Luftkrieg: Flugzeugproduktion Großbritannien/Deutschland

Nachtrag: die "Notbremse" der Typenabrüstung bei den Werkzeugmaschinen 1942 zeigt folgende Zahlen:

bisher - wegfallend - verbleibende Typen WZM:

437 - 265 - 172 spanabhebende WZM
884 - 530 - 354 WZM zur spanlosen Verformung

Damit wurden rd. 60% aller WZM-Typen per Order 1942 "abgeschafft" und wurden nicht weiter produziert. [auf die Probleme mit Ersatzteilen und Standzeiten kann da nur am Rand hingewiesen werden]

Umgekehrt zeigt diese Darstellung die Typenvielfalt, die ausrüstungsseitig in der Industrie 1941 verfügbar waren und eingesetzt werden mußten. 1941 stammten über 50% aller WZM in der Produktion aus der Zeit vor 1929, mit allen Problemen fehlender Standardisierung und Normung. Das dürfte - nur mit Ausnahme der Endmontage-Betriebe - für den gesamten Zulieferbereich der Flugzeug- und Flugzeugmotorenindustrie ähnlich gelegen haben.

Quelle: Siegel/von Freyberg, Industrielle Rationalisierung unter dem Nationalsozialismus
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit sind wir bei Ausgangspunkt angelangt: die Auswirkungen der spezifisch deutschen Struktur der Werkzeugmaschinen-Industrie. ... Die Bedeutung der durch die Weltwirtschaftskrise stark geschüttelten WZM-Industrie wurde zu spät erkannt.
In einer Bonner Dissertation von 2005 [1] wird unter Hinweis auf Budraß vor allem der Mangel an Spezialwerkzeugmaschinen angesprochen, deren Entwicklung aus politischen Gründen eher behindert worden sei.

Mindestens genau so interessant (für mich) ist das dortige Kapitel "Interne Hemmnisse", worin einmal das Verhalten der Luftrüstungsindustrie und der Konstrukteure, zum anderen die überhöhten Qualitätsanforderungen des Generalstabs und der Front betrachtet werden. Insbesondere wird (S. 127 ff.) das Problem der Enwicklungszeiten angesprochen, dem nach Ansicht des Fieseler-Direktors Lusser stets zu wenig aufmerksamkeit geschenkt wurde [2].

Budraß hat in diesem Zusammenhang den Begriff "Pathologie der Luftrüstung" geprägt. Ich habe sein Buch nicht gelesen, fand aber vorhin eine interessante Studie über die Verhältnisse beim Motorenhersteller BMW [3]. Besonders eindrucksvoll der Hinweis auf die zahllosen Änderungen, die dem Hersteller im Laufe des Entwicklungsprozesses beim 801-Flugmotor zu schaffen machten (S. 148): "Die Anzahl der ab Januar 1939 durchgeführten Konstruktionsänderungen und Berichtigungen beträgt 11000 Stück... Allein das Ölpumpengehäuse wurde ... 40 Mal geändert." Auch der Engpaß "Werkzeugmaschinen" wird darin natürlich erwähnt (S. 153) und abermals die Probleme mit den Zulieferern.


[1] Stilla: Die Luftwaffe im Kampf um die Luftherrschaft - verfügbar unter Die Luftwaffe im Kampf um die Luftherrschaft / Stilla, Ernst - S. 94 f., 114 f.
[2] Siehe dazu auch Die Illusion der Wunderwaffen - Google Bücher - zu Lusser S. 117 ff.
[3] Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit ... - Google Bücher
 
Richtig, jschmidt, auch Stilla spricht das Problem am Rande, wie so viele, an.

[jede WZM ist übrigens abhängig von den Werkzeugsätzen irgendwie "spezial" :D ]

Typen, Sonderwünsche, Entwicklungszeiten sind als Problem dann eng zusammenhängend. Hier gab es eine etwas andere britische Philosophie des Flugzeug- und Motorenbaus: Änderungen schlagen nur durch, wenn ihre Effektivität praktisch erwiesen und durch die anwendende Industrie akzeptiert ist (Beispiel: Rolls Royce-Motoren, aber auch andere).
Da war die deutsche Sichtweise und die Änderungsfreudigkeit von oben auf dem Papier eine etwas andere.

Das Argument der Typen - FEHLINVESTITIONEN bis in den Apparat der WZM und der Werkzeugsätze hinein - sollte man allerdings für 1938/41 nicht überstrapazieren. Auch die britische Flugzeugindustrie, obwohl 39/41 im Output leistungsfähiger, siehe oben - hatte ihre grandiosen Flops und Entwicklungskatastrophen. Das kann man schlecht abwägen, ich würde das in etwa gleich setzen.

Bemerkenswert sind britischerseits die "Schattenproduktionen". Bei erfolgter Konzentration auf bestimmte Typen wurden parallele Betriebe recht konsequent untergeordnet, bzw. überhaupt erst auf die Produktion eingerichtet und nachgeschaltet. Die Produktion wurde hier durch die Ausrüstungen schlicht kopiert. Deutscherseits gab es das auch, aber mE nicht in dieser Konsequenz (auch branchenfern).


Bei Budraß ist eben spannend, dass dieses Buch bzgl. der Luftrüstung letztlich ein wichtiges Kapitel der Niederlage 1940/41 beschreibt. Umgekehrt die Werke von Cairncross, Alec: Planning in Wartime - Aircraft Production in Britain, Germany and the USA sowie insbesondere
Ritchie, Sebastian: Industry and Air Power - The Expansion of British Aircraft Production 1935-41.
 
Das ist der Hinweis auf die Kapitalproduktivität (Ineffizienzen bei Rohstoffen/Material im Vergleich 41/44 müßte man im Übrigen abseits vom Typenwirrwarr erstmal belegen).
a. wer ist "man" ("müßte man übrigens abseits ...")
b.) wurde in der Literatur schon belegt.
Während die Abnahme der Fertigungsstunden je Flugzeug (ich denke dabei an die langjährigen Baureihen von Me109, 110 He 111 ...) mit der Lernkurve erklärt werden kann hakt diese Erklärung bei der feststellbaren Abnahme der benötigen Rohstoffe je Flugzeug.

- nie gelungene Standardisierung/Typenbereinigungen erst ab 1939, dann verstärkt ab 1942
war das überhaupt machbar?

- massive Engpässe in der Werkezugmaschinen-Industrie nach Greifen der Normierung/Typisierung 1939/42. Das Ausdünnen der Typen, hätte es ab 1942 erfolgreich sein sollen, hätte zusätzliche gewaltige Kapazitäten/Investitionen erfordert, die nicht verfügbar waren bzw. durch die WZM-Industrie überhaupt nicht geliefert werden konnten.
und
... ging komplett am eigentlichen Engpaß der Rüstungsindustrie vorbei: der Frage der Werkzeugmaschinen- und Werkzeugsätze-Ausstattung der Industrie.
gab es den Werkzeugmaschinenengpaß tatsächlich?

