Apropos: Bei de Troy habe ich immer den Eindruck, als ob die Personen auf seinen berühmten Genregemälden ähnlich wie auf Uniformtafeln alle die gleichen Gesichter haben. Woran liegt das?
Ich nehme an, Du meinst Jean-François de Troy, den Sohn des berühmten Portraitisten François de Troy, der sowohl Historienmaler als auch Genre-Maler war. (Bsp.: Ausschnitt aus
Le Déjeuner de chasse)
Um die großen Augen erklären zu können, müssen zunächst zwei Dinge betrachtet werden:
1. Was waren die Ideale des Rokoko, d.h. wie wollte der Rokoko-Adel dargestellt werden?
Unschuldig, légère, verspielt, ja kindisch, was sich auch in den beliebten Maskeraden wiederspiegelt hat. Im Gegensatz zu heute war ein unschuldiges Aussehen nicht nur bei Frauen erwünscht, sondern auch bei Männern. Viele französische Gemälde der Ära zeigen Menschen als süße kleine Figuren, die in der Landschaft herumtollen; Frauen und Männer.
2. Was sind die visuellen Attribute des Kindes?
Die kindliche Proportionen; beim Gesicht das sog. »Kindchenschema«, ein Schlüsselreiz, der Beschützerinstinkte aber auch sexuelle Begierde auslösen kann (auch bei Tieren, wie z.B. bei Hunden übrigens). Das Kindchenschema bei Frauengesichtern ist auch heute begehrt, z.B. bei Fashion-Models. Wesentliche Elemente des Kindchenschemas sind u.a. 1. die Höhe der Augen unterhalb der Kopfhälfte und 2. proportional übergroße Augen.
Und genau Letzteres haben manche Künstler der Rokoko-Malerei entdeckt und als Stilmittel angewendet. Selbstverständlich blieben solche Dinge das ›Berufsgeheimnis‹ des Künstlers, sodass es den abgebildeten Personen gar nicht so richtig bewusst war, warum sie ihr Abbild derart entzückte.
Soweit ich weiß, kam dieser Trend von Boucher, der als Erster konsequent große Augen malte, wenn er gefallen wollte. Zahlreiche seiner Zeichnungen bezeugen aber, dass er sich sehr wohl der realistischen Gesichtsprortionen bewusst war.
Jean-François de Troy war ein weit weniger begnadeter Portraitist als sein Vater, mit dessen Hilfe er schnell aufgestiegen war. Seine Qualität bestand in erster Linie in der Schnelligkeit, mit der er Aufträge ausführte, was eine gewisse Uniformität der Gesichter erklärt. Hinzu kam die oben beschriebene Befolgung von Gesichtsschemen, plus (v.a. bei ihm) die etwas weiter auseinanderstehende Augen (genauso wie heute in der Modebranche äußerst beliebt), sowie der Schlafzimmerblick; ein Ausdruck von Vornehmheit.(Bsp.:
Le Déjeuner d’huître)
War das einfach wie bei Boilly einfach nur ein gewisser Tick des Malers? Bei Boilly hat man ja den Eindruck, dass seine Personen auf den Genregemälden alle deswegen so große Augen haben, weil seine erste Frau solche scheinbar tatsächlich hatte. Denn auf Boillys zahlreichen vorzüglichen Porträts finden sich ja diese übergroßen Augen auch nicht.
Genauso übrigens bei Boilly, dem ›Glupschaugen-Maler‹, der allerdings ein recht heterogenes Werk hinterlassen hat. Es existieren von ihm Bilder, auf denen die Gesichter erstaunlich schlecht gezeichnet sind, andererseits aber auch äußerst realistische Darstellungen, mit denen er den ›Photorealismus‹ des 19. Jhs. vorwegnimmt, im Gegensatz zu diesem aber noch ohne, auf Photographien zurückgreifen zu können.