Ein ganz wichtiger Punkt, der einen bestimmten Teil des Führungskorps der Wehrmacht angeleitet hat.
Drei Überlegungen:
1. ist der beschriebene Antibolschewismus und Nationalismus (und die klare Einstellung in der Reichswehr/Wehrmacht zur "Ostrevision" der Nachkriegsordnung des Ersten Weltkrieges) in seiner Wirkung auf den Feldzug zu relativieren, weil sich eine ganz pragmatische, vertrauliche und von Teilen befürwortete Zusammenarbeit mit der Roten Armee ergeben hat?
2. Sind die ex-ante-Hemmungen zum Kommissarbefehl (die sich mit Feldzugsbeginn aufweichten) - "das hätte es im Alten Reich nicht gegeben" - gerade der älteren Militäreliten nicht ein Widerspruch bzw. stellen die Übertragbarkeit dieser Gedanken auf die Kriegspraxis 1941 in Frage? Besteht hier eine Spirale vom Polenfeldzug über den Balkanfeldzug (mit gewissen und bekannten Ausnahmen wurde der Westfeldzug vergleichbar 1914 geführt) zum Ostfeldzug? Mehrere Studien weisen auf eine nochmalige Brutalisierung der Kriegführung im Verlauf der Wochen ab 22.6.1941 hin, die wehrmachtseitig im Scheitern des Blitzkrieges kulminierte.
3. Inwieweit wurde die Wehrmacht durch Mittäterschaft, Mitwissen, Deckung und Hilfestellung bei den Massenmorden im Osten "korrumpiert", die übrigens ihrerseits im Laufe der Wochen in dem Sinne "eskalierten" (wenn man das überhaupt so ausdrücken kann), dass zunächst männliche Zivilisten, erst später dann auch gezielt Frauen und Kinder dem Massenmord zum Opfer fielen?
@silesia
Erlaube mir bitte kursorisch zu antworten, denn alle drei Teilfragen wären nur mittels Dissertationen fundiert beantwortbar.
ad 1)
Antibolschewismus und Nationalismus waren die Schnittmengen, auf die sich die alten Eliten und die neuen Eliten des ns Regimes einigen konnten, inkl. der Revision des VV.
ad 2)
Ja, eine solche "Brutalisierungssprirale" kann konstatiert werden, auch in der von Dir angenommenen Reihenfolge Polenfeldzug => Balkankrieg => Krieg gegen die UdSSR. Diese "Brutalisierungsspirale" innerhalb der Wehrmacht wurde auch innenpolitisch flankiert.
ad 3)
Mal abgesehen von dem banalen Hinweis, daß ohne die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht, die von Dir angesprochenen Verbrechen nicht möglich gewesen wären. Müßte ich das Thema bearbeiten, ich würde die Telex-Verteillisten und Rundschreiben-Verteilerlisten auswerten und da käme einiges zusammen:
Ab Division aufwärts:
- die Kommandeure
- die Ia, Ib, Ic, Id, inkl. ihrer Mitarbeiter
- die Feldgendarmerie
- die GFP
- alle Verbindungsoffiziere (zur Polizei, SS, SD, zivilen Dienststellen)
- Feldkommandanturen und nachgeordnete Einheiten bzw. Dienststellen
- OKW, OKH, OKL (bzw. RLM), SKL bzw. OKM und alle nachgeordneten Dienststellen und Einheiten
- die Nachrichtentruppe
- tw. die Militärjustiz
Es sind nicht wenige, die auch innerhalb der WM Informationen hatten.
M. :winke: