Kyiver Rus

Gerua

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

ich habe mich mit mehreren Leute bezüglich des Ursprungs des Slawentums unterhalten.
Leider hat jeder eine andere Ansicht, sowohl Quellen als auch Fachleute.
Ich werde nun paar Thesen und Aussagen stellen die ich gehört und gelesen habe! Wäre froh wenn jmd mit mehr Ahnung dazu was schreiben kann!
Ahja, ich bin selber Deutsch/Ukrainer und spreche polnisch, russisch, ukrainisch und gepsrochen habe ich sowohl mit Professoren, als auch mit Leuten aus der UdSSR. Zusätzlich habe ich viele Seiten und viele Sachen im Internet gelesen und trotzdem komme ich nicht zu einem Schluss. =(
Danke für eure Hilfe!

Es ging um die Frage: Welche Sprache wurde in der Kyiver Rus gesprochen?

Die Kyiver Rus wurde von den Waräegern regiert bis zum Vladimir dem Großen. Rus steht nicht wie vermutet für Russland, sondern ist der Name eines nordischen Stamms gewesen >Rosj/Rusj.

Damit die nächste Frage: Woher kommt der Beiname Rus?

Schon in der Stadt Kyiv lebte der Stamm der Polanen (Polen) und diese blieben auch dort und weiteten sich nach Westen aus.
Die Verbliebenen nannten sich nachher Ukrainer, daher die ähnliche Kultur und Sprache zwischen Ukrainern und Polen, trotz russischer Herrschaft.

Dazu die Frage: Warum werden Russen, Ukrainer, Weißrussen immer im Zusammenhang der Kiever Rus genannt, jedoch nicht die Polen, Tschechen, Slowaken?

Sind Ukrainer damit eher polnisch oder eher russisch?


Welche Slawische Sprache ist die reinste slawische Sprache vom urslawischen?

Wurde nun eher Russisch früher gesprochen oder Weißrussisch, Ukrainisch oder eine andere slawische Sprache?

Serben, Polen gehören zu den älteren slawischen Stämmen:
Welches slawisches Volk ist das Älteste?
 
uff... du stellst da wirklich sehr viele Fragen...

Kiewer Rus:
die wohl favorisierte These ist, dass die frühmittelalterlichen Slawen dieser Region von Warägern (Skandinaviern, "Wikingern") dominiert wurden, sie wird die "Normannenthese" genannt. Die "Wikinger" bildeten wohl ein paar Generationen lang die Oberschicht, bis sie assimiliert wurden und auch ihre nordische Sprache aufgaben zugunsten des altrussischen (einige russische Namen sind skandinavischer Herkunft, z.B. Olga kommt von Helga). Der Name "Russe" soll vom nordischen Wort für Ruderer stammen.

welche Sprache man in der Kiewer Rus gesprochen hat?
wohl eine Vorform des späteren Russischen - allerdings sprach die dünne Oberschicht wohl anfangs nordgermanisch, wofür auch die frühen Namen sprechen, die in Chroniken und Igorlied überliefert sind.

ältestes slawisches Volk
da kann man herum streiten... in den frühesten Quellen tauchen Namen wie "Sclavenen" (bei Procopius) und "Abodriten" (karolingische Quellen) auf. Die ältesten slawischen Schriftzeugnisse sind in glagolithischer Schrift, wohl auf dem Balkan entstanden.

...dass in Kiew Polanen ansässig waren, ist mir neu. So weit ich weiß, siedelten Polanen an der Weichsel, gelten quasi als die Urväter der späteren Polen.

die "reinste" slawische Sprache sollte historisch gesehen das Altkirchenslawische sein.
 
die "reinste" slawische Sprache sollte historisch gesehen das Altkirchenslawische sein.

Nee, das Altkirchenslawische ist eigentlich ja nur die erste schriftliche Fixierung des Slawischen, vermutlich eines Südslawischen Diakekts, der in Bezug auf die "Reinheit" wahrscheinlich ziemlich durchsetzt mit Gräzismen und Latinismen war. Aber "Reinheit" ist bei Sprachen eh ein schwieriges Kriterium.
 
Laut Nestorchronik wurde Kiew von den drei Brüdern Kyj, Schtschek und Choriw sowie ihrer Schwester Lybid aus dem Stamm der Poljanen gegründet, die auf drei Anhöhen Dörfer bauten.

Das ist ein Wikipedia Auszug!


Welche Sprache genau in der Kiever Rus gesprochen wurde, steht nicht fest?

Über Russisch habe ich gelesen, das die Sprache aus 30% Persischen/Türkischen besteht. In der Tat sind viele Wörter gleich mit den Völkern. Im Ukrainischen haben die Wörter einen slawischen Namen. Das stelle ich fest weil im polnischen, serbischen die Wörter ähnlich sind, nur im russischen nicht.
 
