Institutionalisierung des Prinzipats

Hätten die Verschwörer hier bei den Präfekten besser vorgearbeitet und wäre es zu dieser Diskussion gekommen, dann wäre ein stärker durch den Senat mitbestimmtes Principat vorstellbar gewesen.
Allerdings handelten die Verschwörer nicht aus einem solchen Wunsch heraus.

Ein Teil hätte zumindest argumentieren können, dass sie dem Kaiser unterstanden (kaiserliche gegen senatorische Provinzen). Bei den germanischen Provinzen zum Beispiel sicherlich unrealistisch, bei Ägypten wäre das schon eine ganz andere Position gewesen. Kein Kaiser, kein Gehorsam für den Senat.
Die "kaiserlichen" Provinzen waren aber kein Sondergut des Kaisers, sondern Provinzen, in denen nominell er der Statthalter war (der sich vor Ort von Legaten vertreten ließ), und zwar auf Grundlage des ihm formal vom Senat verliehenen imperium proconsulare. Wäre der Prinzipat abgeschafft und niemandem mehr das imperium proconsulare verliehen worden, wären die kaiserlichen Provinzen rechtlich gesehen einfach wieder an den Senat zurückgefallen, sie wären also auch sog. "senatorische" (eig. eher "öffentliche") Provinzen worden. Irgendeine Form von "Rechtsanspruch", nur einem Kaiser unterstehen zu dürfen, hätten die Bewohner der vormals kaiserlichen Provinzen nicht geltend machen können.
Die Provinz Ägypten war zwar ein Fall für sich, allerdings wird heute die Separierung überwiegend nicht mehr so gravierend gesehen wie früher, als Ägypten mitunter gar als eine Art nur in Personalunion (des Kaisers) mit dem Reich verbundener Staat betrachtet wurde. Da in Ägypten zwei bis drei Legionen stationiert waren, hätten die Ägypter realpolitisch wohl gar nichts machen können, sofern die Legionen loyal zur neuen Republik gestanden wären. Außerdem, welche Alternative hätten sie schon gehabt? Einen Nachfahren der Ptolemäer holen und zum Pharao machen?

Kein Kaiser, kein Gehorsam für den Senat. Wir haben ja später im 3. Jahrhundert mit den Sonderreichen ein Beispiel für Separierung.
Diese "Separierungen" gingen aber von oben aus, nicht von den Provinzbewohnern. Dahinter standen meist Leute, die im Rahmen der römischen Verwaltung, Politik und Armee Karriere gemacht hatten und sich zu Kaisern ausriefen, aber weder ihre Konkurrenten beseitigen noch von diesen beseitigt werden konnten.
Als nationale Revolte kann man wohl nur das gallische Reich von Classicus und Sabinus 70 n. Chr. interpretieren.

Ein frühes Beispiel einer Separierung wäre bereits die Herrschaft des Setorius in Spanien....
Sertorius wollte sich wohl kaum vom Reich abspalten. Er war als Vertreter der Popularen in Spanien nach dem Sieg Sullas im Bürgerkrieg in Italien einfach übriggeblieben. Nach Rom zurück konnte er nicht, also blieb ihm nichts anderes übrig als zu versuchen, sich in Spanien zu halten. Andere derartige Rückzugsgebiete von Popularen waren Sizilien und Nordafrika, bloß dass die dort aktiven popularen Politiker sich wesentlich weniger lang halten konnten, sondern Pompeius rasch aufräumte.

Von Separatismus würde ich aber nicht reden. Separatismus war eine höchst unrömische Vorstellung. In der Regel marschierte ein römischer Usurpator gen Rom. Das war im römischen System und der römischen Mentalität für das Überleben des Usurpators unabdingbar.
Das sehe ich genauso. Auch Usurpatoren, die sich nur regional behaupten konnten, beanspruchten formal die Herrschaft über das gesamte Reich und strebten nicht nach einem eigenen Staat. Das erkennt man schon daran, dass auch Kaiser, die nie die Kontrolle über Rom erlangten und nie formal vom Senat anerkannt wurden, mitunter trotzdem nach eigenem Gutdünken das Konsulat bekleideten.
Wenn es zeitweilig zu "Sonderreichen" kam, dann weil ihre Machthaber sich nicht gegen ihre Konkurrenten anderwärts durchsetzen konnten bzw. gar keine Chance dazu sahen und es daher gleich bleiben ließen.
Das sog. "Gallische Sonderreich" konnte nur bestehen, weil einerseits Postumus sich auf die Sicherung des Erreichten (auch gegen Germaneneinfälle) beschränkte und andererseits Gallienus nicht in der Lage war, ihn niederzuwerfen.
Beim Britannien von Carausius und Allectus war es wohl schlicht unrealistisch, von Britannien aus Maximianus und Diocletian, die beide fest im Sattel saßen, niederzuwerfen. Carausius versuchte aber anscheinend, von ihnen als Mitkaiser anerkannt zu werden, strebte also eine Position als gleichberechtigter Teilherrscher im Rahmen des Gesamtreiches an.
Palmyra war zwar ein Sonderfall, aber Odaenathus hatte noch im Auftrag von Gallienus gehandelt. Sogar Zenobia sah sich offenbar als eine Art Teilherrscherin im Rahmen des Römischen Reiches und nicht als Herrscherin eines unabhängigen Palmyrenischen Reiches, anerkannte jedenfalls lange die zumindest formale Oberhoheit des Kaisers auch über ihren Machtbereich. Als es zum Bruch mit Aurelian kam, machte sie ihren Sohn Vaballathus zum Kaiser und nahm selbst den Titel Augusta an, statt etwa formal die Unabhängigkeit zu proklamieren. Man kann nur spekulieren, was sie eigentlich gemacht hätte, wenn sie Aurelian besiegt hätte.
 
