Die Lieder wurden für einen kleinen Kreis von Grafen und Königen gespielt, das Nibelungenlied wird auf etwa 1190 datiert, Parzival auf nach 1203 (Erwähnung der Belagerung Erfurts), es liegt also ein gutes Jahrzehnt zwischen der Entstehung der beiden Texte.
Meist wird das Nibelungenlied eher auf das frühe 13. Jhdt. datiert. Philipp von Schwaben wurde jedenfalls erst 1196 Herzog von Schwaben und 1198 König. (Edit: Das "Küchenmeisteramt" hat er laut Wikipedia vermutlich 1202 geschaffen.)
Und was den "kleinen Kreis" betrifft: Es erschien nicht als Hörspiel, das sich die Grafen aus dem Internet herunterladen konnten. Da musste schon eine ganze Weile vergehen, bis Wolfram davon ausgehen konnte, dass die Figur des Rumold seinen adligen Hörern bekannt war.
Deine Behauptung, die Nibelungen-Dichtung sei außer Mode geraten und hätte nur noch Dichter in der Peripherie interessiert dürfte mit den Zitaten ad acta gelegt sein. [...] Woraus schließt du das? Hast du erhaltene Äußerungen von seiten des Publikums, die du uns vorenthältst? Warum ignorierst du, dass die Blüte des Nibelungen- und Dietrichsstoffs mit der Blüte der mhd Epik und Lyrik korrespondiert?"
Das schließe ich aus dem Umstand, dem Du und die anderen hier immer ausweichen: Wieso schrieben Wolfram und alle seine bekannten Kollegen aus West- und Zentraldeutschland nur Werke über den Artusstoff, wenn der Nibelungenstoff noch so populär war? Und wieso entstanden die Bearbeitungen des Nibelungenstoffes des 13. Jhdts. (Nibelungenlied, Thidrekssaga, Lieder-Edda) alle in (von Frankreich und Westdeutschland aus gesehen!) peripheren Gebieten? In Gebieten, in denen Artusbearbeitungen erst später entstanden?
Das mit den Zitaten habe ich in Beitrag #88 erklärt.
Nach dem Motto "Upps, da war ja noch was..."?
So ähnlich lief es zu etwa derselben Zeit auch mit dem wiedererwachten Interesse an den Autoren der Antike abseits von Vergil und Aristoteles. Oder waren Homer, Cicero, Plautus & Co. etwa auch zwangsläufig das ganze Mittelalter hindurch populär und vielgelesen, weil sie in der Renaissance wieder populär waren?
Daran krankt doch deine ganze Argumentation, an der Behauptung, dass Passau und Wien "Randgebiete" gewesen seien.
Willst Du abstreiten, dass sie es vom Herkunftsgebiet und von der Verbreitungsrichtung des Artusstoffes aus gesehen waren?
Es haben dich mehrere Mitschreiber deiner Auffassung nach falsch verstanden, das kann ja nicht allein daran liegen, dass die Empfangsanlagen falsch eingestellt waren.
Na jedenfalls habe ich nie behauptet, dass Passau in Deutschland geographisch peripherer lag als Aachen, wie mir u. a. unterstellt wurde.
Aber die beiden Rotbewerter (wer auch immer sie nun wirklich gewesen sein mögen) z. B. waren möglicherweise eher damit beschäftigt, möglicherweise ihre Kommentare für die fast zeitgleichen Bewertungen zum selben Beitrag inhaltlich und von der Wortwahl her (13:15: "gib doch einfach mal zu, das andere recht haben."; 13:28: "Du würdest mehr Größe zeigen, wenn du einmal zugeben könntest, dass du im Unrecht bist.") aufeinander abzustimmen als meine Beiträge ordentlich zu lesen.
Rûmolt ist der Beleg dafür, dass Parzival aus dem Nibelungenlied zitiert haben muss.
Oder dafür, dass sie schon in älteren Vorlagen existierte, die beide Dichter kannten (und aus denen sie eventuell - freilich nicht wortwörtlich - zitierten).
Die Intention der Kontroverse um eine Nebenfigur im NL (Rumolt) verstehe ich noch nicht so ganz.
Es geht um die Frage, ob man aus der beiläufigen Erwähnung des Rumold im "Parzival" ableiten kann, dass der Nibelungenstoff im frühen 13. Jhdt. in ganz Deutschland beim Publikum noch genauso populär war wie der Artusstoff.
Attila als Hunnenkönig mischte die Welt seiner Zeit ganz ordentlich auf, kein Wunder, dass er posthum jahrhundertelang für Sagenstoff Anlaß bot - nach meiner Kenntnis verarbeitet die Artus-Epik der altfranzösischen sowie mittelhochdeutschen Literatur keine solchen "weltgeschichtlichen" Figuren.
Ja und nein - irgendwie beides.
Natürlich vermischen beide Stoff- und Themenkreise völkerwanderungszeitliche und zeitgeschichtliche Elemente. Aber ich halte es für einen Unterschied, dass der NL-Stoff "weltgeschichtlich" bedeutende Themen verwendet, während der Artus-Ursprung eher "regional" wurzelt. Einen brit.-röm. Warlord, der kurzfristig der sächsischen Ausbreitung Widerstand leistete, aber nirgendwo genauer überliefert ist (man weiß ja nicht allzuviel vom historischen Ar[c]turius), halte ich für ein doch anderes Thema als einen Hunnenkönig, der biz zu den katalaunischen Feldern vordrang. Ohne deswegen eine Kontroverse zu beginnen: ich halte das für einen Unterschied in der Wahl des Personals der literarischen Verarbeitungen.
Eine weltgeschichtliche Figur ist Artus natürlich nicht - zumal man ja nicht einmal weiß, ob und wer tatsächlich hinter der Sagenfigur stand. Aber für Britannien (das vom Hunnensturm unberührt blieb) war Artus trotzdem die zentrale Figur, und seine Taten wurden noch gewaltig aufgebauscht - bis hin zur Unterwerfung Westeuropas und einem Feldzug gegen Rom. Ob die Dichter des Hochmittelalters sich noch darüber im Klaren waren, dass Etzel in der historischen Realität die weitaus wichtigere Figur war?