Forum der Wehrmacht | Waffen des Heeres | Warum so wenige Panzer?
Tatsächlich, und das ist ein weiterer entscheidender Aspekt, gab es im Dritten Reich eine "Überakkummulation" (Tooze) von Werkzeugmaschinen, also - die wenigen sektoralen Ausnahmen einmal außen vor gelassen - keinen Maschinenmangel! Die neueste Forschung (Tooze/Ristuccia) geht sogar davon aus, dass - gemessen an den personellen Ressourcen des Reiches - in aller Regel die Hälfte der tatsächlich verfügbaren Werkzeugmaschinen ausgereicht hätte. Wir es also mit einer makroökonomischen Fehlentwicklung zu tun haben (vgl. dies.: The Cutting Edge of Modernity: Machine Tools in the United States and Germany 1930-1945., Journal of Economic Literature, 2003). An dieser Stelle darf ich auf die bemerkenswerte Tatsache hinweisen, dass die USA den deutschen Bestand an Werkzeugmaschinen erst 1943 überschritt (!) und sich auch bis Kriegsende nicht wesentlich entfernen konnte (vgl. USSBS, Vol. 55, Machine Tool Industry in Germany, Washington 1947). Gerade im anglo-amerikanischen Raum gibt es zahlreiche - zum Teil gar vergleichende - Darstellungen (z.B. Zeitlin, Jonathan: Flexibility and Mass Production at War: Aircraft Manufacture in Britain, the United States, and Germany, 1939-1945 in: Technology and Culture, Vol. 36, No. 1, January 1995, p. 46-79) zur Leistungsfähigkeit einzelner Wirtschaftssektoren oder -netze der Alliierten und Deutschlands.
Erhöhte Rüstzeiten oder Organisationsmängel in der Lager- und Transportstrecken bei räumlich getrennten Produktionsabschnitten (die übrigens auch innerhalb zusammenhängender Betriebe auftreten könnten) haben natürlich gewisse Auswirkungen auf die Arbeits- und Kapitalproduktivität. Das ist aber hier mE nicht das entscheidende Problem, sondern tritt hinter dem quantitativen und qualitativen Ausrüstungsmangel betr. WZM zurück.
Fehlerhafte betriebliche Organisation bzw. Abläufe können erhebliche Auswirkungen zeigen.
Ein Beispiel aus der Heeresmotorenfertigung. Die Firma "Nordbau Norddeutsche Motorenbau GmbH" baute am Januar 1943 den HL 120. Mit 4528 Beschäftigten wurden im Januar 44 - 575 Motoren gefertigt (Motorenleistung pro Kopf 1,52). Nach Umstrukturierungen wurden ab ca. Mai 44 je Monat etwa 1000 Motoren bei gleicher Belegschaftsstärke abgeliefert (Motorenleistung pro Kopf 2,12).
(Aus Knittel "Panzerfertigung im 2.Wk")

@jschmidt
Die hohen Änderungszahlen am BMW 801 war allerdings, das sollte man nmA erwähnen, dem Fakt geschuldet das der Motor zu dem angesprochenen Zeitpunkt noch fern der Serienreife war. Das er trotzdem in Produktion "Befohlen" wurde lag allerdings an der Inkompetenz mancher Verantwortlichen im RLM - zb. Udet.
 
Zuletzt bearbeitet:
wer ist "man"...
...
das sollte man nmA erwähnen...
Immer diese Selbstgespräche...:devil:

Aber Scherz beiseite: Deine Rückfrage zum Werkzeugmaschinen-Engpaß finde ich sehr wichtig. :winke:

Der Aufsatz von Ristuccia/Tooze [1] aus dem Jahre 2003 enthält ja eine Menge Statistiken dazu, die längerer Betrachtung und Würdigung bedürften; das betrifft auch den Abschnitt "Classifying machines" (S. 12 ff.).

Die besondere Situation in Bezug auf unser Thema Flugzeugproduktion wird dort wohl nur am Rande angesprochen (S. 18: mass production of aircraft engines); in dem angeführten Aufsatz von Zeitlin [2] dürfte mehr dazu stehen.


[1] Nicht, wie im FdW angegeben, Tooze/Ristuccia.
[2] Kostet 24 $ im Internet, aber vielleicht hat ihn jemand schon.
 
Zeitlin habe ich leider nicht.

Mit Ristuccia/Tooze, den mW Aeon schon zitierte, kommen wir auf den entscheidenden Punkt. Der Aufsatz basiert bzgl. der Beurteilung auf zwei Grundlagen:

- den Statistiken nach Zahl und Gewichten
- den Aussagen zum Umfeld bei Siegel/von Freyberg

Letztere sind in ihren Beschreibungen nur rudimentär angesetzt und zT (richtigerweise offen problematisiert und dahingestellt!) in den Schlußfolgerungen widersprüchlich.

Bei den verwendeten Kennzahlen habe ich in Kombination mit der Darstellung von Siegel/von Freyberg eben erhebliche Zweifel, ob Ristuccia/Tooze mit den Beurteilungen richtig liegen.

