Arne
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Paul von Lettow-Vorbeck gilt als Vorzeigeheld der kolonialfreundlichen Geschichtsschreibung. Ein geborener, ritterlicher Soldat mit höchsten militärischen Auszeichnungen, den es in seiner Dienstzeit von Deutschland über China, Südwestafrika nach Deutsch-Ostafrika geführt hat - bis zu seiner umjubelten Rückkehr 1919 unter das Brandenburger Tor, als unbesiegter Führer der letzten kämpfenden deutschen Truppen.
Anschließend setzt er sich stur dafür ein, daß seine Askaris den ausstehenden Sold und eine kleine Rente gezahlt bekommen. Auch die Bundesregierung erkennt das später an und zahlt bis 1972.
Von seinen Einheiten verehrt und vom Gegner respektiert - so weit, daß General Smuts nach 1945 eine Sammlung organisierte um Lettow-Vorbeck einen anständigen Lebensabend zu gewährleisten, nachdem er Haus, Söhne und Heimat in Pommern verloren hatte. Zu seiner Beerdigung 1964 sprach der Bundesverteidigungsminister und aus Ostafrika wurden ehemalige Askaris eingeflogen.
Jahrzehntelang wurden nach ihm Kasernen benannt und seine Kriegführung wurde als "erste Guerillastrategie" Offizieren weltweit nahe gebracht. In einer Zeit wo viele Offiziere nur "Hurrah! Attacke!" kannten, schaffte er es mit einer Taktik des "Zuschlagen und Absetzen" eine erheblich größere Gegnermacht zu binden und immer wieder empfindlich zu schwächen. Und das obwohl er vom Nachschub abgetrennt agieren mußte und sich nur aus dem Lande oder vom Feind versorgen konnte.
Ein sauberer Held, durch und durch? Wo sind die Flecken auf der Weste?
Es sind zwei Dinge, die im angekreidet werden:
1) Sein Verhalten als Freikorpsführer in den Wirren der jungen Weimarer Republik: Seine Beteiligung bei der Niederschlagung der sogenannten "Sülze-Unruhen" in Hamburg.
"Sülze-Unruhen - Mit den Mäusen zum Ragout
Während der Arbeiter- und Soldatenrat mangels Rückhalt in der Bevölkerung am 23. März 1919 die rote Flagge vom Hamburger Rathaus einholen musste, brachen am 23. Juni jenes Jahres blutige Unruhen aus, die ihre Ursache nicht im Kommunistischen Manifest oder bei revolutionären Matrosen, sondern in der angeblichen Delikatess-Sülze hatten, die der Fabrikant Jacob Heil den hungernden Arbeitslosen, entlassenen Soldaten und Zuwanderern aus dem Umland ohne Lebensmittelmarken für drei bis fünf Mark das Pfund verkauft hatte.
Als vor seiner Fabrik an der Kleinen Reichenstraße beim Entladen ein Fass zerbrach, dessen Inhalt bestialisch stank, drang die Menge in die Räume ein und sah, dass die Sülze hauptsächlich aus Kadavern von Hunden, Katzen, Ratten und Mäusen hergestellt worden war. Jacob Heil wurde gehörig verprügelt und in die Alster geworfen, von der Obrigkeit aber schnell geborgen und im Rathaus in Sicherheit gebracht.
Die Volkszorn kochte über, als auch in anderen Sülzefabriken keine hygienischeren Zustände vorzufinden waren. Rathaus, Stadthaus und Strafjustizgebäude wurden gestürmt, Gefangene befreit.
Der ehemalige Ostafrika-General Paul von Lettow-Vorbeck (geb. 20. März 1870 in Saarlouis, gest. 9. März 1964 in Hamburg), der mit 10 000 Freikorps-Kämpfern, 30 Geschützen und gepanzerten Wagen unter den Kaiserfarben Schwarz-Weiß-Rot einzog, schlug die Unruhen nieder.
Es gibt alte Hamburger, die haben seit 1919 keine Sülze mehr angerührt. Der Volksmund dichtete Schillers "Lied von der Glocke" um:
" . . . heute muss die Sülze werden,/ frisch, Gesellen, geht zur Hand./ . . . Nehmt nun Fleisch vom Katzenbalge,/ tut auch Ratten dann hinzu/ und dann kocht das edle Ganze/ mit den Mäusen zum Ragout . . ." (mj) "
Quelle: Hamburger Abendblatt, 25. Jun 2002 http://www.abendblatt.de/daten/2002/06/25/39677.html
Das hätte man ihm sicher schnell verziehen. Punkt 2 wog schwerer:
2) Seine Beteiligung am "Kapp-Putsch" (http://de.wikipedia.org/wiki/Kapp-Putsch)
Zusammen mit anderen Offizieren stellte er sich gegen die demokratisch, gewählte Regierung und wurde nach dem Fehlschlag aus dem aktiven Dienst entlassen.
