Auch sehe ich nicht, daß es DIE KELTEN gab, die sich dezentral organisierten. Es gab viele keltische Völkerschaften, die sich aber nicht zu einer gemeinsamen wenigstens politischen Vereinigung verdichteten..
Nein, DIE KELTEN gab es bestimmt nicht und es bestand wie auch bei den Germanen kein "nationales" Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Stämme der Kelten fanden nie zu einem gedeihlichen Miteinander, sondern bekriegten sich, raubten und plünderten einander aus und verbündeten sich ohne Gewissensbisse mit anderen Völkern gegen ihre eigenen Stammesgenossen. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum die Kelten ethnisch und sprachlich nahezu völlig von der Landkarte verschwanden.
Zur augusteiischen Zeit zum Beispiel ist die Selbstverwaltung der Gemeinden in den eroberten Gebieten weitreichend und absolut Standard. Ein ausgeprägter Zentralismus setzt sich erst mit dem absolutistischen Wohlfahrtsstaat der Spätantike durch.
Im Vergleich zu den Kelten oder Germanen muss man den römischen Staat von Beginn an als ein zentral gelenktes Staatswesen bezeichnen. Das schließt nicht aus, dass der absolutistische Zwangsstaat der späten Kaiserzeit noch zentralistischere Strukturen aufwies.
Andererseits versuchte man dem zu entgehen, indem man bei Installation der Tetrarchie vier Herrscher einsetzte, die von vier Hauptstädten aus das mehr und mehr unregierbar werdende Römerreich zu regieren versuchten. Allerdings hatte die Tetrarchie keinen Bestand und mit ihr auch keine nachhaltige Dezentralisierung, sieht man einmal vom Zerfall in ein West- und Oströmisches Reich ab.
Aber die römische Kultur war ganz offensichtlich für die Kelten eine attraktive Kultur.
Sie muss für die Kelten äußerst attraktiv gewesen sein, denn sonst ließe sich nicht die rasche und durchaus freiwillige Romanisierung der Gallier erklären, nachdem sie erst einmal die entscheidende Schlacht gegen die Römer verloren hatten. Hierzu zählt auch die schnelle Aufgabe der keltischen Sprache, was sonst unverständlich bleiben würde. Aber auch andere alte Völker konnten sich diesem Romanisierungsdruck nicht entziehen, wie z.B. die Iberer in Spanien, die Illyrer auf dem Balkan, die Etrusker, die Ligurer usw.
Ob das damit bedeutet, dass die römische Kultur 'höher' als die keltische war, würde ich nicht sagen, weil 'höher' ein Werturteil ist, dem man sich eher enthalten sollte.
Wenn man die ganze Breite einer Kultur betrachtet - Baudenkmäler wie Paläste, Tempel, Aquädukte, Städtebau, Straßen, ferner Literatur, Philosophie, Malerei, Kunsthandwerk usw. - so muss man die römische Kultur natürlich höher einschätzen als die keltische. Das ist kein Werturteil, denn eine Reihe handwerklicher Erzeugnisse wie keltische Torques, Kessel oder Waffen können es gewiss mit römischen Erzeugnissen aufnehmen. Aber die ganze Breite, zu der auch Philosophie, Malerei, Literatur, Bauwerke usw. zählen, wird nicht erreicht.