Dieses betrifft
- den Vergleich USA/D,
- die Schätzungen zur Altersstruktur,
- die Investitionen,
- das Umfeld der WZM-Anwendungen,
- schließlich den "Neu-Bedarf" in der Flugzeugproduktion inkl. Vorlieferanten,
- und die Leistungsgrade

(der Output der gesamten anwendenden Metallverarbeitenden Industrie bis hin zu Fahrzeugen, Schiffe, etc. im Vergleich 1938 USA/D hätte bei Verwendung von Stückzahlen der WZM Ristuccia/Tooze eigentlich zu denken geben sollen). Das betrifft letztlich also die Schlußfolgerungen aus den dort verwendeten Statistiken.

Das Problem des Werkzeugbaus (oben hingewiesen auf die deutsche "Eigenart" der Verwendung von Werkzeugen, Vorrichtungen und Lehren in der Produktion) ist überhaupt nicht angesprochen worden.



EDIT: noch ein Hinweis
Der - mE fehlerhafte - nationale Vergleich der WZM-Bestände ist bereits bei Eichholtz, Deutsche Kriegswirtschaft I mit Bezug auf Hillmann, Comparative Strength of the Great Powers, angesprochen. Hillmann wiederum fußt auf dem U.S. Strategic Bombing Survey - Machine Tool Industry.
 
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Zeitlin habe ich leider nicht.

Mit Ristuccia/Tooze, den mW Aeon schon zitierte, kommen wir auf den entscheidenden Punkt. Der Aufsatz basiert bzgl. der Beurteilung auf zwei Grundlagen:
.

Die, relativ, geringere Effizienz im Flugzeugbau Deutschlands gegenüber England und den USA an den Werkzeugmaschinen festzumachen, halte ich für eine Verengung.

Man muss sich klarmachen, dass die deutschen Flugzeugwerke, vielleicht mit Ausnahme von Junkers, 1933 eigentlich lediglich "Versuchsabteilungen" der jeweiligen Konstrukteure waren. Zu größeren Produktionslosen weder Willens noch in der Lage waren.
Irgendwo ist mir mal untergekommen wie beeindruckt Heinkel bei einem Besuch Ende der 20er von den Boeing-Werken in Seattle war.

Während man zB in der Panzerproduktion auf die Lokomotiv-Fabriken zurückgreifen konnte, die relativ einfach ihre Produktion auf die Panzer umstellen konnten, war dies bei der Flugzeugproduktion nicht möglich.
Wesentlich geringere Produktionstoleranzen, andere Materialien usw. usf. erforderten völlig neue Produktionsstätten, einschließlich der genannten Werkzeugmaschinen.

Was aber nicht nur für Deutschland galt. General Motors zB ist mit der Produktion eines eigenen Bombers ganz gewaltig auf den Bauch gefallen. Die Vereinfachungen die man der Großserie meinte zu schulden, ließen das Ding praktisch Flugunfähig werden. Indem sich Produktionstechniken des Automobilserienbaus eben nicht auf den Flugzeugbau umsetzen lassen. Auch hier kommen die Werkzeugmaschinen ins Spiel, sind aber keineswegs Alleinverantwortlich.

Was Ford schon im 1.WK feststellte, als er eine ähnliche Pleite mit dem Bau eines U-Bootjägers, der dann nicht mal seetüchtig war, hinlegte.
 
Immer mehr wunder ich mich wie Deutschland den 2 WK so lange führen konnte.

Egal ob Rekrutierungsfähigkeiten oder Rüstungsgütern war man ja seinen Gegnern massiv unterlegen.
 
Meine Mutter hat einige Angriffe auf Berlin selbst miterlebt. Obwohl sie einmal den Abschuss einer britischen Maschine bei Nacht beobachtet hat, wollte sie mir Jahrzehnte später die Aussage, "die Amerikaner kamen am Tag, die Briten bei Nacht" nicht abnehmen. Ihre Replik: "Wie konnten die Engländer denn so viele Flugzeuge bauen?"