Der Offizier hat sich gegen seinen Dienstherrn gestellt - aus persönlicher Überzeugung gegen seinen vorherigen Eid gehandelt. Das wäre heute kein Problem, man billigt das jedem Offizier zu, nicht gegen seine Überzeugung zu handeln und den Befehl zu verweigern - aber sich gegen die Regierung zu stellen. Nein, das ist nicht tolerabel. Das ist der schwarze Fleck auf Lettows Weste.
Aber eines kann man ihm sicher nicht vorwerfen: Mit den Nationalsozialisten paktiert zu haben. Angebote Hitlers in die NSDAP einzutreten oder ein neu zu gründendes Reichskolonialministerium zu leiten, hat er abgelehnt. Auf seinen Vortragsveranstaltungen hat er anscheinend auch nicht dem Regime nach dem Mund geredet.
Im Kirchenlexikon wird dazu ausgeführt: Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler begrüßte Lettow-Vorbeck, lehnte aber mehrfach das Angebot ab, in die NSDAP einzutreten. Nach und nach fiel er in Ungnade bei den Machthabern. Zur Beisetzung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg wurde er nicht eingeladen. Das Angebot Hitlers, die Leitung eines Reichskolonialministeriums zu übernehmen, lehnte Lettow-Vorbeck entschieden ab. Er hielt aber bis 1938 weiter Vorträge, in denen er für die Rückgabe der Kolonien eintrat. Obwohl die auch zu Hitlers Programm gehörte, suchte der alte General keine Zusammenarbeit mit dem NS-Regime. Im Gegenteil dürften seine Vorträge auch Kritik an den herrschenden Verhältnissen beinhaltet haben. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte am 21. Januar 1938 über Lettow-Vorbeck in seinem Tagebuch: "Auch so ein Reaktionär!" Einige Tage später schrieb er: "Lettow-Vorbeck stänkert gegen den Staat und gegen die Partei. Ich lasse ihm das öffentliche Reden verbieten." Nachdem er wieder öffentlich reden durfte, vermied Lettow-Vorbeck verbale Attacken auf Staat und Partei, sondern befasste sich ausschließlich mit Kolonialfragen und Kriegserinnerungen."
Quelle: Biografisch-Bibliografisches Kirchenlexikon
http://www.bautz.de/bbkl/l/lettow_vorbeck_p.shtml
Lettow-Vorbeck war kein untadeliger Held und darf nicht in allem ein Vorbild sein, es ist erlaubt und richtig auch seine Fehler zu nennen. Aber wer fair ist, sieht auch, daß es wohl keine untadeligen Helden gibt und Lettow-Vorbeck ziemlich nah dran gewesen ist...
Biografische Websites:
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/LettowVorbeckPaul/
http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_von_Lettow-Vorbeck
http://www.deutsche-schutzgebiete.de/lettow-vorbeck.htm
http://dikigoros.150m.com/lettowvorbeck.htm
Anschließend setzt er sich stur dafür ein, daß seine Askaris den ausstehenden Sold und eine kleine Rente gezahlt bekommen. Auch die Bundesregierung erkennt das später an und zahlt bis 1972.
Von seinen Einheiten verehrt und vom Gegner respektiert - so weit, daß General Smuts nach 1945 eine Sammlung organisierte um Lettow-Vorbeck einen anständigen Lebensabend zu gewährleisten, nachdem er Haus, Söhne und Heimat in Pommern verloren hatte. Zu seiner Beerdigung 1964 sprach der Bundesverteidigungsminister und aus Ostafrika wurden ehemalige Askaris eingeflogen.
Jahrzehntelang wurden nach ihm Kasernen benannt und seine Kriegführung wurde als "erste Guerillastrategie" Offizieren weltweit nahe gebracht. In einer Zeit wo viele Offiziere nur "Hurrah! Attacke!" kannten, schaffte er es mit einer Taktik des "Zuschlagen und Absetzen" eine erheblich größere Gegnermacht zu binden und immer wieder empfindlich zu schwächen. Und das obwohl er vom Nachschub abgetrennt agieren mußte und sich nur aus dem Lande oder vom Feind versorgen konnte.
Ein sauberer Held, durch und durch? Wo sind die Flecken auf der Weste?
Es sind zwei Dinge, die im angekreidet werden:
1) Sein Verhalten als Freikorpsführer in den Wirren der jungen Weimarer Republik: Seine Beteiligung bei der Niederschlagung der sogenannten "Sülze-Unruhen" in Hamburg.
"Sülze-Unruhen - Mit den Mäusen zum Ragout
Während der Arbeiter- und Soldatenrat mangels Rückhalt in der Bevölkerung am 23. März 1919 die rote Flagge vom Hamburger Rathaus einholen musste, brachen am 23. Juni jenes Jahres blutige Unruhen aus, die ihre Ursache nicht im Kommunistischen Manifest oder bei revolutionären Matrosen, sondern in der angeblichen Delikatess-Sülze hatten, die der Fabrikant Jacob Heil den hungernden Arbeitslosen, entlassenen Soldaten und Zuwanderern aus dem Umland ohne Lebensmittelmarken für drei bis fünf Mark das Pfund verkauft hatte.