Das ist ein Wikipedia Auszug!
:winke: und das hier auch:
Mit Polanen werden zwei slawische Stämme bezeichnet:
In den Quellen, wie Nestor, werden östliche Poljanen erwähnt, die um das Gebiet des heutigen Kiews lebten. Die Poljanen gingen während der Staatsbildung der Kiewer Rus in anderen ostslawischen Stämmen unter.
Die westlichen Polanen (polnisch Polanie) wurden der mächtigste der westslawischen Stämme auf dem Gebiet des heutigen Polens.
Polanen ? Wikipedia
die Poljanen um Kiew sind nicht mit den westslawischen Polanen (späteren Polen) zu verwechseln, sie sind auch nicht identisch.
 
Es ging um die Frage: Welche Sprache wurde in der Kyiver Rus gesprochen?

Die Masse der Bevölkerung sprach altostslawisch, eine in der Kiewer Rus gesprochene Vorform der heutigen ostslawischen Sprachen, die sich etwa seit dem 14. Jh. entwickelten.

Die dünne Schicht der schwedischen Waräger, die sich als Händler und Kaufleute niedergelassen hatten und zuweilen auch Fürsten stellten, sprach eine alt(ost)nordische Sprache. Bekanntlich hatten ihre frühen Vertreter noch altnordische Namen, z.B. Helgi/Oleg, Ingvar/Igor usw. Ab etwa dem 10. Jh. gingen die Waräger in der slawischen Bevölkerung auf und ihre skandinavische Sprache verschwand.

Die Kyiver Rus wurde von den Waräegern regiert bis zum Vladimir dem Großen. Rus steht nicht wie vermutet für Russland, sondern ist der Name eines nordischen Stamms gewesen >Rosj/Rusj.

Die Rurikiden, also die Nachfolger des legendären Warägers Rurik, regierten Altrussland und später das Russische Zarenreich bis 1598, wo sie mit Feodor I. (Fjodor I.) in männlicher Hauptlinie ausstarben.

Damit die nächste Frage: Woher kommt der Beiname Rus?

Die Herkunft der Bezeichnung "Rus" ist bis heute umstritten. Möglich ist ein skandinavischer Ursprung des Wortes, der auf "Ruderleute" zurückgeht und damit die Waräger mit ihren Booten auf den Strömen Russlands meint. Eine andere besonders in Russsland verbreitete Hypothese postuliert einen slawischen Stamm der Rus, der zum Namen Russland führte.

Dazu die Frage: Warum werden Russen, Ukrainer, Weißrussen immer im Zusammenhang der Kiever Rus genannt, jedoch nicht die Polen, Tschechen, Slowaken?

Sind Ukrainer damit eher polnisch oder eher russisch?

Welche Slawische Sprache ist die reinste slawische Sprache vom urslawischen?

Ich sagte oben bereits, dass die Sprache der Kiewer Rus altostslawisch war, was durch Schriftquellen gut dokumentiert ist. Sie ist die Vorgängerin der heutigen ostslawischen Sprachen, die nach dem Zerfall der Kiewer Rus entstanden: Russisch und Ruthenisch, aus dem Ukrainisch, Weißrussisch und Russinisch hervorgingen.
 
@Dieter, gibt es irgendwelche Quellen darüber, das aus Russisch >Ukrainisch und Weißrussisch hervorgegangen sind? Und warum Polnisch dann nicht, den die Sprachen sind sich sehr ähnlich (Polnisch, Ukrainisch, Weißrussisch).
Der Urvater Stamm der Polen müsste vom Gebiet her auch in der Kyiver Rus sein, den Polen war ursprünglich, vom Gebiet her nah an Weißrussland.
 
Zuletzt bearbeitet:
Über Russisch habe ich gelesen, das die Sprache aus 30% Persischen/Türkischen besteht. In der Tat sind viele Wörter gleich mit den Völkern. Im Ukrainischen haben die Wörter einen slawischen Namen. Das stelle ich fest weil im polnischen, serbischen die Wörter ähnlich sind, nur im russischen nicht.

