Ich habe dazu die Meinung von zwei Althistorikern gepostet, die eine Einwanderung der Hethiter nach Kleinasien als gesichert annehmen. Während der eine den Wanderweg offen lässt, hält der andere die Zuwanderung über den Kaukasus nach Anatolien für wahrscheinlich. Das sollte doch eigentlich ausreichen.
Die Geschichte der Hethiter beginnt mit der Einwanderung von Trägern der indogermanischen Sprachfamilie. Diese erfolgte spätestens im 3. Jahrtausend v. Chr., und zwar wohl aus dem Norden der Schwarzmeerküste über den Kaukasus nach Anatolien.
(Elmar Schwertheim, Kleinasien in der Antike, München 2005, S. 18)
und hier:
Vieles spricht dafür, dass die Wanderungsbewegung, die die Vorfahren der indogermanischen Sprachen nach Anatolien gebracht hat, bereits recht früh stattgefunden haben muss ... Wir lönnen deshalb vermuten, dass die Ankunft der ersten Einwanderer, die ein "Ur-Hethitisch" gesprochen haben, im ausgehenden 3. Jahrtausend erfolgt sein dürfte.
(Jörg Klinger, Die Hethiter, München 2007, S. 24)
Ähnliches findet sich auch im Hethiter-Katalog zur Ausstellung
"Die Hethiter - das Volk der 1000 Götter", die 2002 in Bonn stattfand; leider ist der Katalog nicht mehr in meinem Besitz. Im Vorwort zur Ausstellung heißt es dazu:
Die Hethiter sind nicht vom Himmel gefallen ... Vielmehr haben Gruppen von Einwanderern, erkennbar an ihrer indoeuropäischen Sprache, im späten 3. und frühen 2. Jahrtausend v. Chr. in den alteingesessenen hattischen Fürstentümern Zentralanatoliens nach und nach Schlüsselpositionen besetzt und so allmählich die Macht im Land an sich gebracht. Demzufolge ist der Staat, den wir hethitisch nennen, das Ergebnis einer Synthese von lokalem Kulturbestand und auswärtigen Einflüssen, eine Folge der Entwicklungen, die Anfang des 2. Jahrtausends v. Chr. in Anatolien vor sich gingen.
Richtig, aber das bestreitet hier ja keiner. Es geht darum, dass die rein militärische Unterwerfung durch kleine eingewanderte Eroberergruppen noch nie direkt zu einem Verschwinden der Sprache geführt hat. Sogar wenn die Eroberer in Massen gekommen sind, haben sich die einheimischen Sprachen oft noch lange halten können.
Ich habe dir doch mehrfach Beispiele genannt, wo Invasoren den Unterworfenen ihre Sprache aufzwangen oder durchsetzten.
Die Angelsachsen kamen nicht als kleines Grüppchen, sondern in großen Massen. Das ist wie im Fall der Türken auch heute noch im Genpool deutlich festzustellen. Im rein keltischen Sprachgebiet konnten sie ihre Sprache erst mal gar nicht durchsetzen. (Sogar heute, anderthalb Jahrtausende später, sind dort die keltischen Sprachen nicht verschwunden.) Da, wo die Angelsachsen ihre Sprache durchsetzten, trafen sie wohl eher auf eine zweisprachig keltisch-lateinische Bevölkerung.
Es ist überhaupt nicht abzustreiten, dass weltweit immer wieder unterworfene Völker ihre Sprache zu gunsten der Eroberer aufgaben. Wie zahlreich die Eroberer waren, ist vielfach ungewiss, doch war ihre Zahl in der Regel kleiner als die der Autochthonen. Die an Britanniens Küsten anlandenden Angelsachsen waren zahlenmäßig der angestammten kelto-britischen Bevölkerung mit Sicherheit weit unterlegen, setzten zunächst ihre Oberherrschaft gewaltsam durch und dann in einem Zeitraum von etwa 300 Jahren auch ihre Sprache und Kultur. Die Kelten wurden nach Wales zurückgedrängt, wo sich ihre Sprache noch lange erhielt.
Zur Zeit, als die Römer Etrurien eroberten, waren sie den Etruskern wohl kaum kulturell unterlegen, ganz abgesehen davon, dass die Römer keine zahlenmäßig schwachen Einwanderer aus der Fremde waren.
Als die Römer Etrurien eroberten, waren ihnen die Etrusker noch als alte Lehrmeister kulturell noch haushoch überlegen. Das Etruskische verschwand im Zuge dieser Eroberung und die Römer setzten sich durch. Kulturelle Leistungen von Format erbrachten die Römer erst seit den Punischen Kriegen bzw. der Kaiserzeit.
Die Slawen konnten ihre Sprache in den Gebieten durchsetzen, in die sie in großer Zahl eingewandert waren.
Auch hier war die Zahl der einwandernden Slawen mit Sicherheit nicht größer als die der autochthonen Bevölkerung. Illyrer, Thraker und Balkanromanen gaben ihre Sprache auf und lediglich die Griechen konnten ihre Sprache trotz erheblicher slawischer Migration bis auf die Peloponnes behaupten.
Aber doch eben nur in Teilen Kleinasiens. Da wo die Türkischsprachigen nur dünn vertreten waren, sprach die Bevölkerung auch nach Jahrhunderten noch griechisch, armenisch oder kurdisch.
In Kleinasien ünerschichteten turkstämmige oghusische Reiternomaden die autochthone Bevölkerung und setzten ihre Sprache durch. Dass das ein längerer Prozess war und nicht von heute auf morgen erfolgte, versteht sich von selbst.
Ob es allerdings sinnvoll ist, solche Paradebeispiele immer wieder haarspalterisch zu diskutieren, steht auf einem anderen Blatt.
Hier ging es um die Hypothese, dass indoeuropäische Sprachträger nach Indien, Iran, Kleinasien und Europa migrierten und ihre Sprache gegenüber der autochthonen europäischen Bevölkerung durchsetzten. Wie groß die Zahl der Invasoren war, lässt sich nach über 4000 Jahren nicht mehr sagen und auch die Verfechter dieser Hypothese sind da unsicher. Auf jeden Fall können es - folgt man dieser Hypothese - keine riesigen Reiterhorden gewesen sein, da - laut
Harald Haarmann u.a. - keine genetischen Marker zu finden sind, die einen gewaltigen Ansturm nachweisen würden. Wie bei den Türken in Klienasien oder den Angelsachsen in Britannien muss die Zahl der Invasoren also erheblich kleiner als die alteuropäische Bevölkerung gewesen sein.
Ja, natürlich ist mir das schon lange klar, du brauchst es nicht noch weitere zwanzigmal zu schreiben.
Ich muss das immer wieder betonen, da du jede Hypothese hierzu ablehnst und zur Klärung dieses linguistischen Problems nichts beiträgst.
JEs scheint aber, dass dir nicht klar ist, dass in der Wissenschaft Hypothesen üblicherweise mit nachprüfbaren Fakten begründet werden, nicht mit aus der Luft gegriffenen Behauptungen.
Es handelt sich bei den Indogermanisten und Archäologen, die sich zur Verbreitung der IE Sprachen geäußert haben, um seriöse Wissenschaftler. Ob du ihre Stellungnahmen zu diesem Problem nun Hypothese oder Spekulation nennst, bleibt ganz dir überlassen.
Aufgabe der Forschung ist vor allem, die Fakten zu erforschen und zu sichten. Kaffeesatzlesen ist keine Forschung.
Es zwingt dich niemand, dich mit den Aussagen dieser Sprachwissenschaftler, Indogermanisten, Archäologen und Genetikern zu beschäftigen. Du scheinst eine sonderbare Vorstellung von der diesbezüglichen Literatur zu haben. Die ist im übrigen im anglo-amerikanischen Raum noch um ein vielfaches reichhaltiger als im deutschsprachigen Raum, was vielleicht auch daran liegt, dass der Begriff "Indogermanen" durch die Nazis hier lange diskriminiert war.
kann dir aber sagen, dass die Fachleute zu 99,9% anderes und besseres zu tun haben, als sich mit Seifenblasen über die Urheimat zu befassen.
Hunderte Publikationen besonders aus dem anglos-amerikanischen Raum sprechen da eine ganz andere Sprache.
Wenn wir die Wahrscheinlichkeit von Hypothesen diskutieren, sollten wir uns auf nachprüfbare Argumente konzentrieren. Und wenn für dich nur der "Gusto" zählt und es dir zu anstrengend ist, die Fakten abzuklopfen, lassen wir es lieber bleiben.
Das Problem dabei ist, dass du die Argumente der Wissenschaftler, die sich mit der Ausbreitung der IE Sprachen beschäftigen, als "nicht nachprüfbar" ablehnst. Das sei dir unbenommen, während ich viele dieser Argumente als durchaus stichhaltig betrachte.
