Ist die Verwendung des Begriffs "Russen" ein abwertendes Klischee?

Dazu habe ich noch eine blöde Frage.
Gilt das auch für Amerikaner, dessen Vorfahren ja auch irgendwo hergekommen sind?

Irgendwann soll es ja in den USA mehr Deutschstämmige geben, als in Deutschland selber, momentan sind wir ja dort bei 60 Millionen, danach kommen die Iren mit 30-45 Mio, danach die Schottischstämmigen mit 20-25, dann die Engländer mit 25 Mille, Italiener 25 Mille ...

Alles in allem, würde ich mal sagen, sehen sich die Leute dort vor allem als US-Amerikaner, vielleicht ab und zu so etwas Ähnliches wie ein "Saupreissn"-Vergleich, aber nicht was sich nicht mit nem Kaffee regeln lässt, wie bereits erwähnt.
Wobei ich aber schon glaube, dass sich die einen mehr als Amerikaner sehen als die anderen, da wäre eine Studie ganz toll.

bezüglich Russen

Mir hat mal ein Tschetschene, der in Grosny russisches Recht studiert hat, und abgerissen ist, weil die Kadyrovs was gegen seine politische Einstellung haben, russische Redewendungen erklärt.
Als erstes bezeichnete er sich nicht als Tschetschene, sondern als Bürger der Föderation.
Er hatte kein Problem damit (tschetschenischer Dissident), dass ich ihn am Anfang für einen Russen hielt.
Er kritisierte zwar die russischen Menschenrechtsverletzungen und die Politik, man sah ihm aber deutlich an, dass er nicht gegen die Russen an sich was hatte, und er hielt mich für einen Deutschen, er hätte durchaus Schlimmeres anprangern können.
Als wir dann über den Imam Schamil und den Vergleich des Wortes Affe (tschetschenisch:Mamluk, jugosl.:Majmun), verstanden wir uns ganz prächtig, dann erklärte er mir noch die gemeinsten Beleidigungen und gut wars.

Es kommt aber darauf an, in welchem Kontext diese Worte gebraucht wird.
Den Völkern selber ist das egal, aber nicht immer.

Ich nehme jetzt mal das Wort "Jugo".

Ich persönlich habe kein Problem damit, wenn einer zu mir Jugo sagt.
Aber sehr wohl wenn einer Kravod sagt, denn in Österreich ist das Wort "Krawod" für Kroate allgemein auch ein Begriff für die anderen Jugoslawen, und der ist nur negativ besetzt.
Er wird meistens verwendet, wenn über Exjugoslawen gelästert wird.
Wenn einer mich ohne Scham direkt als Jugo bezeichnet, merkst du ja sofort ob er das böse meint oder nicht.
Wie gesagt, wenn einer weiß dass ich einer bin und das benutzt, kein Problem.
Da ich aber meistens für nen Ösi gehalten werde, komme ich manchmal in den vollen Genuss der Fremdenfeindlichkeit.
Und da ist dann die Linie erreicht, wo ich es nicht mehr tolerieren kann, und obwohl ich nichts dagegen habe, dass mich einer so bezeichnet, entwickle ich dann negative Gefühle.
Denn diese Sätze sind meistens tatsächlich mit der
Herrenmenschenideologie verbunden, in Bezug auf minderwertige Arbeiten und was weiß ich alles.
Was mich einmal ganz besonders traf war der Satz "Hol dir doch den einen Jugo den du hast, soll er doch das Scheißhaus ausräumen!", oder Sätze wie "dafür habe ich doch meine kleinen Jugolchen!".

Aber alle 200 Millionen Sowjetbürger als Russen zu bezeichnen ist eigentlich in dem Sinne komplett falsch, gerade wenn ich an die 50 Millionen Ukrainer denke, weil diese werden sich schon nicht als Kleinrussen bezeichnet haben.
Sowjet heißt "Rat", aber es ist auch schwer ein allgemeine Bezeichnung für die zu finden, und da ist das für den Außenstehenden sicher am Komfortabelsten.
 
In der DDR propagierte man offiziell "Sowjetbürger"...

Mir kommt gerade noch ein Artikel über Klaus Mehnert unter die Augen, der mit Büchern wie "Der Sowjetmensch" beträchtlichen Erfolg hatte --> Zeitgeschichte online - Fachportal für die Zeitgeschichte

Der letzte Satz darin ist mir recht sympathisch: "Er [Mehnert] kratzte am 'Sowjetmenschen' und fand unter der bolschewistischen Oberfläche den vorrevolutionären Russen, den er in seiner Kindheit gekannt und geliebt hatte."