Vorsicht mit der Formulierung: Die Sprache besteht sicherlich nicht zu n % aus dem Persischen und oder Türkischen (mal abgesehen davon, dass Türkisch und Persisch wiederum zwei ganz anderen Sprachen sind, die untereinander keine Verwandtschaft haben, das Persische aber zum Russischen eine entfernte Verwandtschaft hat: Beides sind indoeuropäische Sprachen). Sie hat allenfalls einen Anteil an Lehnworten aus diesen Sprachen.
Die Menge an Lehnworten kann von Gesamtwortschatz zu Gebrauchswortschatz oder Regiolekt variieren, das kann sich also auch prozentual niederschlagen. In Leningrad wird man sicher ein anderes Russisch sprechen als in Inguschetien, auch was den Lehnwortschatz angeht.
Eine Mengenangabe von 30 % Lehnwortschatz ist nicht unmöglich, scheint aber doch sehr hoch zu sein. Ich möchte also vorsichtigen Zweifel anmelden, dass diese Zahlen stimmen.

Die Herkunft der Bezeichnung "Rus" ist bis heute umstritten. Möglich ist ein skandinavischer Ursprung des Wortes, der auf "Ruderleute" zurückgeht und damit die Waräger mit ihren Booten auf den Strömen Russlands meint. Eine andere besonders in Russsland verbreitete Hypothese postuliert einen slawischen Stamm der Rus, der zum Namen Russland führte.

Man muss hierzu eines bedenken: In Sowjetzeiten war es politisch unerwünscht, die warägische Geschichte des Gebiets der Sowjetunion zu thematisieren und zu erforschen. Ich habe den Eindruck, dass das heute wieder so ist, dass also die Hypothese nicht wissenschaftlich begründet sondern politisch erwünscht ist.

@Dieter, gibt es irgendwelche Quellen darüber, das aus Russisch >Ukrainisch und Weißrussisch hervorgegangen sind? Und warum Polnisch dann nicht, den die Sprachen sind sich sehr ähnlich (Polnisch, Ukrainisch, Weißrussisch).

Die Einteilung in west- und ostslawische Sprachen ist eine nur teilweise begründete. Es handelt sich um eine geographische Schubladenbildung, die zwar einerseits ihre Berechtigung hat, andererseits aber auch nicht. Sie hilft Sprachen zusammenzufassen. Da aber untereinander eng verwandte Sprachen meist eine gemeinsame Entwicklungsgeschichte haben und sich im Laufe der Geschichte regionale Eigenheiten entwickelt oder ursprüngliche Eigenheiten erhalten haben, kann eine Unterscheidung an einem Ort nur marginal sein.
Das sind die Isoglossen, also fließende Sprachgrenzen. Ein Beispiel für eine solche Isoglosse ist die Benrather Linie, die nach Westen hin ausfächert (der sogenannte Rheinische Fächer).

Während die Benrather Linie einen ziemlich harten Bruch zwischen dem Niederdeutschen und dem Mitteldeutschen, welches gemeinsam mit dem Oberdeutschen das Hochdeutsche bildet darstellte (heute nicht mehr, da auch nördlich der Benrather Linie heutzutage Hochdeutsch gesprochen wird und Niederdeutsch von immer weniger Menschen verstanden, geschweige denn gesprochen wird), waren die Übergänge im Rheinischen Fächer eher fließend. Hier hatten sich gewisse Innovationen der hochdeutschen Lautverschiebung geographisch unterschiedlich weit durchgesetzt.

Wenn du tiefe einsteigen willst, lies:
Rheinischer Fächer ? Wikipedia
Benrather Linie ? Wikipedia

Der Urvater Stamm der Polen müsste vom Gebiet her auch in der Kyiver Rus sein, den Polen war ursprünglich, vom Gebiet her nah an Weißrussland.
Dekumatland hatte darauf schon hingewiesen:
:winke: und das hier auch:
Polanen ? Wikipedia
die Poljanen um Kiew sind nicht mit den westslawischen Polanen (späteren Polen) zu verwechseln, sie sind auch nicht identisch.

Wiewohl ich skeptisch bin. Auf der einen Seite haben wir mit Sorben und Serben ein ähnliches Phänomen, auf der anderen Seite sind die ethnologischen Angaben aus antiken und mittelalterlichen Quellen immer so eine Sache. Schwierig zu bewerten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die slawische Sprachfamilie hat drei Unterfamilien. Dies sind Westslawisch, Ostslawisch und Südslawisch. Diese trennten sich bereits zwischen dem 3. und 6. Jahrhundert voneinander. Polnisch ist, genau wie Tschechisch, Slowakisch und Sorbisch eine westslawische Sprache, während Russisch, Ukrainisch und Weißrussisch Teil der ostslawischen Sprachfamilie sind. Auf dem Balkan, in Bulgarien und dem ehemaligen Jugoslawien werden hingegen südslawische Sprachen gesprochen. Wenn das Polnische dem Russischen phonetisch nah ist, kann das an dem engen Kontakt zwischen Russland und Polen liegen. So wurden weite Teile Polens zwischen 1815 und 1915/17* von Russland beherrscht. Auf diese Weise konnten sich viele Lehnwörter übertragen.

