Tja, da hat mein Beitrag wohl zu lange gedauert, denn ich kann Silesia und Repo nur zustimmen. Trotzdem, auch wegen einiger Details:
Am Anfang eine kleine Korrektur^^
Balduin schrieb:
…Du darfst die Rolle der Industrie nicht überbewerten, vor allem war die Generalität für Bündnisse und derartiges zuständig.
Auch wenn gerade in Deutschland der Große Generalstab durchaus auch Einfluss auf die Politik hatte, bliebt (und bleib) bis zum heutigen Tage Außenpolitik im Wesentlichen eine Aufgabe der Politik und nicht des Militärs. Die Generalität mag vielleicht drängen Bündnisse abzuschließen, so sind doch letztlich Politiker die Macher!
Köbis17 schrieb:
Und darum haue ich mal die folgende These auf den Tisch der Geschichte:
Nicht die Männer, die die Macht ausübten sind verantwortlich für den Krieg, sondern der vermeintliche technologische Vorsprung einer Nation über die andere, lenkt den politischen Gedanken derer Männer die an der Macht sitzen, stärker zu sein als der Gegner, um ihn zu vernichten. Der Technologievorsprung als Grund für einen Krieg, denn nur wer sich stark genug fühlt, würde die Risiken auf sich nehmen, seine Nation in einen Krieg zu stürzen.
Ich kann diesen Denkansatz im Falle des 1.WK im Wesentlichen nicht unterschreiben. Vor allem die Kriegsindustrie hatte keinen wesentlichen Anteil an einer Zuspitzung der Lage zu einem Krieg. Man machte lieber Geschäfte. Das Wettrüsten machte auch ohne Zutun der Militärs immer Öfters Entwicklungsschübe die für einen fühlbaren Modernisierungsdruck für die Streitkräfte der Nationen führen. Diese - aus heutiger Sicht – Binsenweisheiten, waren damals aber keineswegs Allgemeingut: Weder bei der Generalität, noch bei den Politikern!
Zum Wettrüsten im Kontext der militärischen Doktirn (ohne Seerüstung)
Bis Mindestens zu den Krisen Russlands (z.B. der Japanische Krieg 1905) blieben gerade die Militärs in fast allen Ländern weit hinter der zur Verfügung stehenden Technik zurück. Sie hatten selten Konzepte für neue Waffensysteme und folglich wurden viele neue Erfindungen falsch eingeschätzt und entsprechend vernachlässigt. Für Politik wie Militär war die Industrialisierung derart Unübersichtlich geworden, dass sie nur staunend zugesehen zu haben scheint. Während ‚klassische Waffen’, wie etwa Gewehre und Kanonen auch unter Einflussnahme der Militärs ständig verbessert und perfektioniert wurden, machte man sich über die Tragweite weiterer Erfindungen weniger Gedanken. Alle Seiten zielten ihre Anstrengungen auf einen schnellen Krieg ab, dem sich alles Andere unterordnen musste. Das war die Grenze des Denkens! Beispiele?
Der Karabiner 98 war genau wie die Waffen anderer Nationen bei Kriegsausbruch derart ausgereift, dass er noch bis 1945 die Basiswaffe der Infanterie blieb. Bei der Artillerie berauschte man sich an Zahlen, verlor aber nicht den Einsatzzweck aus dem Auge. Für den Bewegungskrieg konnte man nicht der Gigantomanie überschwerer und besonders weit reichender Waffen nachgeben, da die Waffen mit dem zu erwartenden Marschtempo Schritt halten sollte. Alle Seiten beschränkten sich daher auf relativ ‚Klassische’ Artillerie mit relativ niedrigem Kaliber, die für schnelle Pferdebespannung vorgesehen war. Vorbild war die ‚Reitende Artillerie’, wie sic schon Scharnhorst bevorzugt hatte. Die (napoleonische) Fußartillerie (schwerere Stücke) wurde eher klein gehalten zugunsten der schnellen und wendigen Feldartillerie. Die Befestigungen an den Grenzen machten dem Großen Generalstab aber auch klar eine Art ‚Belagerungspark’ zu benötigen mit schweren Geschützen, die Festungen niederkämpfen sollte. Daraus ging eine ‚schwere Artillerie’ hervor, die auch Mörser umfasste bei der die Deutschen tatsächlich einen erheblichen Vorsprung gegenüber den übrigen Mächten besaß (1914), doch waren diese Waffen in relativ kleinen Stückzahlen vorhanden und waren für Spezialeinheiten reserviert!
Technisch musste die Spitzengeneralität zwangsläufig hinter den Möglichkeiten zurückstehen. Ein von Hindenburg hatte noch im Krieg 1870/71 gedient, wo nicht einmal alle Kanonen gezogene Läufe gehabt hatten. Jüngere Offiziere hatten bei dem ‚Senoiritätsprinzip’ der Armeen wenig Chancen Einfluss zu erhalten. Der ‚Dreadnought-Sprung’ bei den Marinen wäre ohne den unorthodoxen Lord Fisher niemals machbar gewesen. Eine ähnliche Figur hatten die Heere aber nicht hervorgebracht. Die so wichtigen Maschinengewehre wurden lange bei den Pionieren ‚geparkt’, die sie erst einmal austesten sollten. Gleiches galt für Funksysteme oder Minenwerfer. Gerade die Pioniere, als die seit Alters her am wenigsten angesehene Truppengattung, mauserten sich unter diesen Umständen zu Kaderschmieden durch ihr technisches Wissen. Die wesentlichen Zusammenhänge werden sehr gut erklärt in folgendem Band: „Vom Einzelschuß zur Feuerwalze“ (Autor Hans Limenkohl).
