Gegenkaiser
Gesperrt
Wo stehen heute die meisten altägyptischen Obelisken? ...Weit gefehlt, nicht etwa im Land am Nil, sondern in der ewigen Stadt Rom! Acht sind es an der Zahl, dazu bereichern weitere fünf aus römischer Produktion das antike Stadtbild. Sie zieren die prächtigsten Plätze der Stadt, wie den Petersplatz vor dem Petersdom, die neoklassische Piazza del Popolo oder den Vorplatz des altehrwürdigen Pantheons. Fast alle sind weit älteren Datums als ihre heutige Heimstätte und die gewaltigen Dimensionen der größten unter ihnen nötigen dem Betrachter immer noch Respekt ab. Ihre bewegte Geschichte spiegelt den Kreislauf von Aufstieg und Zerfall menschlicher Macht und Kultur wieder: Geschlagen aus ägyptischem Granit ragten die Obelisken vor den wichtigsten Heiligtümern Altägyptens scheinbar zeitlos in den Himmel bis die römischen Kaiser als die neuen Herren des Landes keine Kosten und Mühen scheuten, die mächtigen Monolithen niederzulegen und nach Rom zu verschiffen. Dort mit großem Pomp wieder aufgestellt zeugten die steinernen Pfeiler jahrhundertelang von der Allmacht und dem Glanze Roms, bis sie mit dem Niedergang des Weltreichs in den Staub fielen und vergessen wurden. Erst mit dem neu erwachten Interesse am antiken Erbe stiegen sie wie ein Phoenix aus der Asche auf: im Auftrag der Renaissance-Päpste wurden die meist zerbrochenen Riesenstelen lokalisiert, restauriert und in technisch höchst aufwendigen Operationen zu ihren heutigen Standorten über die Stadt verteilt bewegt. Dank erhaltener Stiche und Beschreibungen wissen wir über die damals zum Einsatz gekommene Hochtechnologie gut Bescheid. Wesentlich dünner ist aber leider die Quellenlage bezüglich der Frage, wie die Römer die mehrere hundert Tonnen schweren Obelisken quer über das weite Mittelmeer transportieren konnten. Zweifelsohne handelte es hierbei um eine organisatorische und technische Spitzenleistung, denn derlei schweres Gut wurde weder zuvor noch danach, bis in das Dampfschiffzeitalter hinein, über das offene Meer geschifft. Wie konnten die Römer diesen Schwertransport bewerkstelligen?
Die römischen Schiffbaumeister konnten bei ihren Überlegungen sicherlich an den reichen Erfahrungsschatz ihrer Vorgänger anknüpfen. Da die Monolithen aus den Granit-Steinbrüchen im oberägyptischen Assuan gewonnen wurden, bot sich ein Wassertransport über den Nil an die stromabwärts liegenden pharaonischen Metropolen seit frühester Zeit geradezu zwingend an. Ein einziges erhaltenes Relief, im Tempel der bekannten Königin Hatschepsut, vermittelt uns ein anschauliches Bild solch eines Obeliskentransports: es zeigt den fertig zugeschlagenen Obelisken auf dem Deck einer riesigen, flußabwärts treibenden Barke liegend. Aus der ptolemäischen Epoche ist erstmals dokumentiert der Gebrauch von Doppelschiffen, Katamaran-gleichen Wasserfahrzeugen mit zwei parallelen Rümpfen, zwischen denen der Steinblock an einem überspannenden Gerüst im Wasser aufgehängt wurde (Armin Wirsching schreibt diese Erfindung wenig plausibel bereits den alten Ägyptern zu). Damit war den griechischen Konstrukteuren der entscheidende Durchbruch gelungen, denn auf diese Art und Weise ließ sich das spezifische Gewicht der Monolithen gegenüber der Decklagerungsvariante auf ein Drittel drücken!
Als die Römer unter Augustus bis an den Nil vordrangen, dürften sie von dieser Konstruktionsweise aus erster Hand erfahren haben, denn noch kurz zuvor hatte Königin Kleopatra einen Obelisken bis hinunter nach Alexandria schaffen lassen. Die Schiffbauerfahrungen der Griechen wie der Pharaonen vor ihnen beschränkten sich allerdings auf den reinen Flußtransport, bei dem man sich von der Nilströmung treiben ließ. Zwar berichten die antiken Autoren von dem Staunen, den die gewaltigen Obeliskenschiffe bei ihrer triumphalen Ankunft in Rom auslösten, wo sie dauerhaft als Schauobjekte ausgestellt wurden, aber über die baulichen Veränderungen, die die Römer für die Fahrt über das offene Meer vornehmen mussten, schweigen sie sich aus. Gleichwohl lassen sich anhand der Anforderungen einer solchen Fahrt, der Hypothese von Wirsching folgend, die wesentlichen Konstruktionsmerkmale ermitteln. Auf dem Meer bedurfte es zur Fortbewegung des Segelantriebs, der wohl durch einen Ruderbetrieb ergänzt wurde, wie es in der Antike vor allem bei Kriegsschiffen üblich war. Da aber die Masten bei Katamaranen konstruktionsbedingt nur in der zentralen Längsachse aufgestellt werden können, dieser Platz jedoch durch die Gerüstaufhängung für den Obelisken blockiert war, postuliert Wirsching ein weiteres Schiff, das mittig vor den Katamaran gestellt wurde, und das sowohl die Besegelung als auch die Rudermannschaften trug. Dieses Schiff war das Zugschiff, während das dahinter befindliche, doppelt so breite Obeliskenschiff als Lastschiff fungierte. Für diese Annahme spricht nach Wirsching auch, daß das Schiff nur so die für die Meeresfahrt notwendige hydrodynamische Form besessen haben könnte. Wie auch immer die Obeliskenschiffe genau ausgesehen haben, fest steht, daß die Römer den maritimen Schwertransport für Jahrhunderte sicher beherrschten, denn der letzte, unter Konstantin dem Großen im 4. Jahrhundert beförderte Obelisk, der Lateranense, ist mit 32 m und geschätzten 500 t der größte und schwerste überhaupt in Rom.