Das sagt aber alles wenig über die Herkunft der Einwohner aus. Spätestens im 10. Jahrhundert gab es zum ersten mal einen polnischen "Staat", ein Stammesherzogtum in Polen (Civitas Schinesghe) unter der Dynastie der Piasten. Diese Slaven waren wohl im 5. oder 6. Jahrhundert aus Osten eingewandert (im Rahmen der großen europäischen Völkerwanderung). DA besonders Polen allerdings wechselnden Einflüssen unterlegen war, sowohl politisch als auch demographisch wäre ich vorsichtig bei der Konstruktion einer gemeinsamen polnischen Herkunft.

*1915 wurde der russische Teil Polens von Deutschland besetzt, 1917 folgte der Friedensvertrag
 
Die Einteilung in west- und ostslawische Sprachen ist eine nur teilweise begründete. Es handelt sich um eine geographische Schubladenbildung, die zwar einerseits ihre Berechtigung hat, andererseits aber auch nicht.
ich fürchte, dass die Slawisten nicht so ganz damit einverstanden sein werden - zwischen polnisch und russisch ist durchaus ein nicht eben geringer Unterschied

Wiewohl ich skeptisch bin. Auf der einen Seite haben wir mit Sorben und Serben ein ähnliches Phänomen, auf der anderen Seite sind die ethnologischen Angaben aus antiken und mittelalterlichen Quellen immer so eine Sache. Schwierig zu bewerten.
zumindest haben wir, wenn auch später, sorbische und serbische Sprachzeugnisse (und die unterscheiden sich) - hingegen keine poljanischen aus der Gegend der Kiewer Rus, aber ein paar polabische Trümmer aus der Zeit vor den Piasten (wenn ich mich recht entsinne ein paar Namen)
 
Ich fürchte, dass die Slawisten nicht so ganz damit einverstanden sein werden - zwischen Polnisch und Russisch ist durchaus ein nicht eben geringer Unterschied.

Das habe ich ja auch gar nicht bestritten. Ich kann dir sogar soviel sagen: Meine Lebensgefährtin versteht kein Russisch, hat aber Ukrainisch, als sie es in einem Film (Lichter) hörte, für einen etwas bäuerlichen polnischen Dialekt gehalten. Und natürlich sind Polnisch und Russisch etliche Isoglossen voneinander entfernt. Das ändert aber nichts daran, dass die geographische Einteilung in west-, ost- und südslawische Sprachen zwar einerseits sinnvoll ist, andererseits aber die verwandtschaftliche Nähe der direkt benachbarten Sprachen untereinander mitunter unter den Tisch fallen lässt, weil etwa Polnisch als Westslawisch, Ukrainisch aber als Ostslawisch eingeordnet wird. Da wird die Klassifizierung aus sprachwissenschaftlicher Sicht zum Problem.

Zumindest haben wir, wenn auch später, sorbische und serbische Sprachzeugnisse (und die unterscheiden sich) - hingegen keine poljanischen aus der Gegend der Kiewer Rus, aber ein paar polabische Trümmer aus der Zeit vor den Piasten (wenn ich mich recht entsinne ein paar Namen).

Tja und jetzt ist die Frage, von wann die entsprechenden Sprachzeugnisse sind: Sind sie jüngeren Datums oder Älteren? Das Polnisch etwa <ó> und <o> [o] alterniert oder <t> und <ci/ć> oder <l> [l] und <ł> [w] ist ja eine individuelle Entwicklung des Polnischen, die es von anderen slawischen Sprachen trennt. Aber diese offensichtliche Trennung erscheint mir doch - auch in Anbetracht des Lehngutes im Polnischen, relativ jung zu sein und sie ist definitiv kein gemeinsames Charakteristikum der westslawischen Spachen.
Wie sind nun die Sprachtrümmer aufzufassen? In wie weit kann man zum entsprechenden Zeitpunkt, von dem die Trümmer stammen, die slawischen Sprachen schon differenzieren?
 
Zu den 30% muss ich sagen. Ja tatsächlich ist es so. Ich habe mit einem Azerbajdshaner gesprochen der Russisch konnte und nach mehreren Beispielen hat er mir viele Wörter aus dem persischen und türkischen gesagt die unter Azeri´s russifiziert sind.
Was bei langem nicht in jeder Region im Russischsprachigen Raum der Fall ist, da in Russland doch mehr Völker leben.


Das habe ich ja auch gar nicht bestritten. Ich kann dir sogar soviel sagen: Meine Lebensgefährtin versteht kein Russisch, hat aber Ukrainisch, als sie es in einem Film (Lichter) hörte, für einen etwas bäuerlichen polnischen Dialekt gehalten. Und natürlich sind Polnisch und Russisch etliche Isoglossen voneinander entfernt. Das ändert aber nichts daran, dass die geographische Einteilung in west-, ost- und südslawische Sprachen zwar einerseits sinnvoll ist, andererseits aber die verwandtschaftliche Nähe der direkt benachbarten Sprachen untereinander mitunter unter den Tisch fallen lässt, weil etwa Polnisch als Westslawisch, Ukrainisch aber als Ostslawisch eingeordnet wird. Da wird die Klassifizierung aus sprachwissenschaftlicher Sicht zum Problem.

Da ich alle drei Sprachen spreche, verstehe ich genau diese Aufteilung nicht. Ukrainisch und Polnisch sind für mich sehr nah und identisch von der Sprache, während Russisch für mich eine andere Sprache ist.
Natürlich ist mir bewusst das während der Polnischen Herrschaft um Lemberg, wo viele Ukrainer gelebt haben es zu Sprachaustausch gekommen sein kann, jedoch kann ich mir nicht vorstellen, das es so massiv in kurzer Zeit passierte. Meine Tante versteht bis heute mich nicht, wenn ich Ihr was auf Polnisch oder Ukrainisch sage, sondern nur Russisch. Sie versucht zwar zu erahnen was es sein kann, jedoch sind es komplett unterschiedliche Wörter. Während im Polnischen und Ukrainischen die Wörter nur geringe Unterschiede haben, sind im Russischen komplett andere Wörter.
Da kann die These doch aufgestellt werden, das Ukrainisch/Weissrussisch nicht unbedingt Ostslawische Sprachen sind. Übrigens Tschechen kann ich als Polnisch/Ukrainisch sprachiger kaum verstehen, da half bisher russisch gut weiter.

Gibt es dazu außer Wiki und russische Propaganda Medien eine Quelle, in der ich nachlesen kann, ob Ukrainisch/Polnisch/Weißrussisch nicht eher aus einer gemeinsamen Sprache entstanden sind, während Russisch einen eigenen slawischen Ursprung hatte.

Ich möchte wirklich gerne erfahren, welche slawische Sprache nun früher während der Kyiver Rus gesprochen wurde. Welche Sprache hat sich daraus vorher entwickelt (Russisch, Ukrainisch, Polnisch.... )? Eins steht fest, alle Sprachen sind nicht zur gleichen Zeit aufgetaucht und da ist es interessant zu wissen, welche eher entstand.

Bitte euch um Quellen.
 
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Natürlich ist mir bewusst das während der Polnischen Herrschaft um Lemberg, wo viele Ukrainer gelebt haben es zu Sprachaustausch gekommen sein kann, jedoch kann ich mir nicht vorstellen, das es so massiv in kurzer Zeit passierte.

Es war ja nun nicht nur Lemberg. Weißrussland und ein Großteil der Ukraine waren zunächst 200 Jahre litauisch, dann 250 Jahre polnisch.
 
Zu den 30% muss ich sagen. Ja tatsächlich ist es so. Ich habe mit einem Azerbajdshaner gesprochen der Russisch konnte und nach mehreren Beispielen hat er mir viele Wörter aus dem persischen und türkischen gesagt die unter Azeri´s russifiziert sind.
Was bei langem nicht in jeder Region im Russischsprachigen Raum der Fall ist, da in Russland doch mehr Völker leben.

Aserbaidschanisch ist nun mal eine Turksprache. Und gerade für Sprecher, die in der SU/GUS aufgewachsen sind gilt natürlich eine hohe Diglossie (Situation der Zweisprachigkeit).


Da ich alle drei Sprachen spreche, verstehe ich genau diese Aufteilung nicht. Ukrainisch und Polnisch sind für mich sehr nah und identisch von der Sprache, während Russisch für mich eine andere Sprache ist.

Danke, das ist gewissermaßen Wasser auf meine Mühlen, dass die geographische Aufteilung in ost- und westslawische Sprachen sprachwissenschaftlich unglücklich ist.


Gibt es dazu außer Wiki und russische Propaganda Medien eine Quelle, in der ich nachlesen kann, ob Ukrainisch/Polnisch/Weißrussisch nicht eher aus einer gemeinsamen Sprache entstanden sind, während Russisch einen eigenen slawischen Ursprung hatte.
Dazu liest du am besten Mal eine Einführung in die Slavistik.

Christof Heinz: Einführung in die slavische Sprachwissenschaft. PDF Uni Passau, Wien 2007. Für deine Fragestellung interessant S. 27 ff. Heinz hält an der Aufteilung in das West- und Ostslawische (und Südslawische) fest.