Die Frage ist in der Tat nicht ganz unbegründet. Mit weniger als 30% der Einwohnerzahl der USA erreicht die "wertmäßige Produktion" von GB beim Bau von Bombern 70% der der USA, bei schweren Bombern sind es noch 50% (Berechnung so kompliziert wie ungenau).

Das hat meiner Ansicht nach folgende Gründe:
1) Für GB war der Bau von (schweren) Bombern DIE zentrale Rüstungsaufgabe
2) Die Logistikkette funktionierte lückenlos
3) Die Allokation der Produktionsmittel und die Produktion selbst erfolgte absolut professionell

Gegenüber Deutschland liegt die britische "wertmäßige Produktion" von Bombern bei 250%. Was außer den ganzen oben angeführten Argumenten auch daran gelegen haben dürfte, dass die Hauptbelastung der deutschen Kriegführung nun mal der Landkrieg war.

Bei meinen Zahlen handelt es sich wie gesagt um grobe Berechnungen. Genauere Zahlen sind sicher möglich, dürften aber massiv Arbeit machen (außer es steht so schon irgendwo). Das kann ich mit meinen Mitteln nicht leisten.

Grüße, Holger
 
Ausgelieferte Kampfflugzeuge Großbritannien,
1938 - 1939 - 1940 - 1941 - 1942 - 1943 - 1944:

Schwere Bomber (4-mot): 0 -0 -41 -498 - 1976 -4615 - 5507
Mittlere Bomber: 160 - 758 - 1926 - 2277 - 3463 - 2737 - 2396
Leichte Bomber: 538 - 1079 - 1521 - 1393 - 814 - 376 - xxx

Jäger: 371 - 1324 - 4283 - 7064 - 9849 - 10727 - 10730
Aufklärer: 38 - 61 - 387 - 196 - 546 - 1054 - 1123
Transporter: 0 - 0 - 0 - 0 - 0 - 209 - 889
Marineflugzeuge: 286 - 509 - 476 - 1232 - 1082 - 1720 - 2939

Postan, British War Production, Anlage 4, S. 484 - 485 (aufgliedert nach Monaten)
 
Immer mehr wunder ich mich wie Deutschland den 2 WK so lange führen konnte.

Egal ob Rekrutierungsfähigkeiten oder Rüstungsgütern war man ja seinen Gegnern massiv unterlegen.
Liegt wohl unter anderem daran, dass die Franzosen nicht wirklich Krieg führen wollten und deshalb mehr oder weniger aufgaben und später die Alliierten erst einmal zusammenfinden mussten.
 
Zu der oben angeschnittenen Frage der Arbeitsproduktivität noch ein interessantes Beispiel (Hetzer, Die Industriestadt Augsburg, in: Broszat/Fröhlich/Grossmann, Bayern in der NS-Zeit III - Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, S. 128):

"Die Messerschmidt AG bietet ein markantes Beispiel für das seit 1942 bei zahlreichen Unternehmern und leitenden Angestellten der Wirtschaft wachsende Desinteresse an einer weiteren Beteiligung oder gar Verstärkung der Kriegsanstrengungen. ... oder sie fürchteten im Falle des Sieges Konsequenzen für die Wirtschaftsstrukturen und die Besitzverhältnisse. Die Verweigerung gegenüber der nationalsozialisitischen Befehlswirtschaft äußerte sich in der Hortung von Arbeitskräften, Maschinen und Materialien - möglicherweise, um nach der Stunde Null eine bessere Ausgangsbasis zu gewinnen. Es ist bezeichnend, dass in der Clique um den Altparteigenossen Walter Knappich, die die Maschinenfabrik Keller&Knappich beherrschte, diese "Rückversicherungspolitik" ihre extremste Form annahm [NS-Akten, Lagebericht NSDAP Kreisleitung Augsburg-Land für den Mai 1944]. Kennezichnend für diese Absetzbewegung von Führungskräften war das Abwälzen von Verantwortung auf Untergebene ebenso wie die Flucht ins Private, die vielfach Züge ausgesprochenen Lebenshungers trug. ... Im Gegensatz dazu stand die Einsatzbereitschaft der Stammarbeiter."
 
Zu der oben angeschnittenen Frage der Arbeitsproduktivität noch ein interessantes Beispiel (Hetzer, Die Industriestadt Augsburg, in: Broszat/Fröhlich/Grossmann, Bayern in der NS-Zeit III - Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, S. 128):

"Die Messerschmidt AG bietet ein markantes Beispiel für das seit 1942 bei zahlreichen Unternehmern und leitenden Angestellten der Wirtschaft wachsende Desinteresse an einer weiteren Beteiligung oder gar Verstärkung der Kriegsanstrengungen. ... oder sie fürchteten im Falle des Sieges Konsequenzen für die Wirtschaftsstrukturen und die Besitzverhältnisse. Die Verweigerung gegenüber der nationalsozialisitischen Befehlswirtschaft äußerte sich in der Hortung von Arbeitskräften, Maschinen und Materialien - möglicherweise, um nach der Stunde Null eine bessere Ausgangsbasis zu gewinnen. Es ist bezeichnend, dass in der Clique um den Altparteigenossen Walter Knappich, die die Maschinenfabrik Keller&Knappich beherrschte, diese "Rückversicherungspolitik" ihre extremste Form annahm [NS-Akten, Lagebericht NSDAP Kreisleitung Augsburg-Land für den Mai 1944]. Kennezichnend für diese Absetzbewegung von Führungskräften war das Abwälzen von Verantwortung auf Untergebene ebenso wie die Flucht ins Private, die vielfach Züge ausgesprochenen Lebenshungers trug. ... Im Gegensatz dazu stand die Einsatzbereitschaft der Stammarbeiter."


Ob das jetzt schon 1942 abgegangen ist, würde ich in Frage stellen.
Fakt ist aber, dass zB bei Daimler-Benz 44/45 verdeckte Vorbereitungen für eine Friedensproduktion getroffen wurden.
Jeder Industriekapitän (-Manager) der nicht verrückt war, wird doch 1944 gesehen haben, dass der Ofen aus war. Jedes andere Verhalten wäre da verwunderlich.

Bei Messerschmitt kam natürlich dazu, dass die einiges an Fehlentwicklungen zu verantworten hatten. Nach der Me110 war eigentlich alles Edel-Schrott.
Den "Blitzbomber" Me262 hat ja auch keineswegs Hitler zu verantworten, sondern Willy Messerschmitt persönlich.
Der ihn aus wirtschaftlichen Gründen Hitler so andiente.
 
Zitat: "The conclusion reached is the damage inflicted upon Germany by the strategic air offensive imposed a very heavy financial burden on Britain that she could not afford and this burden was a major contributor to Britain`s post-war impoverishment."

Der Bomberkrieg eine große, unsinnige Maschinerie, die sinnlos Geld verbrannt hat!? In Bezug auf die effektive Ausschaltung der Infrastruktur zur Erzeugung von Benzin, Diesel etc. kann ich der Argumentation grundsätzlich nicht folgen.

Es gab wenige Aktionen, die im Krieg einen längeren und effektiveren Hebel aufwiesen wie die Zerstörung der Treibstoff-Infrastruktur im Jahr 1944 durch alliierte Bomber, wäre meine Vermutung.

In Bezug auf die sinnlose Bombardierung von Städten, im Rahmen des "Terrorbombings" jedoch jederzeit.

In diesem Sinne waren die Kosten unsinnig, weil die falsche strategische Konzeption, sehr traditionell ala Douhet, vorlag?
 
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Zitat: "The conclusion reached is the damage inflicted upon Germany by the strategic air offensive imposed a very heavy financial burden on Britain that she could not afford and this burden was a major contributor to Britain`s post-war impoverishment."

