Ravenik
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So weit bin ich ja einverstanden, nur nicht mit dem Zusammenhang von "Säkularisierung" und "Entmystifizierung" mit dem Verschwinden von Menschenopfern. Wenn man nicht (mehr) glaubt, dass Jupiter irgendetwas mit Regen zu tun hat, wieso sollte man ihm dann ein Tier opfern? Auch das wäre doch Verschwendung.Mit den Begriffen "Säkularisierung" und "Entmystifizierzng" soll ausgedrückt werden, dass viele Menschen nicht mehr an die Allmacht der Götter glaubten und ihr geheimnisvolles Wirken in einem nüchternerem und kühlerem Licht sahen. Die alten römischen Staatsgötter waren erstarrt und die symbolische Opferung lediglich eine leere Geste geworden.
Nicht umsonst kamen daher Mysterienreligionen aus Vorderasien in Mode, die breiten Bevölkerungsschichten eine neue Spiritualität eröffneten, zum Teil mit der Hoffnung auf Erlösung und ein Weiterleben nach dem Tode.
Ein Rückgriff auf Menschenopfer fand dennoch nicht mehr statt, denn darüber war die Zeit hinweggegangen.
Die Erklärung mit der symbolischen Opferung mag für die späte Republik und die Kaiserzeit hinhauen, aber Menschenopfer waren schon viel früher aus der Mode gekommen. Menschenopfer wie im 2. Punischen Krieg waren seltene Ausnahmen, grundsätzlich waren in der historisch fassbaren Zeit keine Menschenopfer mehr üblich. Umgekehrt aber zeigt die Opferung von Menschen im 2. Punischen Krieg, dass damals der Glaube an die Macht der Götter noch lebendig gewesen sein muss, sonst hätte man nicht zu derart ausgefallenen Maßnahmen schreiten müssen, um eine Kriegswende herbeizuführen. Unterm Strich zeigt das also, dass auch in einer Zeit, als der Glauben an die Götter noch lebendig war, trotzdem bereits Tieropfer klar überwogen. Man kam also bereits in einer Zeit, als man den Göttern sehr wohl noch Einfluss auf die menschlichen Geschicke zuschrieb, von Menschenopfern ab.
Außerdem sollte man aus der Erstarrung des Staatskults und der Verbreitung von Mysterienkulten nicht schließen, dass der Glaube an die alten Götter generell abhanden gekommen war. Im privaten Bereich blieb bei vielen die Verehrung auch traditioneller Götter durchaus lebendig, wie zahlreiche Votivgaben (z. B. für Aesculapius) und das Klagen der Gelehrten über die zunehmde Verbreitung der "superstitio" (also die private naiv-abergläubische, oft mit magischen Ritualen verbundene Verehrung von Göttern im Gegensatz zu den hehren öffentlichen Ritualen) zeigen. Über die gelebte Religiosität im landwirtschaftlich-ländlichen Raum wissen wir ohnehin nur sehr wenig.