In einer Einführungs-Präsentation von der Uni Potsdam, deren Urheber nicht genannt ist, die ebenfalls an der Aufteilung in die drei Zweige festhält, wird als Unterscheidungskriterium zwischen dem Süd- und Westslawischen auf der einen und dem Ostslawischen auf der anderen Seite die Liquida-Metathese genannt. Die Liquida sind Fließlaute, wie [l] und [r], die Metathese ist eine Umstellung von Lauten innerhalb eines Wortes.

Dazu aus dem Wikipedia-Artikel Metathese, der das sehr anschaulich zeigt:

Liquidametathese in den slawischen Sprachen

In den süd- und westslawischen Sprachen ist die Liquidametathese ein umfassender, im Späturslawischen durchgeführter Lautwandel, durch den alle urslawischen Verbindungen *or, *ol, *er, *el zwischen Konsonanten umgestellt wurden und als ra, la, rě, lě (im Südslawischen, Tschechischen und Slowakischen) oder ro, lo, re, le (in den anderen westslawischen Sprachen) vertreten sind:

In den ostslawischen Sprachen fand hier keine Metathese statt, sondern das Wort wurde um eine Silbe verlängert (so genannter Volllaut): vgl. russ. bereza für Birke, moloko für Milch, gorod (vgl. Nowgorod) ‚Stadt‘ für Garten, korova ‚Kuh‘ für Hirsch.
Eine ähnliche Liquidametathese gab es unter etwas anderen Bedingungen in allen slawischen Sprachen auch im Anlaut:

  • dt. Arbeit, urslaw. *orbota – russ. rabota, tschech. robota (vgl. Roboter)
  • dt. Arm, lat. armus 'Oberarm, Schulterblatt', urslaw. *ormę 'Schulter' – serbokroat. rame, poln. ramię, tschech. rámě
  • dt. Elbe, lat. Albis – tschech. Labe, poln. Łaba, obersorb. Łobjo, niedersorb. Łobje

Bei Jana Kubišta und Holger Kuße von der TU Dresden ist die Liquida-Metathese dann wiederum ein Thema. Auch sie teilen in Ost-, West- und Südslavica auf. machen aber noch eine interessante zweite Unterteilung, nämlich in die Slavia Latina (mit Bosnisch) und die Slavia Orthodoxa.

http://tu-dresden.de/die_tu_dresden...ium/unterrichtsmat/ws_06_07/materialien_1.pdf
 
Ich möchte wirklich gerne erfahren, welche slawische Sprache nun früher während der Kyiver Rus gesprochen wurde.
polnisch (altpolnisch, oder ein denkbares "urpolnisch") scheidet aus geografischen und ethnografischen Gründen aus, dasselbe gilt für südslawische Sprachen - am wahrscheinlichsten ist, dass eine frühe Form des ostslawischen bzw. eine Art "früh- oder urrussisch" gesprochen wurde. Dafür sprechen u.a. auch die Namen und wenigen alten Wörter skandinav. Herkunft im russischen.

Eins steht fest, alle Sprachen sind nicht zur gleichen Zeit aufgetaucht und da ist es interessant zu wissen, welche eher entstand.
das herauszufinden, ist allerdings schwierig, da viele slaw. Sprachen erst recht spät in Schriftzeugnissen auftauchen.

was die Unterscheidungen der slaw. Sprachen betrifft, so hat dir ElQ relevante Hinweise gegeben.
 
@Dieter, gibt es irgendwelche Quellen darüber, das aus Russisch >Ukrainisch und Weißrussisch hervorgegangen sind? Und warum Polnisch dann nicht, den die Sprachen sind sich sehr ähnlich (Polnisch, Ukrainisch, Weißrussisch).

Ich sagte bereits oben, dass in der Kiewer Rus die altostslawische (altrussische) Sprache gesprochen wurde. Es war die Staats- und Verwaltungssprache und die Sprache der dort lebenden ostslawischen Bevölkerung. Das Altostslawische war die Vorgängerin der heutigen ostslawischen Sprachen, die nach dem Zerfall der Kiewer Rus entstanden.

Aus dem Altostslawischen gliederten sich etwa seit dem 13./14. Jh. Russisch und Ruthenisch aus. Ruthenisch war die Vorläufersprache des Ukrainischen, des Weißrussischen und Russinischen, weshalb es zuweilen auch als Altukrainisch oder Altweißrussisch bezeichnet wird. Ruthenisch stieg zur Schriftsprache im Großfürstentum Litauen auf. Eine selbstständige ukrainische Schriftsprache entwickelte sich allerdings erst Ende des 18. Jh., wohingegen altostslawische bzw. altrussische Schriftzeugnisse bereits seit dem 11. Jh. überliefert sind. So z.B. das Ostromir-Evangelium, die Nestorchronik, die Nowgoroder Birkenrindentexte oder das berühmte Igorlied aus dem 12. Jh., Nationalepos aller ostslawischen Völker.