Der Bomberkrieg eine große, unsinnige Maschinerie, die sinnlos Geld verbrannt hat!? In Bezug auf die effektive Ausschaltung der Infrastruktur zur Erzeugung von Benzin, Diesel etc. kann ich der Argumentation grundsätzlich nicht folgen.

In Bezug auf die sinnlose Bombardierung von Städten, im Rahmen des "Terrorbombings" jedoch jederzeit.


Sagen wir mal so:
Die haben 1940 angefangen mit Schrot zu schießen, weil sie mit der Kugel nichts trafen.
1944 haben sie dann mit der Kugel getroffen.
Aber sie hatten so "verflucht viele" Schrotflinten.
 
Der Bomberkrieg eine große, unsinnige Maschinerie, die sinnlos Geld verbrannt hat!? In Bezug auf die effektive Ausschaltung der Infrastruktur zur Erzeugung von Benzin, Diesel etc. kann ich der Argumentation grundsätzlich nicht folgen.

Es gab wenige Aktionen, die im Krieg einen längeren und effektiveren Hebel aufwiesen wie die Zerstörung der Treibstoff-Infrastruktur im Jahr 1944 durch alliierte Bomber, wäre meine Vermutung.

Grundsätzlich sehe ich das genauso.

Die Offensiven 1944 bzgl. Infrastruktur iwS lagen allerdings bei der US-AAF. Da müßte man in der Wirkungen noch differenzieren.

Interessant finde ich den Ansatz und die Fragestellung. Ausgeblendet wird die Effektivität hinsichtlich Bindung sehr großer deutscher personeller und materieller Ressourcen im Luftkrieg. Das geht aber stark in Richtung "what if".

Ich habe mir die Arbeit auch noch nicht im Detail angeschaut.
 
Herzlichen Dank, silesia, für den Hinweis auf diese Arbeit.

Die Arbeit behandelt im ersten Teil differenziert die Entwicklung des britischen strategischen Denkens in Bezug auf den Bombenkrieg, von der Auswahl Frankreichs als des typischen Gegners in den 20er-Jahren über die Verlagerung des Focus auf Deutschland, etwa 1930, ausgelöst durch Ereignisse wie die öffentlichen Feiern, unter Regierungsbeteiligung, des Abzugs der französischen Besatzungstruppen aus dem Rheinland, bis zum Review des luftstrategischen Denkens ab etwa 1931.

Der Air Staff lieferte der Regierung 1932 eine Abschätzung, dass Deutschland die Fähigkeit habe, tägliche Angriff auf London zu planen, bei denen 600 - 1000 to Bomben abgeworfen werden könnten, gelegentlich steigerbar auf 3500 to-Angriffe.

Zu diesem Zeitpunkt gab es keinen deutschen Bomber in der geheimen deutschen Luftrüstungsplanung, der London hätte mit signifikanter Bombenzuladung angreifen können.

Der Air Staff lieferte der Regierung als Merkzahl " 50 casualties per ton of bombs dropped because it (this number) was easily remembered".

Aus diesen Zahlen leitete die britische Regierung ab, dass es in den ersten sechs Monaten eines Krieges gegen Deutschland 600.000 Tote und 1.200.000 Verletzte allein durch deutsche Bombenangriffe geben könne und plante die Breitstellung von 2.800.000 Krankenhausbetten.

Der Verfasser meint, die von ihm ermittelten Quellen zeigten deutlich dass der britische Air Staff die tatsächlichen Möglichkeiten eines Bombenkriegs nicht wirklich ernsthaft evaluiert hat. Er hält es für merkwürdig, dass die britische Regierung die vom Air Staff vorgelegten Zahlen ohne ernsthafte Prüfung akzeptiert hat.

Wahrscheinlich war das Umdenken von einem bisher geplanten Luftkrieg mit Kurzstreckenbombern gegen Nordfrankreich auf einen weiter entfernten Gegner so gravierend, dass hier doch sehr stark Douhet'sche Phantasien ohne ein wirklich generalstabsmäßige Durcharbeitung eingeflossen sind.

Ixh bin gespannt auf die weitere Lektüre der Arbeit.
 
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