Als vor seiner Fabrik an der Kleinen Reichenstraße beim Entladen ein Fass zerbrach, dessen Inhalt bestialisch stank, drang die Menge in die Räume ein und sah, dass die Sülze hauptsächlich aus Kadavern von Hunden, Katzen, Ratten und Mäusen hergestellt worden war. Jacob Heil wurde gehörig verprügelt und in die Alster geworfen, von der Obrigkeit aber schnell geborgen und im Rathaus in Sicherheit gebracht.
Die Volkszorn kochte über, als auch in anderen Sülzefabriken keine hygienischeren Zustände vorzufinden waren. Rathaus, Stadthaus und Strafjustizgebäude wurden gestürmt, Gefangene befreit.
Der ehemalige Ostafrika-General Paul von Lettow-Vorbeck (geb. 20. März 1870 in Saarlouis, gest. 9. März 1964 in Hamburg), der mit 10 000 Freikorps-Kämpfern, 30 Geschützen und gepanzerten Wagen unter den Kaiserfarben Schwarz-Weiß-Rot einzog, schlug die Unruhen nieder.
Es gibt alte Hamburger, die haben seit 1919 keine Sülze mehr angerührt. Der Volksmund dichtete Schillers "Lied von der Glocke" um:
" . . . heute muss die Sülze werden,/ frisch, Gesellen, geht zur Hand./ . . . Nehmt nun Fleisch vom Katzenbalge,/ tut auch Ratten dann hinzu/ und dann kocht das edle Ganze/ mit den Mäusen zum Ragout . . ." (mj) "
Quelle: Hamburger Abendblatt, 25. Jun 2002 http://www.abendblatt.de/daten/2002/06/25/39677.html
Das hätte man ihm sicher schnell verziehen. Punkt 2 wog schwerer:
2) Seine Beteiligung am "Kapp-Putsch" (http://de.wikipedia.org/wiki/Kapp-Putsch)
Zusammen mit anderen Offizieren stellte er sich gegen die demokratisch, gewählte Regierung und wurde nach dem Fehlschlag aus dem aktiven Dienst entlassen.
Der Offizier hat sich gegen seinen Dienstherrn gestellt - aus persönlicher Überzeugung gegen seinen vorherigen Eid gehandelt. Das wäre heute kein Problem, man billigt das jedem Offizier zu, nicht gegen seine Überzeugung zu handeln und den Befehl zu verweigern - aber sich gegen die Regierung zu stellen. Nein, das ist nicht tolerabel. Das ist der schwarze Fleck auf Lettows Weste.
Aber eines kann man ihm sicher nicht vorwerfen: Mit den Nationalsozialisten paktiert zu haben. Angebote Hitlers in die NSDAP einzutreten oder ein neu zu gründendes Reichskolonialministerium zu leiten, hat er abgelehnt. Auf seinen Vortragsveranstaltungen hat er anscheinend auch nicht dem Regime nach dem Mund geredet.
Im Kirchenlexikon wird dazu ausgeführt: Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler begrüßte Lettow-Vorbeck, lehnte aber mehrfach das Angebot ab, in die NSDAP einzutreten. Nach und nach fiel er in Ungnade bei den Machthabern. Zur Beisetzung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg wurde er nicht eingeladen. Das Angebot Hitlers, die Leitung eines Reichskolonialministeriums zu übernehmen, lehnte Lettow-Vorbeck entschieden ab. Er hielt aber bis 1938 weiter Vorträge, in denen er für die Rückgabe der Kolonien eintrat. Obwohl die auch zu Hitlers Programm gehörte, suchte der alte General keine Zusammenarbeit mit dem NS-Regime. Im Gegenteil dürften seine Vorträge auch Kritik an den herrschenden Verhältnissen beinhaltet haben. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte am 21. Januar 1938 über Lettow-Vorbeck in seinem Tagebuch: "Auch so ein Reaktionär!" Einige Tage später schrieb er: "Lettow-Vorbeck stänkert gegen den Staat und gegen die Partei. Ich lasse ihm das öffentliche Reden verbieten." Nachdem er wieder öffentlich reden durfte, vermied Lettow-Vorbeck verbale Attacken auf Staat und Partei, sondern befasste sich ausschließlich mit Kolonialfragen und Kriegserinnerungen."
Quelle: Biografisch-Bibliografisches Kirchenlexikon
http://www.bautz.de/bbkl/l/lettow_vorbeck_p.shtml
Lettow-Vorbeck war kein untadeliger Held und darf nicht in allem ein Vorbild sein, es ist erlaubt und richtig auch seine Fehler zu nennen. Aber wer fair ist, sieht auch, daß es wohl keine untadeligen Helden gibt und Lettow-Vorbeck ziemlich nah dran gewesen ist...
Biografische Websites:
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/LettowVorbeckPaul/
http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_von_Lettow-Vorbeck
http://www.deutsche-schutzgebiete.de/lettow-vorbeck.htm
http://dikigoros.150m.com/lettowvorbeck.htm