, das demonstrierte die postulierten Gleichheitsideale.
 
Dass sie außerordentlich klein sind (wenn man sie mal mit den militärischen Opfern unter Napoleon vergleicht), und dass die privilegierte Schicht 10x gefährdeter war als ein "Bürger". Ob dieser Faktor 10 jetzt viel oder wenig ist, mag ich gar nicht beurteilen...

Oder doch: Ich würde sagen: Er ist recht klein! Und erst recht diese 0,5%! Diese Gerichtsurteile dienten also offenbar in erster Linie nicht dazu, einen Stand abzuurteilen, sondern eine "Gesinnung" (oder es waren sogar wirtschaftliche Aspekte beteiligt)
Danke für das Jonglieren mit den Zahlen, das ist sehr interessant. :yes:
 
Danke für das Jonglieren mit den Zahlen, das ist sehr interessant.

Nun, auf der nach oben offenen deSilva-Skala fürs "Body counting" bei Revolutionen und ähnlichen Anlässen mögen das wirklich niedrige Zahlen sein.

Freilich fällt es schwer, dafür einen Maßstab zu konstruieren. Wenn sich trotzdem Konnotationen wie "Schreckensherrschaft" oder "Blutbad" gehalten haben, dann vielleicht vor dem Hintergrund, dass
1. der Personenkreis der "Opfer" (siehe die Anteils-Prozente) sich gravierend von dem unterschied, was so jahrauf jahrab in der Geschichte üblich war,
2. alles das vor den Augen der - eigens dazu eingeladenen - Öffentlichkeit geschah ("public viewing", noch am ehesten zu vergleichen mit der Praxis der Hexenverbrennungen).

Richtig ist jedenfalls, dass alle diese Zahlen verblassen neben dem, was in Bezug auf Frankreich 1789-1815 sonst noch passierte: "Man denke an die Emigration (schätzungsweise 180.000 Personen) und die Verluste des Heeres (1.200.000 Mann, wozu noch die rund 400.000 Toten der grausamen Vendée-Kriege kommen)." (Braudel, Frankreich, 1990, Bd. 2 S. 166)
 
Nun, auf der nach oben offenen deSilva-Skala fürs "Body counting" bei Revolutionen und ähnlichen Anlässen mögen das wirklich niedrige Zahlen sein.

Freilich fällt es schwer, dafür einen Maßstab zu konstruieren. Wenn sich trotzdem Konnotationen wie "Schreckensherrschaft" oder "Blutbad" gehalten haben, dann vielleicht vor dem Hintergrund, dass
1. der Personenkreis der "Opfer" (siehe die Anteils-Prozente) sich gravierend von dem unterschied, was so jahrauf jahrab in der Geschichte üblich war,
2. alles das vor den Augen der - eigens dazu eingeladenen - Öffentlichkeit geschah ("public viewing", noch am ehesten zu vergleichen mit der Praxis der Hexenverbrennungen).
1. Es waren extrem prominente Opfer.

2. Ja die Guillotine zelebrierte am laufenden Band das Töten öffentlich und instrumentalisiert für das neue System.

Aber auch an Vergleichen zur Geschichte fehlte es ja nicht. So wie die Bartholomäusnacht gern mit den Massakern schon damals verglichen worden.
Darüber hinaus war Paris eine Weile sozusagen der Nabel der Welt gewesen, was die Kultur anbelangte, dass hier soviel Barbarei möglich war, schockierte insbesondere.

Ich denke man kann die Opfer von Hinrichtungen oder Massakern nicht so leicht in der Wirkung mit denen im Kriege vergleichen. Selbst die zivilen Opfer im Kriege, z.B. im Zuge der Plünderung einer Stadt blieben ja besonders im kollektiven Gedächtnis. Man denke an Magdeburg im Dreißigjährigen Krieg.

