Ist es nicht eigentlich eher so, dass der Sozialistische Realismus vor allem in der Malerei und Bildhauerei sehr stark durch die SU vorgeprägt war? Und dass man als Künstler in der DDR geradewegs gezwungen war, zumindest wenn man als solcher sein Auskommen haben wollte, sich der Staatsdoktrin in Sachen Kunst zu unterwerfen?
Die Voraussetzungen für die Ausbildung der bildenden Kunst in der Anfangszeit der "SBZ"/DDR waren komplex und widersprüchlich. So beschreibt Dietrich (S, 390ff) die Ambivalenz der gesellschaftlichen Realitäten in der "SBZ", denen sich die Kunst stellen sollte und sofern sie es spiegelnd tat, wurde ihr vorgehalten, dass sie negativ in ihren Aussagen sei.
Die individuelle Reaktion mancher Künstler bestand darin, "Blumensträuße" zu malen, um diesem Widerspruch zu entgehen und ihre Kunst zu entpolitisieren.
Zeitgleich wurde im März 1947 die Gruppe "Das Ufer" gegründet, die sich den Themen Arbeitswelt und Arbeiter zugewendet haben. Das von Müller 1948 gemalte Bild, "Die erste Schicht" wurde als der künstlerische "Inkunabel" (Ursprung) begriffen, der stilbildend für den sozialistischen Realismus werden sollte.
Das Ufer (Künstlergruppe) – Wikipedia
"Diese Künstlergruppen konnten zunächst durchaus darauf vertrauen, dass die Freiheit des künstlerischen Schaffens gewahrt blieb, wie es von der SED im Januar 1948 formuliert worden war. Wie aber die viel beschworene Kunst einer neuen Gesellschaft aussehen sollte, darüber herrschte keine Einigkeit." (Dietrich, S. 391-392)
Allerdings zeigte sich zu diesem Zeitpunkt bereits der Widerspruch zwischen der SED und den Künstlern, die der SED nahe standen. Die SED präferierte die künstlerische Ausformung, die unter Stalin in der UdSSR dominant war, während die SED-nahen "SBZ-Künstler" in Teilen eine eigenständige Ästhetik präferierten.
In diesem Kontext mahnte Ackermann im Mai 1948 die SED, eine gewisse Zurückhaltung in Bezug auf die "eigenen Künstler" zu zeigen.
Im Gegenzug machten parteilinentreue Künstler bereits im September 1948 mobil und wandten sich gegen diesen klugen und passiven Kurs, der von Ulbricht unterstützt wurde.
Dabei wurden künstlerische und individuelle Interessen aufs bunteste vermischt. "Auf dieser ideologischen Welle schwamm mancher zweit- oder drittklassige Künstler zu bisher nicht gekannten Aufträgen und Ansehen." (ebd. S. 393)
Was damit gesagt werden soll ist, dass es nicht einfach eine Übernahme gab, sondern neben der staatlichen Linie auch eine gewisse Eigenständigkeit. Wie im folgenden kurz gezeigt.
Sozialistischer Realismus war dem Blut-und-Boden-Realismus der Nazis sehr ähnlich:
Nein, so einfach war das Verhältnis sicherlich nicht. Die Künstler und Intellektuellen in der DDR waren für die SED immer ein komplizierter Partner, der sich nicht immer einfach vor den Karren der Partei hat spannen lassen. Obwohl viele von ihnen mehr oder minder überzeugte Sozialisten waren.
DDR-Kunst geht weit über "Staatskunst" hinaus | DW | 05.09.2019
Dietrich, Gerd (2019): Kulturgeschichte der DDR. Band I Kultur in der Übergangsgesellschaft 1945-1957. 3 Bände. Göttingen: Vandenhoeck et Ruprecht