Sagen wir mal so, es sind vielfach die ehrlichen Meinungen zur Wiedervereinigung zu Tage getreten.
Gehørte es zu Zeiten der "Unmøglichkeit" zum guten Ton, fuer die Wiedervereinigung zu sein, gab es auf einmal auch andere Stimmen:
"Wie, dafuer Geld bezahlen?" Der eigene Geldbeutel war vielen wichtiger als der vorher vorgegebene Patriotismus.
2. Es gab, nachdem man mehr Kontakt zu Ostdeutschen hatte, das erkennen, dass es sich -aufgrund der vielen Jahre des getrennten aufwachsens in 2 verschiedenen Systemen- eigentlich um ein ganz anderes Volk handelte. Ausser der Sprache nicht viel gemein.
3. Die Wetterkarte in den Nachrichten war anders. =)
Ansonsten glaube ich aber, business as usual, das Leben ging ueberwiegend weiter wie gewohnt.
Gruss, muheijo
Und das sehe ich ganz anders. Trotz bedeutender sozialer, kultureller und mentalitätsgeschichtlicher Unterschiede sind doch unterm Strich die Gemeinsamkeiten größer, als die Unterschiede. Ich habe es schon an anderer Stelle geschrieben, dass man hier im Forum bei den 40-50 Jährigen, die die Zeit des Kalten Krieges noch selbst erlebt haben deutlich merkt, ob man in der alten Bonner Republik oder in der DDR aufgewachsen ist und sozialisiert wurde. Das gilt übrigens ganz unabhängig von der politischen Couleur. Bei balticbirdie, Timo, Anish, Flo, Repo, Jacobum, Silesia oder auch meiner Wenigkeit merkt man recht schnell, ob einer Wessi oder Ossi ist, während sich bei jüngeren Forianern wie Brissotin, Gaius Marius oder Themistokles meiner Meinung nach kaum noch ein West/Ost-Gegensatz feststellen lässt.
Die Berliner Republik hat sich im Vergleich zur alten Bonner BRD auch sehr stark gewandelt. Wirtschaftlich haben sich neue Standorte und Zentren gebildet. Manche "Zonenrandgebiete" haben sich zu neuen Zentren entwickelt. Politisch hat sich die BRD endgültig emanzipiert. Amerikaner, Briten, Franzosen und Russen sind abgezogen. Die "Nachkriegszeit" ist vorbei, und wir leben jetzt wieder in der "Vorkriegszeit", wobei Deutschland selbst Kontingente in aller Herren Länder entsendet und Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt wird. Das wäre noch vor 20 Jahren für viele Briten und Franzosen eine Horrorvorstellung gewesen.
Die Parteienlandschaft hat sich deutlich verändert und zu einem 5 Parteiensystem entwickelt, in dem sich die Linke allmählich etabliert, auch wenn das Manchem ein Dorn im Auge ist. Die sogenannten "Volksparteien" verlieren an Einfluss, und selbst die CSU hat ihre absolute Mehrheit eingebüßt.
Den meisten Deutschen die sich noch etwas selbstständiges Denken bewahrt haben, wird bald klargeworden sein, dass es Jahre dauern würde, bis "blühende Landschaften" entstehen und das erhebliche finanzielle Opfer zu bringen sind. Trotz Meckerei haben aber die meisten Deutschen diese Opfer gebracht, und Äußerungen, die sich die Mauer zurückwünschen, sollte man nicht überbewerten.
Es ist aber auch deutlich geworden, dass die Wiedervereinigung die Wirtschaftskraft Deutschlands überforderte, und ein Resultat davon ist, dass der alte Sozialstaat der Vergangenheit angehört und eine ganze Reihe von Sozialleistungen gekürzt oder abgeschafft wurden. Sozialhilfe gibt es nicht mehr, und sarkastisch ausgedrückt könnte man konstatieren, dass die Zwangsarbeit in Form von 1- Eurojobs wieder eingeführt wurde.
Buisiness as usual mag wohl eher eine Wunschvorstellung sein. Die Bewohner der alten Bonner Republik hatten sich im Kalten Krieg eigentlich recht gut mit der deutschen Teilung arrangiert. Das wiedervereinigte Deutschland konnte aber nicht mehr von Bonn aus regiert werden, und es hat sich gezeigt, dass die Wiedervereinigung auch die alte BRD bis zur Unkenntlichkeit verändert hat.