Darüber hinaus hat man bei einigen Revolutionären wie bei Marat mit seiner Forderung nach 100.000 Köpfen ja sogar eine Verherrlichung der Morde/Hinrichtungen etc. vor Augen. Die Tötungen gingen also nicht nur von einer aufgebrachten und unkontrollierbaren Masse aus, sondern wurden angeheizt und das von politische Führungspersonen, was auch eine besondere Qualität ausmacht.
 
Wegen des Alters wurde keinerlei Unterschied gemacht.
Madame la Guillotine wurde ja auch als "Gleichmacher" bezeichnet.

Eine der ältesten Personen die mir bekannt sind, war die Marschallin von Noailles, sie wurde im stolzen Alter von 85 Jahren unters Fallbeil gelegt.

Über Kindes - Hinrichtungen kann ich keine belegbaren Äußerungen machen, aber aus den Berichten und Ansichten der Schreckensherrschaft dürfte es da keine Ausnahmen gegeben haben.

Wenn berühmte Personen hingerichtet wurden, wurde dafür Tage vorher Reklame gemacht.
Allerdings hat die Faszination der öffentlichen Hinrichtungen rapide nachgelassen.
Jeden Tag fuhren die Karren mit den zu ermordeten (ich wähle bewusst diese Bezeichnung, da die Revolutions Regierung in meinen Augen ein Verbrecherisches Regime von Dieben, Zuhältern und Kleinkriminellen gewesen ist und Massenmord im großen Stile betrieben hat) durch die Straßen.
Die Menschen in den Städten schlossen die Fensterläden, wenn die Karren vorbei kamen.

Es gab öffentliche Beschwerden über den Gestank des Blutes, so dass die Guillotine in bestimmten Zeitlichen Abständen an verschiedenen Orten in Paris aufgestellt wurde, damit die Anwohner Ruhe gaben.


Ein interessantes Buch über die Henker von Paris zu dieser Zeit gibt es von Guy Lenôtre.
Darin versammelt er eine Menge Augenzeugenberichte und andere historische Fakten.

Ein Kapitel der Geschichte auf das Frankreich wahrlich nicht stolz sein kann.
 
Über Kindes - Hinrichtungen kann ich keine belegbaren Äußerungen machen, aber aus den Berichten und Ansichten der Schreckensherrschaft dürfte es da keine Ausnahmen gegeben haben.
Eine solche Aussage sollte man entweder belegen oder zurückziehen.:(
Dass unter den Opfern insgesamt auch Personen unter 16 Jahren waren - das ist die im Code Pénal (1791) angegebene Altersgrenze -, ist richtig; Michelet (Bd. 3, S. 73) beklagt als "verruchteste Tat der Septembermorde", dass am 4.9.1792 33 von 55 Knaben einer Besserungsanstalt vom Mob getötet wurden.

Es gab öffentliche Beschwerden über den Gestank des Blutes, so dass die Guillotine in bestimmten Zeitlichen Abständen an verschiedenen Orten in Paris aufgestellt wurde, damit die Anwohner Ruhe gaben.
Welche Standortwechsel sind gemeint? (Abgesehen von der Verlegung vom Place de la Révolution zum Place Sainte-Antoine.)

Die Hinrichtungsorte waren nach Michelet (Bd. 5, S. 124 ff.) nicht das größte Problem. Zwar klagten die Anwohner der Zugangsstraßen über "die Flut feiler Radaubrüder und Furien der Guillotine", aber mehr noch über die Geruchsbelästigung, die von den Friedhöfen ausging. Das führte dazu, dass man, nachdem die Friedhöfe wegen des Widerstands nicht mehr benutzt werden konnten, ab Juli 1974 die Leichen in einen alten Sandsteinbruch, den Mont-au-Poivre, außerhalb der Stadtgrenze schaffte.
 
Die wechselnden Standorte waren:

1. Place de Grève (die eigentliche Hinrichtungsstätte in Paris)
sollte auch weiterhin den gewöhnlichen Verbrechern vobehalten werden.

2. Place de la Revolution (Place Royale / Place de la Concorde)

da der Platz ja recht groß ist wurde die Guillotine an unterschiedlichen Stellen errichtet.
Anfangs zwischen den Überresten der Statue Louis XV und dem Champs Elysees.
Dann u.a. am Tuillerien Garten.

