1. Der Unterschied besteht ganz einfach im Widerspruch zwischen Weltanschauung und Poilitik der Bolschwewiki
2. Die Alternative hätte ganz einfach darin bestanden zu erkennen, dass eine Revolution zum Soz./Kommunismus nicht auf der theoretischen Tagesordnung steht. (Arbeitsproduktivität, Entwicklung des Proletariats, Organisationsgrad etc.) In der Endkonsequenz mündet (basiert) dieses "Nichtwahrhabenwollen" in Lenins Theorie der marxistisch - leninistischen Partei und ihrer Vorreiterfunktion in der Revolution und von dort zur Diktatur einer Partei
3. An welcher Stelle der Geschichte dürfen moralische/ethische Aspekte außer acht gelassen werden? (= rhetorische Frage!)
zu 3. Als erstem Punkt: Jegliche Forschung ist nicht frei von individuelle Werten. In einem anderen Zusammenhang hat mal F. Tieman in seiner Habilschrift den Begriff der "intentionalen Sozialforschung" geprägt in Anlehnung an die Feyerabends Vorschlag einer möglichst offenen Forschungs- bzw. Erkenntnistheorie.
Paul Feyerabend - Wikipedia, the free encyclopedia
Diese Überlegungen scheinen auf den ersten Blick Deine Position zu bestätigen. Auf den zweiten nicht mehr so eindeutig. Zumal sie hohe Maßstäbe an die Transparenz der eigenen Position anlegen in dem Sinne, dass sie sagen, "Ich bin subjektive, ich verdeutliche meine Position explizit und erlaube so, dass meine Ergebnisse bzw. Ergebnisse falsifiziert werden können.
Sollte Deine Position in diese Richtung tendieren, dann stimmen wir überein.
zu 1. Die theoretischen Positionen von Lenin oder z.B. Trotzki wurden noch teilweise im Exil formuliert und spiegeln noch den Elfenbeinturm wieder, in dem sich akademische Berufsrevolutionäre befinden, sofern sie fern der Heimat sind.
Die ganze Härte der damaligen Situation kommt in dem Begriff "Klassen-KAMPF" besonders deutlich zum Ausdruck. Das zerfallene Zarenreich war durch Chaos und Anarchie gekennzeichnet, in dem sich fast jeder mit fast jedem bekämpft hat.
Das gilt nicht nur für die unterschiedlichen Gruppierungen des linken Spektrums, es gilt auch für die unterschiedlichen monarchistischen bzw. "weißen" Gruppierungen (vg. z.B. Hobsbawn: Das Zeitalter der Extreme, 1994, S. 78ff).
Es ging lediglich und primär um das Erobern und den Erhalt der Macht. Das hatte nichts mit irgendwelchen "Weltbildern" über den fernen und anzustrebenden Endzustand einer kommunistischen Gesellschaft zu tun.
So schreibt beispielsweise Hildermeier (Hildermeier: Die Russische Revolution 1905-1921, 1989, S. 288), dass durch den "roten Terror" zwischen Ende 1917 und 1922 ca. 280.000 Opfer zu verzeichnen sind.
Diese Entwicklung wurde jedoch kontrovers in der damaligen Regierung diskutiert und Lenin in Kooperation mit Trotzki konnte sich gegen Kamenev und Bucharin durchsetzen.
Diese Situation bereitete jeoch Lenin durchaus ein Problem. Insgesamt ist die damalige Situation durch quasi "syndikalistische" Überlegungen, organisch verankert auf der Ebene der "Räte" gekennzeichnet. Verbunden mit diesen Überlegungen waren die Intentionen, die aktiv von Lenin verfolgt worden sind, beispielsweise auf der Ebene der Gerichte, das "Absterben" des Staates zu betrieben (vgl. Kolakowski: Die Hauptströmungen des Marxismus, Bd. 2, S. 523ff)
Als Widerpart zu dieser Entwicklung in Richtung einer kommunistischen Geselllschaft befand sich die Rolle der traditionellen Bourgeoisie. In der Regel wird Ihr die Rolle von Fachleuten zugestanden, die "Spezialisten". Besonders deutlich wird dieser Zwiespalt auch in der Roten Armee, in der zahlreiche zaristische Offiziere als Spezialisten ihren Dienst, teils freiwillig teils gezwungen, leisten. In diesem Zusammenhang bemerkte Lenin, dass man sie per Fusstritt aus der Tür zum Haus hinausbefördert und sie kommt zum Fenster wieder hinein.
An diesem Bild wird deutlich, dass Lenin zum einen einen deutlichen Widerwillen ihrer Rolle gegenüber empfand, er sich aber angesicht der Komplexität staatlichen Handels bewußt war, auf ihre Unterstützung nicht verzichten zu können.
Die Verselbständigung der Bürokratie und in der Folge auch der Nomenklatura ist sicherlich ein Kennzeichen der Machterhaltung durch Stalin und der KPdSU. Diese Entwicklung trat ein, obwohl Lenin und auch Trotzki davor gewarnt hat.
Kleiner Exkurs: Dieses Problem trifft man explizit an auf der Ebene der lange anhaltenden Diskussion über die Organisation der Roten Armee. Und es war vor allem Trotzki, der sich lange und erfolgreich gegen eine zunehmende Professionalisierung der Roten Armee aussprach, das Milizsystem präferierte und somit die Rolle der "Spezialisten" beschnitten hat.
In dem Maße wie die Ideologie des Marxismus-Leninismus die Veränderung der Gesellschaft forderte, erzwangen die innere und die äußere Bedrohung in der Folge des WW1 einen ausgeprägten Sinn für pragmatische Politik. Auf dieser Linie liegt ebenfalls die Einführung der NÖP, die einen deutlichen Bruch mit kommunistischen Prinzipien darstellte.
Diese Entwicklung ist der Hintergrund für mein Unverständnis, moralische Kategorien an die Politikformulierung Lenins und der Bolschewiki anzulegen.
In diesem Zusammenhang vertritt Hobsbawm die These, dass es der Verdienst der Bolschewiki gewesen sei, die staatliche Einheit Russlands erhalten zu haben.
Man mag in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob der Zweck die Mittel heiligt und die Beantwortung wird, und an diesem Punkt kommen die unterschiedlichen individuellen Positionen ins Spiel, unterschiedlich ausfallen.
zu 2. Oder die Frage aufzuwerfen, ob Marxens Fokussierung auf das Proletariat nicht ein wenig zu deterministisch war und bestenfalls gezeigt hat, dass der "Gang der Geschichte" sich nicht an Marxens Drehbuch halten wollte. :rofl: