Und ja, ich halte Kriegerinnen - als Ausnahmeerscheinung - für historisch.
D'accord.
Nebenbei bemerkt, die Debatte "leidet" in meinen Augen unter einem modernen Blickwinkel, nämlich einer allzu stringenten Unterteilung der Bevölkerung in "Kombattanten" und "Zivilisten".
War der Bauer, der bis zur Zeit der Ernte auf Heerfahrt ging, um ein wenig gemünztes Silber zu verdienen, ein Krieger?
War es der Thrall, der einen Hof gegen Räuber verteidigen half?
Nicht jeder, der kämpfen konnte, war – in Ermangelung eines eindeutigeren nicht-anachronistischen Begriffs – "Soldat". Umgekehrt machten viele Völker gerade des Frühmittelalters keinen Unterschied zwischen Krieg und Frieden in heutigem Sinne.
So verwundert es nicht, dass von den Nomaden aus dem Raum zwischen Karpathen und Ural nicht wenige Berichte existieren von Frauen, die beritten und mit dem Bogen kämpften (wahrscheinlich die historische Grundlage der sog. "Amazonen"). Das heißt aber nicht, dass diese Frauen Kriegerinnen gewesen seien.
Eher schon trugen sie Waffen, um sich selbst und ihre Tiere zu schützen, bspw. wenn die Männer auf Raubzug waren. Der "Militarisierungsgrad" von Nomadenvölkern ist nicht umsonst stets groß gewesen, schließlich waren sie leicht zu vernichten.
Ich könnte mir denken, dass angesichts der niedrigen Bevölkerungsdichte im skandinavischen Raum dort bis zu einem gewissen Grad ähnliche Zustände herrschten. Gerade während der Heerzeit dürfte es in manchen Landstrichen einen ziemlich Frauenüberschuss gegeben haben, sodass gar keine andere Möglichkeit bestand, als sie für die Verteidigung einzuspannen.
Natürlich lässt es sich nicht von der Hand weisen, dass die Unterlegenheit der weiblichen Physis in puncto Körperkraft sie für Kriegsdienste nicht eben prädestiniert. Historisch betrachtet wurde nur in Notzeiten darauf zurückgegriffen – etwa während Belagerungen.
Freilich fallen die Schildjungfrauen aus der Sage auf, etwa Brynhildr in der Volsunga-Saga, Hervör aus der Hervarar-Saga, die schwedische Prinzessin Thornbjörg und Hed, Visna und Veborg in der Gesta Danorum.
Mit dem in diesem Zusammenhang häufig zitierten Argument, die Sagas könnten hier nicht ernstgenommen werden, schließlich kämen in ihnen auch Drachen und Trolle vor, kann ich wenig anfangen, denn es verkennt die Geisteshaltung ihrer Verfasser.
Drachen und Trolle waren für die Skandinavier der Wikinger-Zeit eine unabweisliche
Realität, und viele Menschen, könnten wir sie befragen, würden uns versichern, solche Wesen gesehen zu haben, und keineswegs lügen.
Zumal eine Frau in Männerkleidern nichts Fantastisches an sich hat. Eher schon würde ich an propagandistische Absichten glauben, nach dem Motto: Seht her, wie tough wir sind, selbst unsere Frauenzimmer versohlen euch noch den Hintern.
Doch fällt mir etwas anderes auf an den Sagas, nämlich Parallelen zu ähnlichen Konstellationen aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit.
Historische Kombattantinnen im Europa der letzten tausend Jahre waren fast ausschließlich Adelige, die unter Umständen handelten, in denen ihnen niemand Vorschriften machen konnte; oder Frauen, die sich in sozialen Ausnahmesituationen befanden (z.B. während Belagerungen, aber auch die verbürgten weiblichen Konquistadors); oder eben solche, die ihren Mann in den Krieg begleiteten.
Gerade Letzteres verdient im Zusammenhang dieses Themenstranges vielleicht Beachtung, denn nach den sozialen Strukturen im, sagen wir, vorchristlichen Dänemark war für die Gemeinschaft, die das Verhalten einer "über die Stränge schlagenden" Frau sanktionieren wollte, nicht sie der Ansprechpartner, sondern ihr Muntherr.
War jener mit ihrem Verhalten einverstanden, sank ihr Rechtfertigungsdruck.
Vor diesem Hintergrund verdient noch die Theorie von Prof. Barbara Emich Erwähnung, die in den germanischen Schildjungfrauen frühe Beispiele von Beutegemeinschaften sieht, wie sie bis in die Neuzeit immer dann auftraten, wenn gesellschaftliche Strukturen kollabierten (oder nicht vorhanden waren) und Heere in den Krieg zogen, deren Angehörige auf eigene Rechnung kämpften.
Schließlich ging es solch einem Dänen in England auch nicht anders als einem Brabanzonen in der Schweiz oder einem Landsknecht in Böhmen; jeder kämpfte für die eigenen wirtschaftlichen Interessen, und wer Pech hatte, hatte selbst im eigenen Heerlager Feinde um sich.
Demnach wäre die "Schildjungfrau" nichts anderes als eine Art weiblicher Knappe, die den Krieger begleitete, sich um seine Wunden und seine Ausrüstung kümmerte, seine Beute bewachte und während der Plünderung Schmiere stand, damit Feind oder Freund ihn nicht überrumpelten.
Solche Frauen konnten sich wahrscheinlich mit der Waffe in der Hand verteidigen, jedenfalls finden sich über ihre Pendants aus späteren Zeitaltern (z.B. die Frauen der Landsknechte oder japanische Ashigaru) durchaus Berichte und Abbildungen über bewaffnete Frauen. Aber der Kampf wäre nicht ihre Aufgabe gewesen.