3. Place de la Bastille (wenn auch nur für einen Tag)

4. Place du Throne (Heute Place de la Nation)
Ein Ort der genauso von Blut getränkt ist, wie der der Place de la Concorde

Von dem Place St. Antoine ist allerdings in meiner speziellen Quelle über die Guillotine keine Rede.


Die Belästigung durch die Massengräber der Friedhöfe ist mir auch bekannt, da spielte vor allem die Angst vor Krankheiten eine Rolle.
Das Problem aber war, dass man zwar das Schafott mit Wasser reinigte, aber darunter entweder nur das Stroh oder den Sand auswechselte - damals waren die Plätze aber schon gepflastert und das Blut soll laut Zeitzeugen dermaßen gestunken haben, und nicht versickert sein, dass der Gestank wie auch die blutigen Fußspuren im ganzen Viertel anzutreffen waren.
Das kann man sic leicht vorstellen, wenn man Bedenkt wieviel "Flüssigkeit" pro Person an einem Tag vergossen wurde...

Eine solche Aussage sollte man entweder belegen oder zurückziehen

Warum ? Ich habe in dieser speziellen Aussage ja schon erwähnt, dass ich sie nicht Belegen kann. Das ist als meine eigene Vermutung zu verstehen, wenn das allerdings in diesem Forum verboten ist, dann kann das gelöscht werden.
 
Die wechselnden Standorte waren: ...
Von dem Place St. Antoine ist allerdings in meiner speziellen Quelle über die Guillotine keine Rede.
Ich möchte dazulernen und bin an dieser Quelle sehr interessiert; meine habe ich ja schon genannt.

Warum? Ich habe in dieser speziellen Aussage ja schon erwähnt, dass ich sie nicht Belegen kann. Das ist als meine eigene Vermutung zu verstehen, wenn das allerdings in diesem Forum verboten ist, dann kann das gelöscht werden.
Vermutungen sind mE völlig legitim.:winke: Es ist halt so, dass die prozessuale Verfolgung und Hinrichtung von Kindern so ungefähr das Scheußlichste ist, was man irgendeinem Regime vorwerfen kann. Deshalb ist die "Beweispflicht", meine ich, in solchen Fällen höher - "wenn Frauen, dann auch Kinder" ist wohl nicht hinreichend.
 
SoleilRoyal schrieb:
Über Kindes - Hinrichtungen kann ich keine belegbaren Äußerungen machen, aber aus den Berichten und Ansichten der Schreckensherrschaft dürfte es da keine Ausnahmen gegeben haben.
Eine solche Aussage sollte man entweder belegen oder zurückziehen.
Dass unter den Opfern insgesamt auch Personen unter 16 Jahren waren - das ist die im Code Pénal (1791) angegebene Altersgrenze -, ist richtig; Michelet (Bd. 3, S. 73) beklagt als "verruchteste Tat der Septembermorde", dass am 4.9.1792 33 von 55 Knaben einer Besserungsanstalt vom Mob getötet wurden.

Dass der Mob sich nicht an eine Altersgrenze hält, ist nicht verwunderlich. Aber mir ist keinerlei Anzeichen bekannt, auch aus dieser Diskussion nicht- dass Kinder zum Tode verurteilt wurden...Siehe auch mein Posting #5 oben (http://www.geschichtsforum.de/344420-post5.html)
 
Ein interessantes Buch über die Henker von Paris zu dieser Zeit gibt es von Guy Lenôtre.
Darin versammelt er eine Menge Augenzeugenberichte und andere historische Fakten.

Die beste Quelle, weil aus allererster Hand, sollte dies sein:
Henri Sanson: Tagebücher der Henker von Paris. 1685-1847. Erster und zweiter Band in einer Ausgabe, hrsg. v. Eberhard Wesemann u. Knut-Hannes Wettig. Nikol, Hamburg 2004. ISBN 3-933203-93-7

Charles Henri Sanson ? Wikipedia
 
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