Lit.: A. Wirsching: „How the Obelisks Reached Rome: Evidence of Roman Double-Ships”, in: The International Journal of Nautical Archaeology (2000), Bd. 29.2, S. 273–283
Die römischen Schiffbaumeister konnten bei ihren Überlegungen sicherlich an den reichen Erfahrungsschatz ihrer Vorgänger anknüpfen. Da die Monolithen aus den Granit-Steinbrüchen im oberägyptischen Assuan gewonnen wurden, bot sich ein Wassertransport über den Nil an die stromabwärts liegenden pharaonischen Metropolen seit frühester Zeit geradezu zwingend an. Ein einziges erhaltenes Relief, im Tempel der bekannten Königin Hatschepsut, vermittelt uns ein anschauliches Bild solch eines Obeliskentransports: es zeigt den fertig zugeschlagenen Obelisken auf dem Deck einer riesigen, flußabwärts treibenden Barke liegend. Aus der ptolemäischen Epoche ist erstmals dokumentiert der Gebrauch von Doppelschiffen, Katamaran-gleichen Wasserfahrzeugen mit zwei parallelen Rümpfen, zwischen denen der Steinblock an einem überspannenden Gerüst im Wasser aufgehängt wurde (Armin Wirsching schreibt diese Erfindung wenig plausibel bereits den alten Ägyptern zu). Damit war den griechischen Konstrukteuren der entscheidende Durchbruch gelungen, denn auf diese Art und Weise ließ sich das spezifische Gewicht der Monolithen gegenüber der Decklagerungsvariante auf ein Drittel drücken!
Als die Römer unter Augustus bis an den Nil vordrangen, dürften sie von dieser Konstruktionsweise aus erster Hand erfahren haben, denn noch kurz zuvor hatte Königin Kleopatra einen Obelisken bis hinunter nach Alexandria schaffen lassen. Die Schiffbauerfahrungen der Griechen wie der Pharaonen vor ihnen beschränkten sich allerdings auf den reinen Flußtransport, bei dem man sich von der Nilströmung treiben ließ. Zwar berichten die antiken Autoren von dem Staunen, den die gewaltigen Obeliskenschiffe bei ihrer triumphalen Ankunft in Rom auslösten, wo sie dauerhaft als Schauobjekte ausgestellt wurden, aber über die baulichen Veränderungen, die die Römer für die Fahrt über das offene Meer vornehmen mussten, schweigen sie sich aus. Gleichwohl lassen sich anhand der Anforderungen einer solchen Fahrt, der Hypothese von Wirsching folgend, die wesentlichen Konstruktionsmerkmale ermitteln. Auf dem Meer bedurfte es zur Fortbewegung des Segelantriebs, der wohl durch einen Ruderbetrieb ergänzt wurde, wie es in der Antike vor allem bei Kriegsschiffen üblich war. Da aber die Masten bei Katamaranen konstruktionsbedingt nur in der zentralen Längsachse aufgestellt werden können, dieser Platz jedoch durch die Gerüstaufhängung für den Obelisken blockiert war, postuliert Wirsching ein weiteres Schiff, das mittig vor den Katamaran gestellt wurde, und das sowohl die Besegelung als auch die Rudermannschaften trug. Dieses Schiff war das Zugschiff, während das dahinter befindliche, doppelt so breite Obeliskenschiff als Lastschiff fungierte. Für diese Annahme spricht nach Wirsching auch, daß das Schiff nur so die für die Meeresfahrt notwendige hydrodynamische Form besessen haben könnte. Wie auch immer die Obeliskenschiffe genau ausgesehen haben, fest steht, daß die Römer den maritimen Schwertransport für Jahrhunderte sicher beherrschten, denn der letzte, unter Konstantin dem Großen im 4. Jahrhundert beförderte Obelisk, der Lateranense, ist mit 32 m und geschätzten 500 t der größte und schwerste überhaupt in Rom.
Lit.: A. Wirsching: „How the Obelisks Reached Rome: Evidence of Roman Double-Ships”, in: The International Journal of Nautical Archaeology (2000), Bd. 29.2, S. 273–283
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