Er [Stalin] wollte aber nicht Georgier genannt werden, da er Ossete war.
Stalin selbst behauptete, in Gori geboren zu sein, seine Familie stammte aus dem weiter in Richtung Tiflis gelegenen georgischen Dörfchen Didi-Lilo (Robert Payne, Stalin [1981], S. 20). Wahrscheinlich macht es aber auch hier keinen Sinn, irgendwelche landmannschaftlichen Differenzierungen vorzunehmen: Gori "war der Reihe nach von Osseten, Imerern und Persern erobert worden, Armenier und Juden hatten sich dort angesiedelt" (ebd.) - der typische Mix halt, wie bei Dir und mir...:)
 
Wenn es um den Begriff "Russen" geht, muss man schon zu seinem Ursprung vordringen. Kommt von "Rus" und bezeichnet einen Anführer in der Zeit als die Wikinger aud den Flußläufen ins Innere des späteren russischen Reiches vordrangen. Damals hat sich keiner die Frage gestellt ob das abwertend ist oder nicht. Wie das heute aufgefasst wird, ist allein unserem Beitrag und Verstehen zu verdanken.
 
http://www.zvab.com/displayBookDetails.do?itemId=17274215&b=1
Dieses Buch habe ich vor Jahren mal in der Hand gehabt. In Zusammenhang mit der Schlacht bei Zorndorf (Friedrich II.) wird sich sehr abfällig über die russischen Muschkoten geäußert. "Vertierte slawische Knechtseelen", "die wenigen Atome des Hirns im Branntweinnebel", "asiatische Mordlust" u.ä. sinngemäß. Das hätte ich 1848 (sic!) niemals in einem deutschen Buch gedruckt erwartet, passt eher knapp 100 Jahre später. Der Boden für solche Ideologien ist offenbar viel früher bereitet worden als wir alle heute annehmen.
Die anderen Kapitel, so zum Beispiel über den "wackeren blondgelockten Hermann", sind von ähnlicher "Qualität" und strotzen nur so vor schwulstigem Pathos.
 
http://www.zvab.com/displayBookDetails.do?itemId=17274215&b=1
Dieses Buch habe ich vor Jahren mal in der Hand gehabt. In Zusammenhang mit der Schlacht bei Zorndorf (Friedrich II.) wird sich sehr abfällig über die russischen Muschkoten geäußert. "Vertierte slawische Knechtseelen", "die wenigen Atome des Hirns im Branntweinnebel", "asiatische Mordlust" u.ä. sinngemäß. Das hätte ich 1848 (sic!) niemals in einem deutschen Buch gedruckt erwartet, passt eher knapp 100 Jahre später. Der Boden für solche Ideologien ist offenbar viel früher bereitet worden als wir alle heute annehmen.
Die anderen Kapitel, so zum Beispiel über den "wackeren blondgelockten Hermann", sind von ähnlicher "Qualität" und strotzen nur so vor schwulstigem Pathos.

Sämtliche Bewohner südlich von Moskau bis zum Schwarzen Meer und Kaspischen Meer waren tatarischer Herkunft (Kosaken zwischen Wolga und Don). Und der Mongolensturm nach Europa wie auch die der Hunnen und später der Osmanen ist ausreichend über die Jahrhunderte dokumentiert worden und im Gedächtnis.
 
Meine unmaßgebliche Meinung dazu: Man kann sich auch selbst mit der krampfhaften Suche nach "political correctness" verrückt machen....:fs:
 
Meine unmaßgebliche Meinung dazu: Man kann sich auch selbst mit der krampfhaften Suche nach "political correctness" verrückt machen....:fs:

So unmaßgeblich deine Meinung nicht ist, so sollte man sich meiner Meinung nach schon mit der Frage beschäftigen, warum manche Menschen auf dieser Erde weniger wert sein sollen, als andere.
Und erfahrungsgemäß sind die Wurzel allen Übels Vorurteile. Insbesondere von jenen, die es nicht schaffen über Tellerränder hinauszuschauen.

Darum hat das weniger mit vorgeschriebener political correctness zu tun, als vielmehr mit einer elementaren Frage menschlichen Zusammensseins: Wie stehe ich zu anderen Menschen und wie begegne ich diesen?
 
Ist die Verwendung des Begriffs ein abwertender? Kommt auf die Stammtischgruppe drauf an, wo dieser Begriff gebraucht wird. Da kann nämlich alles mögliche als Abwertung gebraucht werden, auch z.B. der Begriff "Frau", "links", "rechts", "Albaner", "Türke", "Pole", "Ami", usw. Fragen wir die betroffenen mal selber, kann ich von meinen Erfahrungen berichten:

Ich hatte mal ne russische Freundin, die mir Einblicke in ihre weit verzweigte russische Community gewährte. Sie kam aus Kiew/Ukraine, und fühlte sich als Russin. Sie fühlte sich zudem auch als Jüdin. Sie hatte auch einen israelischen Pass, und fühlte sich manchmal gar als Israelin. Inzwischen wird sie wohl bald einen deutschen Pass tragen, und sich auch als Deutsche fühlen. Aber insgesamt ist sie eigentlich total apolitisch, und sie fühlt sich vor allem als Frau.
Ich habe in ihrem Freundeskreis nicht einen getroffen, der negative Konnotationen dabei empfand, wenn er sagte, er oder sie sei Russe/in. Ihre Freundin auch aus der Ukraine empfand sich aber vor dem Russischsein als Ukrainerin. Ein amerikanischer (linker) Freund hingegen schämte oder fühlte sich beizeiten ein wenig unwohl, wenn er erzählte, er sei Ami. Ein anderer hingegen war so stolz, wie die hamburger Russen/Ukrainer. Vielleicht sehen sich die jüngere Generation Ukrainer ( unter 20 Jahren) mehr in der Abgrenzung zu den Russen. Einige Deutsche, die ich im Ausland traf, und wo wir zuerst englisch quatschen, hatten auch ein offensichtliches Unwohlsein, als sie erzählten, sie kamen aus Deutschland. Mein Opa sprach in negativer Konnotation bis zu seinem Tode von "dem Russen", "dem Juden oder Weltjudentum", "dem Chinesen oder gelben Flut".
Kurz: Benutzt du "Russe" in einem bestimmten Milieu, kann es ebenso abwertend benutzt werden, wie Albaner, Türke, Pole, Kanake, Polake, Schwuchtel, Japse, usw. Benutzt du "Russe" in einem anderem Umfeld, ist es ein ganz normaler Begriff, wie "Frau", "Schwuler", "Politiker", "Türke", "Manager"... :winke:

PS: ein typischer Smalltalk-Thread... :D ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Darum hat das weniger mit vorgeschriebener political correctness zu tun, als vielmehr mit einer elementaren Frage menschlichen Zusammensseins: Wie stehe ich zu anderen Menschen und wie begegne ich diesen?

Weisere Menschen, als ich einer bin, haben es einmal so formuliert ...

Wir halten die(se) Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Benutzt du "Russe" in einem bestimmten Milieu, kann es ebenso abwertend benutzt werden

Dazu 2 aktuelle Beispiele:

Letzte Woche in einer Talkshow auf dem NDR:

Olli Dittrich erzählt aus seiner Kindheit. Gundula Gause, welche danebensitzt und ein Buch über Erziehung geschrieben hat schaut etwas ungläubig. Dittrich meint ob des Blickes trocken: Das war noch in der alten Zeit. Der Moderator darauf: Da standen noch die Russen vor Berlin... .


Heute in der Firma (sinngemäß):
Anruf an mich: Sie wollen wirklich in Rußland das Projekt realisieren?
Ich: ja
Anrufer: Sie wissen, daß ich Vorbehalte gegenüber den Menschen dort haben, aber Ihnen zuliebe werde ich mitmachen. Schließlich sind die Menschen überall gleich. Es gibt überall Gute und Böse.
Ich: Hm.
 
ersterer Satz kann je nach Mimik, etc. ganz neutral sein, oder gemeint sein. Physisch waren sowjetische Kasernen um und in Berlin. Will man es hingegen mit spezieller Konnotation verstehen, kann man in die eine oder andere Richtung es sehen, je nachdem, welche Bildung, Sozialisation, Erziehung, etc. man hat. Entweder, es ist einem gleich, oderes fällt einem nicht auf, oder man denkt sich, das ist aber ein bischen pejorativ (abwertend) vom Moderator dahergesagt, oder man hat gar eine positive Assoziation, in Erinnerung mit menschlichen Begegnungen damals. Manchmal erkennt man auch, was der Rezipient für eine Auffassung hat, denn derjenige, der eine Aussage tätigte... :)
 
Sowohl als auf den 2. Weltkrieg, als auch den Zeitraum der späteren DDR bezogen, waren es Soldaten der UDSSR, Roten Armee, Sowjetarmee, oder wie man es auch immer nennen mag.

Was das aber mit Dittrichs Jugend in Offenbach zu tun hat, erschließt sich mir einfach nicht.
Und genau solch losgeplapperten Statements zeigen oft das wahre Denken. Kann man nur unterstreichen.
 
Also ich bin eine waschechte "Russin" und mit einem "Jugo" verheiratet. Wir sind beide stolz auf unsere Nationalität und weder ihm noch mir bereitet es Probleme damit betitelt zu werden. Klar kann es einem manchmal böse hoch kommen wenn man "Scheiß Russen" oder "Scheiß Jugos" hört, aber im Normalfall ist das garkein Problem und im Freundeskreis eher ein Lächeln wert.
=)
 
Also ich bin eine waschechte "Russin" und mit einem "Jugo" verheiratet. Wir sind beide stolz auf unsere Nationalität und weder ihm noch mir bereitet es Probleme damit betitelt zu werden. Klar kann es einem manchmal böse hoch kommen wenn man "Scheiß Russen" oder "Scheiß Jugos" hört, aber im Normalfall ist das garkein Problem und im Freundeskreis eher ein Lächeln wert.
=)

[OT] Dafür gibt's nen Kuss :friends:[/OT]
 
Liljana:und im Freundeskreis eher ein Lächeln wert.
Absolut richtig, mit sehr persönlichen Freunden geht es mir genauso, wir nennen uns untereinander manchmal sogar "blöde Tschutschen", wenn du das vor einem Österreicher machst, wird er rot, weil er sichs denkt, aber nie sagen würde.
Aber häufig kannst du das nicht benutzen, wie gesagt, nur engster Freundeskreis, weil sonst bist du unkultiviert, blabla, aber ich finde es sehr amüsant, ein Gaudium.:winke:
 
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