Beide Argumente (Gewicht/Jetstream) wurden
nicht zur "Entlastung" der Leistungsdaten der B-29 (zB hinsichtlich der Motoren vorgetragen, sondern wurden bei dem in Rede stehenden Konzeptwechsel direkt in eine Erhöhung der Bombenlast pro B-29 eingespeist. Der Wegfall von MG-Bewaffnung, Personal, Munition ebenso wie das Unterfliegen des Jetstreams brachten je +25% Bombenlast, so dass die jede B-29 beim Nachtangriff auf Tokio 50% mehr Bombengewicht als zuvor üblich trugen. Die Kapazitätserhöhung plus der gewonnen Präzision (die
Norden-Bomben-Zielgeräte ließen halbwegs zuverlässig nur die Einrechnung der Seitenwinde zu) sollte zu höheren Effekten führen, ebenso wurden die Bombenarten entsprechend für Flächenbombardements gegen die zuvor übliche Zuladung der high-explosives getauscht.
Dieser Hinweis - das nicht die Gewichtsentlastung, sondern die Substitution der Gewichte zugunsten der Bombenlast betrieben wurde - deutet darauf, dass es nicht um die unter den Pazifik -Bedingungen eventuell ungenügende Flugleistung beim Konzeptwechsel ging. Zudem gewinnt man den Eindruck, dass das "strategische 3,5-Milliarden-Programm" der B-29 unbedingt noch zu einem kriegswichtigen Ergebnis geführt werden sollte. Diese Feststellung ist zynisch, aber man wird dieses Motiv bei den handelnden Personen nach den Akten wohl nicht ausschließen können.
Quelle: siehe oben.
Nicht mangelnde Flugleistungen der B-29 waren das Problem, sondern mangelnde Zuverlässigkeit der Triebwerke. Das führte dazu, dass ein erheblicher Teil der Flugzeuge bei den "Präzisionsangriffen" aus großer Höhe mit ausgefallenen Motoren vor Erreichen der Ziele umkehren musste, manchmal 25%.
Einen wesentlichen Aspekt der Taktikänderung, der auch großen Einfluss auf die Triebwerksfrage hatte, habe ich noch nicht angesprochen. Ab dem 9. März 1945 flogen die Flugzeuge von den Marianen nach Japan in einer Höhe von nicht mehr als 2.000 ft. Erst bei Erreichen der japanischen Inseln, wenn also bereits etwa 35-40% des Kraftstoffs verbraucht war, stiegen sie auf die innerhalb des Verbandes gestaffelten Angriffshöhen zwischen 5.000 ft. und 9.000 ft. Die Dauer des Steigflugs während der gesamten Mission war also sehr stark abgekürzt, insbesondere die Steigflugzeit, in der das Gewicht noch in der Nähe der Startmasse lag. Das führte auch zu einem geringeren Verbrauch für die Mission, was die Entfernung eines Tanks und damit eine Erhöhung der Zuladung erlaubte.
Was den jet-stream anbelangt, den die Piloten bis dahin noch nirgendwo erlebt hatten, so war dieser nicht im Sinne eines Gegenwindes von Bedeutung, den man "unterfliegen" wollte, sondern als ein Scherwindeffekt, der einerseits die anfliegenden Flugzeuge auseinander führte, wenn ein Teil in den hinsichtlich Vorkommen, Höhe, Richtung und Geschwindigkeit nicht prognostizierbaren jet-stream geriet, andererseits den Bombenschützen stark behinderte.
Es ist richtig, dass das Norden-Bombsight zwar theoretisch zu sehr präzisen Abwürfen fähig war, dass dies aber während des Zweiten Weltkriegs fast nirgendwo erreicht wurde.
Bei manchen Angriffen auf deutsche Ziele erreichte ein Verband eine Trefferquote von 80% innerhalb eines 1.000 ft.-Rings um das Ziel, bei anderen fielen 90% der Bomben weit entfernt. Das hatte unterschiedliche Gründe.
Bombsights wurden unter Druck ohne hinreichende Qualitätskontrolle ausgeliefert oder sie waren unzureichend gewartet. Dies musste oft von den Besatzungen übernommen werden, da es keine qualifizierten Ground-Crews gab, die Besatzungen verfügten aber selbst nicht über die nötigen Kenntnisse zur Wartung der komplexen mechanischen Kreisel- und Lagersysteme. Ein weiterer Grund scheint die mangelhafte Ausbildung der Bombenschützen an diesem komplex zu bedienenden Gerät gewesen zu sein, denn da, wo man einen "Master-Bomber" einsetzte, waren die Ergebnisse in der Regel besser. Dabei benutzte nur der Bombenschütze eines Flugzeuges das Bombsight und gab den übrigen den Befehl zum Abwurf. (Auch muss man den bekannten Effekt des "creeping-back" bei Verbandsabwürfen unter schwerer Flakabwehr berücksichtigen; auf Fehlabwürfe dadurch hat das Bombsight keinen Einfluss).
Bei den Angriffen der B-29 aus großer Höhe kam noch anderes hinzu.
Die Erprobung des Bombsight war nur in Höhen bis 20.000 ft. erfolgt, jetzt flog man auf 30.000 ft., die Falldauer und damit der mögliche Ablagewert steigen also stark an.
Die Flugbahn der Bombe hängt von ihren aerodynamischen Eigenschaften ab, und die wechseln je nach der Form der Bombe und sogar deren Anstrich. Bombenbezogene Eingabedaten für das Bombsight bekamen die Bombenschützen für ihre jeweilige Mission aber nicht.
Hinzu kam: Die Bomben erreichten bei den Angriffen aus dieser Höhe beim Fall Überschallgeschwindigkeit, und 1945 wußte niemand, wie man dafür eine Flugbahnrechnung macht.
Waren diese Einflüsse schon schwierig genug, so kam über Japan noch das Scherwind-Problem durch den jet-stream hinzu. Wurde die Bombe im jet-stream abgeworfen, so änderte sich bei ihrem Austritt aus dem jet-stream die Wind-Komponente für die Flugbahnberechnung plötzlich um bis zu 200 km/h. Mit solchen Scherwinden konnte das Norden-Bombsight nicht fertig werden, denn sie lagen weit außerhalb seiner Auslegungsspezifikationen.
Auf diese Weise hatte der jet-stream einen massiven Einfluss auf den Misserfolg der sog. "Präzisionsangriffe" aus großer Höhe und die Notwendigkeit einer Taktikänderung.