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So spare ich mir weiter darauf einzugehen und stelle fest:
Politik und Militär ordneten die Rüstung ihren Vorstellungen vom Kriege unter und verpassten generell den Anschluss an die technische Entwicklung. Die Doktrin vom kurzen Kriege (ebenfalls allen europäischen Großmächten gemein) sah alleine im Angriff die Kampfform der Entscheidung (Schlieffenplan & „Plan 1917“ & früher Einfall der Russen in Deutschland und österreichischer Angriff auf Russland) ohne auf Notwendigkeiten für eine auf Dauer leistungsfähige Kriegsindustrie Rücksicht zu nehmen. Schon die Munitionsbevorratung war in allen Ländern unglaublich gering und nicht Ausreichend um mehr als wenige Monate einen Krieg durchführen zu können. Es gab auch keine Vorbereitungen etwa die Rohstoff- & Ernährungslage auf eine wirklich ausreichende Basis zu stellen. Das alles obwohl bereits lange vor Kriegsausbruch etwa in England über eine Seeblockade gesprochen wurde die eine Einfuhr wichtiger Güter gefährden musste.
Zur Kriegsfähigkeit der Industrie:
Das beste Beispiel für diese Aussage ist die Gründung der „Kriegsrohstoffabteilung“, als sich Ende August 1914 bereits durch den ungeheuren Verbrauch eine Munitionskrise abzeichnete. Sie wurde geleitet vom späteren Märtyrer der Weimaer Republik Walter Rathenau!
Kriegsrohstoffabteilung - Wikipedia
Guano - Wikipedia
Haber-Bosch-Verfahren - Wikipedia
Durch die Seeblockade konnte nicht länger wie gewohnt aus Südamerika Stickstoff eingeführt werden, welcher Unerlässlich ist für die Herstellung von Düngern wie von Sprengstoff. Beides wurde aus Guano hergestellt. Ein deutscher Militär verwies bezeichnenderweise erstaunt auf die großen deutschen Vorräte an Kalisalzen, als er mit der Notwendigkeit von Salpetersalz konfrontiert wurde. Kurzfristig erzwang Kriegsminister Falkenhayn (seit 1913 Kriegsminister und nach der Marneschlacht Generalstabschef) durch Einbeziehung von Wirtschaftsfachleuten eine Produktionsmethode, durch welche Stickstoff über die Ammoniaksynthese aus Luft gewonnen werden konnte. Der Geniestreich der deutschen Chemie ermöglichte die Produktion von Ammoniumnitrat (Zünder, Sprengstoffe), wie Salpeterverbindungen. Hier aus Wikipedia zum Thema „Haber-Bosch-Verfahren“:
Das Haber-Bosch-Verfahren wurde durch die
BASF im Jahr
1910 zum
Patent angemeldet, ein zuvor eingereichtes fehlerhaftes Patent von Haber zum selben Thema wurde zeitgleich zurückgezogen. Die Weiterentwicklung bis zur großindustriellen Anwendbarkeit fand 1914 auf Druck des deutschen Generalstabsschefs
Erich von Falkenhayn statt. Das Deutsche Reich war zu diesem Zeitpunkt durch die britische
Seeblockade von den Salpeterlieferungen aus Chile abgeschnitten. Mit Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens gelang es, den schon Ende 1914 drohenden Zusammenbruch der deutschen Munitionsproduktion abzuwenden, und auch eine Düngemittelproduktion aufrecht zu erhalten.
Für diese (an sich segensreiche) Erfindung erhielten die beiden Chemiker nach dem Krieg mehrere Nobelpreise. Sie hatten ursprünglich Stickstoffdünger im Sinne gehabt…
Dies mag m.E. als Beweis für die Kurzfristigkeit der Planer in Militär und Politik genügen. Weitere Aspekte sind auch in meinem Buchtipp angesprochen. Eine Beschäftigung mit dem Hindenburgplan (Rüstungsplan während des Krieges) dürfte weitere Krisenbereiche aufzeigen.
Die Industrie bekam mit dem Krieg sicherlich neue Chancen, sie hat ihn aber weder herbeigeführt, noch forciert. Das die Anstrengungen der Industrie nur zur Verlängerung des Endes führten ist klar. Eine Verurteilung daraus abzuleiten ist m.E. verfehlt. Als Dokumente wie die Industrie als Kriegsgewinnler auftreten kann gibt es viele: Etwa die Liste der chemischen Industrie 1940 für den Fall der Eroberung Englands. Aber warum nur fragen was hätte passieren können? Der Industrie'diebstahl' an Wissen und Material im Rahmen von Reparationen nach dem 2. Weltkrieg ist besser bekannt.