Sepiola
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im oberen Neckarraum (Reutlingen bis Sulz) hatte der Hochadel zur Finanzierung seiner kostspieligen Repräsentationspflichten jüdische Bevölkerungsteile angesiedelt, die jüdischen Friedhöfe (z.B. in Nordstädten, wo Berthold Auerbach begraben ist) dieser Region sind sehenswert. Das betraf sowohl "reformierten" als auch "katholischen" Adel.
"Hochadel" trifft nicht zu, es war gerade der Niederadel, vor allem Freiherren, Reichsritter & Co., der die Ansiedlung jüdischer Familien in Dörfern und Kleinstädten aus wirtschaftlichen Gründen betrieb. In Baisingen waren es beispielsweise die Ritter Schenk von Stauffenberg. Im reichsritterschaftlichen Dorf Mühlen brachte noch anno 1800 Freiherr von Münch einige jüdische Familien im alten Schloss unter:
https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/m-o/1344-muehlen-neckar-baden-wuerttemberg
Daneben finden wir auch geistliche Herrschaften: Rexingen (wo um 1800 fast ein Drittel der Einwohnerschaft der jüdischen Gemeinde angehörte) unterstand dem Johanniterorden, Dettensee ab 1715 dem Kloster Muri, das in den folgenden Jahren die Vergrößerung der jüdischen Gemeinde aktiv förderte:
https://www.ehemalige-synagoge-rexingen.de/ehemalige-synagoge/geschichte-der-gemeinde
http://www.dettensee.net/geschichte/juden/gemeinde.html
https://www.alemannia-judaica.de/images/Images 448/dettensee_juden Zander.pdf
War bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein stetiges Wachstum der jüdischen Gemeinden in den Dörfern zu verzeichnen, kehrte sich der Trend um, als die Juden sukzessive die vollen staatsbürgerlichen Rechte erhielten. Die jüdische Landbevölkerung zog größtenteils in die Städte. 1829 gehörte noch die Hälfte der Einwohner Dettensees zur jüdischen Gemeinde (173 Mitglieder); 1904 waren es gerade mal acht (überwiegend betagte) Personen, 1929 noch zwei. Die Synagoge wurde noch bis 1900 für Gottesdienste genutzt und 1930 abgerissen.
Die beiden größten jüdischen Gemeinden auf württembergischen Boden waren im frühen 19. Jahrhundert Buchau und Laupheim in Oberschwaben. Die jüdische Gemeinde in der Freien Reichsstadt Buchau bestand schon seit dem 16. Jahrhundert. Die Laupheimer Gemeinde verdankt ihre Existenz wie in den meisten Fällen dem Niederadel:
"Freiherr Carl Damian von Welden hatte um 1730 Juden in den Ort geholt, weil er – wie andere Herren kleinerer Territorien auch – in ihrer Aufnahme eine Möglichkeit sah, durch die von ihnen zu entrichtenden Schutzgelder und Sondersteuern seine Finanzen aufzubessern. "
https://www.landeskunde-baden-wuerttemberg.de/laupheim-juedisch