Polnisch ist hingegen eine westslawische Sprache, die mit polnischen Namen und vereinzelten Sätzen seit dem frühen Mittelalter in lateinischen Urkunden überliefert ist. Eine eigenständige polnische Schriftsprache entstand jedoch verhältnismäßig spät: seit dem 13. Jh. wurden Texte von Predigten in polnischer Sprache niedergeschrieben, im 15. Jh. emanzipierte sich die polnische Schriftsprache vom großen Einfluss des Lateinischen und Tschechischen.

Warum sich zwei verschiedene slawische Sprachfamilien - nämlich west- und ostslawische Sprachen - aus dem Urslawischen herausbildeten, lässt sich heute nicht mehr im einzelnen sagen. In weit voneinander entfernten Siedlungsräumen entwickeln sich unter verschiedenen politischen, gesellschaftlichen ooder naturräumlichen Bedingungen unterschiedliche Dialekte und manchmal auch eigenständige Sprachen. Ein Beispiel wäre die niederländische Sprache, die aus einem niederdeutschen Dialekt hervorging und heute eine eigenständige Sprache der germanischen Sprachfamilie repräsentiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ruthenisch (im Ruthenischen: руский языкъ, руська мова, проста мова[1][2][3][4][5], русский языкъ[6][7]) war eine historische ostslawische Schriftsprache im Großfürstentum Litauen und nach 1569 in den ostslawischen Gebieten der polnisch-litauischen Adelsrepublik. Sie entstand aus dem Altostslawischen und ist der Vorläufer des heutigen Ukrainischen, Weißrussischen und Russinischen. Daher wird sie häufig (vor allem von Ostslawen selbst) als „Altweißrussisch“ (wr. старабеларуская мова) oder „Altukrainisch“ (ukr. староукраїнська мова), in der älteren Forschung vor allem als „Westrussisch“ (russ. западнорусский язык) bezeichnet. Die historischen Sprecher dieser Sprache nannten sie selbst oft prostaja mowa (wörtlich „einfache Sprache“, in Abgrenzung vom Kirchenslawischen) oder ruskaja mowa, was in lateinischen Texten mit lingua ruthenica wiedergegeben wurde. „Ruthenisch“ ist daher der neutralste Begriff für diese pränationale Sprache.
Die Geschichte des Ruthenischen beginnt im 14. Jahrhundert, als der westliche Teil des ostslawischen Sprachgebiets an das Großfürstentum Litauen fiel, das ab 1386 in Personalunion mit dem Königreich Polen von den Jagiellonen regiert wurde. Schriftsprache im Großfürstentum Litauen war nicht das Litauische (dessen erste Sprachdenkmäler stammen aus dem 16. Jahrhundert), sondern eine slawische Sprache, die Merkmale aufwies, welche für das heutige Weißrussische und Ukrainische charakteristisch sind. Neben Urkunden und Rechtstexten entstanden auch religiöse Schriften, so u. a. in einer stark kirchenslawisch beeinflussten Variante die Bibelübersetzung des Franzischak Skaryna (erschienen in Prag 1517–1519) oder das stärker volkssprachlich geprägte Evangelium von Peresopnyzja (1556–1561). Vor allem aber war Ruthenisch die Sprache der reichhaltigen konfessionellen Polemik (des literarischen Schlagabtauschs zwischen Orthodoxen, Unierten, Katholiken und Protestanten) in der zweiten Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts).
Die Prostaja mowa wurde in kyrillischer Schrift geschrieben, ab dem Ende des 16. Jahrhunderts war seltener auch die Lateinschrift im Gebrauch. Ferner verfassten die in Weißrussland ansässigen Tataren bis ins 19. Jahrhundert slawische Texte in arabischer Schrift.
Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts wurde das Ruthenische vom Polnischen verdrängt, nach dem Anschluss der weißrussischen und östlichen ukrainischen Gebiete an das Russische Reich im Zuge der ersten und der zweiten Teilung Polens dort auch durch das Russische.

Laut Wiki bildeten sich also alle 3 Sprachen aus dem Ruthenischen: Ukrainisch/Weißrussisch/Russisch. Auch da die Frage, was war vor der Ruthenischen Sprache und welche Sprache entwickelte sich nachweislich früher aus der Ruthenischen? (Ukrainisch/Weißrussisch/Russisch)

So ich lese mir heute Abend eure Quellen durch! Danke und ich hoffe ich finde da die Antworten.
 
