Handelszentrum Rom
Den Begriff der „Globalisierung“ sollte man m.E. nach bei solchen „Vergleichen“ unbedingt außen vor lassen. Er ist bestenfalls „missverständlich“ und – je nach Publikum - sogar ideologisch aufgeladen und damit weitgehend unbrauchbar! Das Römische Reich pflegte einen Güteraustausch den man keinesfalls Global, oder auch nur wirklich „Interkontinental“ - im engeren Sinne - nennen könnte. Der Begriff „International“ wiederum verbietet sich ebenfalls aufgrund der Tatsache, dass es damals keine Nationen im heutigen Sprachgebrauch (oder jenem des 18. Oder 19. Jhts.) gab. Die ganze antike (besser vorindustrielle) Wirtschaftsform(en) litt unter der Tatsache, dass Transport aus heutiger Sicht so überaus teuer war. Handel über weite Strecken konnte deshalb nur lukrativ sein, wenn es Luxushandel war, oder Handel mit essentiellen Rohstoffen. Der günstigste antik/vorindustrielle Warentransport verlief über Wasserstraßen: Also über Meere und Flußsysteme hinweg.
Rom lag sehr lange eher weitgehend abseits des „transmediterranen“ Handelsverkehrs und war nicht mehr als vielleicht ein Knotenpunkt „inneritalischen“ Handels gewesen, ehe es sich zum Imperium ausweitete. Es besaß über lange Zeit nicht einmal einen bedeutenden Hafen und wurde entsprechend spät eine Seemacht.
Weiterhin lässt sich das „römische Handelssystem“ kaum mit späteren Zeiten vergleichen. Wie schön machen sich auf Karten die imperialen „Handelswege“: Getreide aus Tunesien und Ägypten, Olivenöl aus Spanien, Purpur aus dem Nahen Osten… Das assoziiert völlig falsche Vorstellungen! Ich greife den vielleicht wichtigsten Aspekt einmal heraus, ergänzend zu dem von Agricola bereits erwähnten:
Ägypten lieferte „preisgünstiges Getreide“ nicht, weil es hervorragende „Standortvorteile“ besaß um im Gegenzug vielleicht Olivenöl (etwa aus Spanien) einzuführen, sondern einzig und allein deshalb, weil es von Rom unterworfen worden war! Hart formuliert: Aus Macht- & Alternativlosigkeit. Rom legte unterworfenen Provinzen (wie auch Klientelstaaten, oder besiegten Feinden etc.) schlicht einen Tribut auf. Rom hatte den „Standortvorteil“ Anlieferziel von Tributen weit verstreut liegender Provinzen zu sein, für welches es nicht zahlen musste. Einzige „laufende Investition“ war es, ein genügend schlagkräftiges Heer unterhalten zu „müssen“, mit dem es seinen Anspruch bei Bedarf durchsetzen konnte! Die römischen Kaiser oder Politiker hatten also gut „öffentliches Getreide“ in Rom zu verteilen, das sie „nichts kostete“ und ein „laufender Gewinn“ der (einmaligen) Eroberung war. Rom musste einzig den Transport aus Ägypten weg finanzieren, doch dies „privatisierte“ man erfolgreich durch „privilegierten Handel“, wie in folgendem Zitat beschrieben (von der site ostia-antica.org). Im Gegenzug für die Verpflichtung der „Seefahrer“ einige für den Staat kostenlose Fahrten mit Tributen zu unternehmen, erhielten die „privaten Organisatoren“ etwa Steuervorteile oder andere Privilegien, durch die sie privatwirtschaftliche Gewinne erwirtschaften konnten. Den „Staat“ kosteten solche Privilegien vorderhand erst einmal nichts, dafür „verzichtete“ er in der Zukunft auf ihm ansonsten zustehende Abgaben bei „laufendem Betrieb“ der Händler/Organisatoren. Im weitesten Sinne „Privilegienhandel“ blieb kennzeichnend auch noch für mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handel, auch wenn dieser eher nicht Teil eines „Tributsystems“ war. Auch der „innerrömsche Handel“ war natürlich nicht einzig auf diese Form des „Handels“ beschränkt…
Part of the export to Rome was organised by the Emperors, for example the transport of grain for free distributions. The Emperors preferred not to draw up contracts with individual people and therefore organised the trade through guilds, corpora (but only part of the trade: the part for which the Emperor was responsible). In Arles five guilds of navicularii are documented, the navicularii marini Arelatenses corporum quinque. The guilds should not be compared to mediaeval guilds. Their purpose was a better organization of the Imperial export and import.
Ostia - A Mediterranean Port
Es war Sache der Provinzen, wie sie die ihnen auferlegten Tributleistungen aufbringen konnten. Natürlich musste vor Ort die „kostenlose Nachfrage Roms“ organisiert werden, was wohl nur durch Ausweitung der Produktion über den bisherigen Bedarf hinaus möglich war. Wenn man so will „stimulierte Rom“ die provinziale Wirtschaft also auch über das Tributsystem – Wer denkt da nicht an den Aufstand Germaniens unter Arminius gegen Varus, als dieser begann von den Germanen Steuern (= Tribute) einzuziehen? In einem Land, das vorher fast ausschließlich von Subsistenzwirtschaft geprägt war!
Die Tribute waren vielleicht die wichtigste „Stimulanz“ für den Wirtschaftsstandort Rom und Teile Italiens – für einen längeren Zeitraum. Man kann sich leicht vorstellen, wie sich vor diesem Hintergrund in spätrepublikanisch- frühkaiserlicher Zeit die Investition in kapitalintensive Wirtschaftsformen in Italien besonders lohnte… Während die Selbstversorgung in Italien weitgehend unrentabel wurde. Aber die Menschen in Italien waren ja von der Kopfsteuer befreit und konnten ihre Arbeitskraft anders einsetzen – mussten auch beschäftigt werden, wollte der Staat keine Unruhen riskieren… Man erkennt nun die weit reichenden Wechselwirkungen eines Wirtschaftssystems, das „Nachfrage“ sowohl in den Herkunftsländern der Tribute, wie auch in deren Zielorten stimulierte. Das alles nur als einen besonderen, wenn auch m.E. zentralen Aspekt in den unterschiedlichen Wirtschaftsformen damaliger und heutiger Zeit… Der Begriff der „Globalisierung“ kann somit nur unbrauchbar sein.
Nachtrag:
Um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen. Tributforderungen waren in der Antike und später ein völlig normaler Teil der Politik aller Mächtigen. Egal ob die Handelnden nun "Römer", Assyrer oder ein mittelalterlicher, europäischer König waren. Im geschilderten Umfang und Dauer, sowie in der Weitläufigkeit ihrer Organisation nimmt Rom wohl eine Spitzenstellung darin ein. Tribut war in diesem Sinne ein Teil der "Beute" eines erfolgreichen Kriegszuges! Alle imperialen Mächte waren mehr oder weniger besonders erfolgreich in diesem Sinne tätige "Unternehmer"...