Nicht "verkürzt", sondern grundfalsch! Ich weiß nicht, ob du Häusler richtig verstanden hast. Er zeigt ja gerade, dass die der Gimbutas-Hypothese zu Grunde liegende Vorstellung von der Unterwerfung sesshafter Bauernvölker unter ein kriegerisches Herrenvolk deckungsgleich mit denen der Nazi-Zeit ist. (Wobei uns allen klar ist, dass diese Vorstellungen nicht erst in der Nazi-Zeit aufkamen.)
Hier ging es allein um die hypothetische Urheimat. Während
Marija Gimbutas mit ihrer Kurgan-Hypothese Südrussland als Ausgangsraum annimmt, votiert
Alexander Häusler für Mitteleuropa. Der renommierten und vielfach ausgezeichneten US-Archäologin Gimbutas zu unterstellen, sie würde von einer "Herrenrasse" sprechen, ist mehr als abenteuerlich.
Na klar doch, es wurde publiziert. Hast du eigentlich Häuslers Aufsatz "Nomaden, Indogermanen, Invasion. Zur Entstehung eines Mythos" (Halle 2002) nie gelesen?
Diesen Link zu
Alexander Häuslers Publikation habe ich bereits am
21.5. 2011 (!) im Indogermanen-Thread eingestellt (
http://www.geschichtsforum.de/582315-post263.html:
Alexander Häusler, Nomaden, Indogermanen, Invasion. Zur Entstehung eines Mythos. http://www.uni-leipzig.de/~diffint/index.php/diffint/article/viewArticle/36
Na super, dann siehst du wohl dasselbe Logikproblem, von dem ich schon die ganze Zeit schreibe. (Nur dass ich es auch in umgekehrter Richtung sehe - warum sollten ein paar westwärts streifende Steppenhirten ihre Sprache flächendeckend bis ganz Mitteleuropa durchgesetzt haben?)
Warum diese "Steppenhirten" das taten, ist Gegenstand vieler Hypothesen. Ebenso, warum sie es denn NICHT taten. Mit
beiden Hypothesen, die sich gegenseitig ausschließen, wird die Verbreitung der IE Sprachen bis Indien und Sinkiang erklärt.
Eins muss ich aber schon sagen: Für jemand, der in überheblichster Weise seinen angeblichen Kenntisvorsprung gegenüber anderen Diskussionsteilnehmern heraushängt, ist das keine sonderlich substanzreiche Antwort auf die Frage, welche objektiven Kriterien gegen eine mitteleuropäische Heimat sprechen.
Ich habe kurz und knapp erläutert, warum ich Häuslers Hypothese nicht folge. Es gibt keine ausreichende Erklärung für die Tatsache, dass sich die IE Sprachen von Mitteleuropa bis Indien verbreitet haben. Lediglich die Annahme von Kulturkontakten und sprachlichen Angleichungen reicht mir nicht aus. Im o.a. Link kannst du Häusler nachlesen - viel Spaß dabei!
Eine Frage hätte ich noch: In welcher Publikation spricht Häusler von einem Druckzentrum in Zentraleuropa? Mir ist geläufig, dass er von einem weitläufigen Kontinuum spricht. Das impliziert noch lange nicht ein "Druckzentrum in Zentraleuropa".
Der Begriff "Druckzentrum" stammt von mir, da er nach meiner Meinung am besten erklärt, was Häusler aussagen will: Die IE Sprache hat sich in Mitteleuropa entwickelt und zwar ungestört ohne Migration von außerhaln vom Mesolithikum bis in die historische Zeit. Und da andere Völker im Osten die Sprache durch eine Kulturtrift übernahmen und sie so "wanderte", kann man von einem "Druckzentrum" Mitteleuropa sprechen. Nach Häusler hat es also keine "Wanderungen" IE Sprachträger gegeben, sondern die Sprache wurde lediglich "weitergereicht" und es fand eine linguistische Angleichung statt.
Manche Beiträge sind nicht nur aus fachhistorischem Interesse lesenswert, stimmts?
Der Sammelband "Die Urheimat der Indogermanen" ist u.a. deshalb interessant, weil er wiederkehrende "Moden" und Argumente von 1892 bis 1963 zeigt. Vor allem auch beweist der Band, dass sich die Argumentation seit über 100 Jahren im Kreise dreht. Eine neue Sichtweise brachte lediglich die in den 1980er Jahren entwickelte
Anatolien-Hypothese von
Colin Renfrew, die die Expansion der IE Sprachen mit der Ausbreitung des Ackerbaus im 7./6. Jahrtausend v. Chr. von Kleinasien nach Europa verband.
http://de.wikipedia.org/wiki/Anatolien-Hypothese