Hallo Gerua,

du erweckst den Eindruck, dass du die Sprachen untereinander im Sinne von "was war zuerst da?" hierarchisieren möchtest. Das ist nicht sehr zielführend.
Letztendlich ist es so, dass Sprachen sich immer in Dialekte zergliedern. Es gibt dann entweder ein Bewusstsein dafür, dass man eine gemeinsame Sprache teilt und die Schriftsprache orientiert sich an einem Standard (man spricht daher auch von Standardsprache) oder aber, die Dialekte entwickeln sich so weit auseinander, dass sie untereinander eben nicht mehr ohne weiteres verstanden werden. Dann kann ein Bewusstsein dafür entstehen, dass man eine eigene Sprache spricht, die dann ggf. durch Verschriftlichung ebenfalls standardisiert wird.
Am Sprachnamen des Ukrainischen kannst du das vielleicht sogar noch ablesen: Ukraine bedeutet ja so etwas wie Grenzregion/Mark. Das Ukrainische war also ursprünglich der ruthenische Dialekt, der in der Grenzregion gesprochen wurde. Erst allmählich bildete sich ein Bewusstsein dafür heraus, dass dieser grenzländische Dialekt eine Eigenständigkeit hat - ob dies nun aus sprachlicher Sicht legitim war oder aufgrund politischer, protostaatlicher Gegebenheiten passierte sei dahingestellt.
Im deutschsprachigen Raum gibt es im Übrigen ähnliche Phänomene, nur dass die entsprechenden Dialekte bzw. Regiolekte es nie zu einer Standardsprache gebracht haben: Die Bundeskanzlerin spricht Märkisch also den Regiolekt einer Region, die im Mittelalter mal Grenzregion war, in Österreich gibt es einen burgenländischen Dialekt (oder Regiolekt?).
 
Laut Wiki bildeten sich also alle 3 Sprachen aus dem Ruthenischen: Ukrainisch/Weißrussisch/Russisch. Auch da die Frage, was war vor der Ruthenischen Sprache und welche Sprache entwickelte sich nachweislich früher aus der Ruthenischen? (Ukrainisch/Weißrussisch/Russisch)
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Das ist die falsche Schlussfolgerung, wie du dem Wiki-Link leicht entnehmen kannst: Aus dem Ruthenischen entwickelten sich nur Ukrainisch und Weißrussisch.

Alle ostslawischen Sprachen gehen auf eine Vorgängersprache zurück, die im Raum der Kiewer Rus gesprochen wurde. Sie war Staats- und Verwaltungssprache und auch die Sprache der dort lebenden Bevölkerung. Diese Sprache wird in der Sprachwissenschaft als Alt-Ostslawisch bezeichnet, zuweilen auch als Altrussisch.

Als die Kiewer Rus zerfiel, gingen im 13./14. Jh. aus dem Alt-Ostslawischen zwei Sprachzweige hervor: einerseits das Russische, das vorwiegend im Raum des Großfürstentums Moskau gesprochen wurde; andererseits das Ruthenische, das im Süden und Westen des ostslawischen Gebiets verbreitet war. Erst im 18. Jh. gingen aus dem Ruthenischen die ukrainische und weißrussische Sprache hervor.
 
du erweckst den Eindruck, dass du die Sprachen untereinander im Sinne von "was war zuerst da?" hierarchisieren möchtest. Das ist nicht sehr zielführend.

Das möchte ich jedoch wissen, wenn es eine Quelle gibt die das ausdrücklich nachweisen kann, dann würde sich diese Frage schließen.


Am Sprachnamen des Ukrainischen kannst du das vielleicht sogar noch ablesen: Ukraine bedeutet ja so etwas wie Grenzregion/Mark. Das Ukrainische war also ursprünglich der ruthenische Dialekt, der in der Grenzregion gesprochen wurde.

Das habe ich in sowjetischen Büchern gelesen, jedoch kann das nicht stimmen, da Ukraine im ukrainischen Ukrajina ausgesprochen wird. Krajina bedeutet in vielen slawischen Sprachen Land, während es in russischer Sprache Kraina=Rand bedeutet.
Daher ist die Weitverbreitung vom Grenzland/Mark nicht zutreffend, da man vom slawischen ausgehen sollte und nicht von der russischen Sprache aus!

Das ist die falsche Schlussfolgerung, wie du dem Wiki-Link leicht entnehmen kannst: Aus dem Ruthenischen entwickelten sich nur Ukrainisch und Weißrussisch.

Dieter laut Wiki Quelle soll es bei der Ruthenischen Sprache um den Vorgänger von Ukrainisch/Weißrussisch/(West)Russisch handeln.
Stimmt diese Quelle nicht?
 
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