Zum einen ist jschmidts Anmerkung, der US-Regierung sei nicht daran gelegen gewesen, Streitigkeiten der nations untereinander zu verhindern, sehr richtig. Zum anderen hielt man sich auch nicht wirklich bei der Frage auf, wie die im Territorium zusammengedrängten Völker ihr Überleben sichern konnten.
Zur Beantwortung der Frage, wie die in Oklahoma ansässigen Ethnien die erzwungene Zuwanderung weiterer Völker sahen, komme ich mal wieder auf die Epidemien zurück.
Das Territorium war Wohn- bzw Jagdgebiet mehrerer Ethnien, so zb der Osage, Omaha, Quapaw, Ponca, Pawnee, Wichita, Caddo, Kiowa, Comanche. Diese Völker gehörten unterschiedlichen Kulturarealen an, nämlich Prärie bzw südöstliches Waldland und Plains. Dies ergibt sehr unterschiedliche Wirtschaftsweisen: nämlich einmal nomadisch jagend und sammelnd, zum anderen mit (halb)seßhafter Lebensweise und Ackerbau. Die zum Kulturareal Prärie gehörenden Völker veranstalteten zusätzlich in den Sommermonaten, in denen die Felder nicht intensiv bearbeitet werden mußten, kollektive Jagden auf Büffel und lebten dann in Zelten.
In den Jahren vor der Umsiedlung der Civilized Tribes grassierten in dieser Region mehrere Epidemien bzw Pandemien. Im gesamten 19. Jahrhundert traten in Nordamerika bei der indianischen Population folgende Pan/Epidemien auf: 13mal Pocken, 5 mal Masern, 3 mal Cholera, 2 mal Grippe, je einmal Diphterie, Scharlach, Tularämie, Malaria; Pandemien dabei 1801-02 und 1836-40.
Am Beispiel der Omaha beleuchtet:
(diese sowie folgende Tabellen bzw Zahlen sind aus:
Russell Thornton: American Indian Holocaust and Survival. A Population History since 1492. Un. of Oklahoma Press 1987)
Mortality of 19th Century Epidemics Among the Omaha
Date Epidemic Mortality
1801-02 Smallpox 75%
1837 Smallpox over 300
1849 Cholera over 500
1874 Measles over 500
(AIHS, S. 94)
Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen späte 1700er bis 1980
Date Population
late 1700s 3,000 - 3,500
1802 less than 300
1876 1,076
1882 1,100
1884 1,179
1910 1,105
1930 1,103
1960 1,100 (approximately)
1975 2,600
1980 3,090
(AIHS, S. 93)
Die Pandemie von 1802 betraf nicht nur die Omaha, sondern eine größere Region, in der Völker in ähnlichem Umfang dezimiert wurden (Ponca, Oto, Iowa, Arikara, Mandan, Gros Ventre, Crow, Sioux). Die Pandemie breitete sich bis an die pazifische Nordwesteküste und in den Südwesten aus. Die Pandemie von 1846-40 erfaßte die nördlichen Plains, pazifische Nordwestküste, Kanada, Alaska. Im Indian Territory trat 1833 außerdem noch eine Cholera-Epidemie auf.
Die Migration von Mormonen ins Great Basin löste weitere Epidemien aus, wie auch andere Trails durch indianisches Land, und zwar nicht nur am Zielgebiet der Auswanderer, sondern bereits unterwegs. Im Zuge der Migration der Mormomen ab 1847 traten im Zielgebiet auf: Pocken (1853, 1856), Masern (1848-49), Cholera (49), Malaria (49), Tuberkulose (50), Scharlach (53), Keuchhusten (53), Typhus und Darmparasiten (54), Mumps (54). Dies ergibt im Zeitraum von neun Jahren 10 Epidemien. Daß es neun verschiedene Infektionen waren, erhöhte die Zahl der Todesopfer (wer erkrankt und überlebt, entwickelt ja eine gewisse Immunität, die beim nächsten Auftreten der Infektion für einen schwächeren Verlauf bzw Nichterkrankung sorgt).
Dh daß die im Territorium bereits ansässigen Völker vor der Vertreibung der Civilized Tribes eine (weitere) drastische Dezimierung erfahren hatten und zu Widerstand nicht mehr in der Lage waren. Nicht nur aufgrund der erheblichen zahlenmäßigen Verluste, sondern aufgrund der Begleiterscheinungen der Epidemie. Die Erkrankungen verliefen sehr viel heftiger als bei Europäern und führten in den meisten Fällen innerhalb von Stunden! nach Auftreten der ersten Symptome zum Tode (wie Europäer berichteten, teils sogar *vor* Ausbildung der Hautsymptome). Die Omaha wurden von der Pandemie so demoralisiert, daß sie kollektiven Selbstmord im Kampf gegen ihre Feinde begehen wollten. (AIHS, S. 92ff)
Der sehr viel gravierendere Erkrankungsverlauf wurde auch bei anderen Infektionen beobachtet, wie zb Tuberkulose: Es wurde festgestellt, daß "als die Tuberkoluse erstmals bei einem kanadischen Stamm auftrat, befiel die Infektion auch innere Organe, die bei Weißen nicht betroffen waren. Die Symptome - Meningitis und ähnliches - waren sehr viel dramatischer und der Fortschritt der Krankheit sehr viel schneller als bei zuvor von der Tuberkulose befallenen Populationen beobachtet wurde." Erst in der dritten Generation konzentrierte sich die Tuberkulose auf die Lungen. (AIHS, S. 103)
jschmidt schrieb:
Hiernach lebten um 1820 bereits indianische Stämme in diesem Gebiet: Osagen, Quapaws usw. Letztere beanspruchten das Land für sich, ohne sich jedoch ständig dort niederzulassen; das gleiche galt für die benachbarten Wichitas, Kiowas und Comanches, die das Territorium häufig als Winterquartier benutzten (Abbott, S. 29). Zwischen 1809 und 1817 zogen auch erste Cherokees aus dem Südosten hierher.
Oh, hier hat sich ein Eurozentrismus eingeschlichen: die Ackerbau betreibenden Völker wechselten nach ein paar Jahren den Standort der Dörfer, um die Felder einige Jahre ruhen zu lassen. Dies kann jedoch nicht als 'nicht ständiges Niederlassen' gesehen werden, da die anderen, vorübergehend nicht bewirtschafteten Gebiete ja nicht überflüssig bzw verzichtbar waren.
Auch die als nomadische Büffeljäger lebenden Kiowa und Comanche hatten zb bei Winterquartieren bestimmte Ansprüche an geschützt liegende Areale, die den Winterdörfern in der Nähe Wasser boten sowie die Möglichkeit, die vorhandenen Vorräte durch Jagd zu ergänzen.
dass die Gesamtzahl der (später sog.) "Five Civilized Tribes of Oklahoma" nicht höher als 78.600 lag (nach Abbott, S. 60[...])
Für die Cherokee finde ich in AIHS, S. 115, folgende Zahlen:
Cherokee Population History, 1650-1980
Date Population
1650 22,000
1808-1809 13,395
1836 17,713
1835 21,542
1851-52 15,802
1866 15,566
1875 19,717
1880 21,920
1900 28,000
1910 32,476
1970 66,150
1980 + 232,000