Allerdings handelten die Verschwörer nicht aus einem solchen Wunsch heraus.

Das wollte ich mit meiner spekulativen Schlußfolgerung auch nicht gesagt haben. Es liegt nur nahe, daß der Senat Claudius Zugeständnisse hätte abringen können, wenn er sich auf dieses Gespräch, oder Verhandlungen, eingelassen hätte oder hätte müssen. Jede weitere Option war durch das Verhalten der Prätorianerpräfekten bereits illusorisch geworden.

Die Mehrheit war zwar royalistisch, aber auch dieser "Fraktion" war an jedem Zuwachs an Macht und Privilegien gelegen. Wozu sonst der Wunsch nach einem Gespräch mit Claudius im Senat?

Wer glaubst du denn waren die eigentlichen Drahtzieher der Verschwörung? Und was war ihre Motivation? Für mich sind die Antworten auf beide Fragen nicht vollständig klar.
 
Wer glaubst du denn waren die eigentlichen Drahtzieher der Verschwörung? Und was war ihre Motivation? Für mich sind die Antworten auf beide Fragen nicht vollständig klar.
Wie will man das bei Verschwörungen schon so genau wissen? Alle Hintergründe und Motive werden kaum bekannt.

Beim Haupttäter Chaerea stimmen Flavius Iosephus, Sueton und Cassius Dio überein, dass er aus persönlichen Motiven, weil er von Caligula wiederholt gedemütigt worden war, handelte. Flavius Iosephus fügt aber noch hinzu, dass er für seine eigene Sicherheit besorgt gewesen sei und später auch noch Tyrannenhass dazugekommen sei.
Wenn man Sueton folgt, wussten diverse Freigelassene und die Prätorianerpräfekten vom geplanten Anschlag und verhinderten ihn zumindest nicht, weil sie fürchteten, selbst auf Caligulas Abschussliste zu stehen.
Cassius Dio bleibt bei den Mitwissern recht vage.
Flavius Iosephus schreibt zwar viel, wird aber wenig konkret. Den Prätorianerpräfekten Clemens stellt er als eher zögerlich dar. Der Freigelassene Callistus habe sich aus Furcht um die eigene Sicherheit an der Verschwörung beteiligt, außerdem habe er Claudius zum Kaiser machen wollen.

Ich ganz persönlich glaube nicht, dass es die "Motivation" schlechthin gab, und ich glaube auch nicht an Drahtzieher mit einem festen Plan, denn nach vollbrachter Tat wurde kein wirklich zielstrebiges Handeln erkennbar. Die meisten Verschwörer, Chaerea ausgenommen, verhielten sich dann eigentlich recht zurückhaltend. Ich vermute, es wird wohl wirklich so gewesen sein, dass es diverse Leute gab, die den Tod Caligulas aus welchen Gründen immer wünschten und auch mehr oder weniger wussten, dass etwas im Busch war, die Verschwörung aber nicht allzu aktiv unterstützen wollten, um notfalls noch einen Rückzieher machen zu können oder auch um für die Zukunft vorzubauen. (Sie konnten schließlich nicht wissen, was nach einem erfolgreichen Anschlag geschehen würde. Caesars Ermordung war auch erfolgreich gewesen, aber seinen Mördern bekam sie schlecht.)

Die Mehrheit war zwar royalistisch, aber auch dieser "Fraktion" war an jedem Zuwachs an Macht und Privilegien gelegen. Wozu sonst der Wunsch nach einem Gespräch mit Claudius im Senat?
Wenn man der Darstellung Suetons und von Flavius Iosephus folgt, war es eher das Volk, das auf eine Fortführung des Prinzipats drängte.
 
Galba nannte sich als Kaiser Servius Galba Imperator Caesar Augustus, Otho Imperator Marcus Otho Caesar Augustus. Lediglich Vitellius verzichtete auf den Caesar.

Stimmt, bei Sueton, Galba 11, steht "er legte den Titel eines Statthalters ab und nahm den eines Caesar an", die Münzen der drei belegen auch die anderen Titel. Interessant ist, dass Sueton* schon nicht mehr vom "Namen" sondern vom "Titel" eines Caesar schreibt; diesen konnte man sich (s. Galba) aneignen. Bei Nero 8 steht, dass dieser anlässlich seiner Ernennung mit "all den ungeheuren Ehren … überhäuft" wurde (und nur "Pater Patriae" nicht annahm), seine ersten Münzen nennen dann schon alle üblichen Kaisertitel.

*das liegt sicher auch an seiner späteren Perspektive.
 
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