Propaganda in der DDR (mündliches Abitur)

Bzgl. der Wirkungen habe ich ein etwas zwiespältiges Gefühl, wenn Propaganda als durchschaubar und offensichtlich, primitiv, platt, ggf. nervig und dumpf beschrieben wird.
Hier ein paar Beispiele der allgegenwärtigen Parolen die auf Transparenten von öffentlichen Gebäuden und Betrieben prangten. Da kann jeder selbst entscheiden ob ihn das beeindruckt hätte.

Ewige Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion
Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen
Waffenbrüder/ Klassenbrüder
Lenins Rat unsere Tat
30 Jahre Frieden- Dank Euch Ihr Sowjetsoldaten
Wo ein Genosse ist, da ist auch die Partei
Unser Arbeitsplatz-Kampfplatz für den Frieden
Unsere Kraft gilt der Realisierung der Beschlüsse des VII. Parteitages
Aus unseren Betrieben ist noch viel mehr herauszuholen

Die letzte Losung wurde sehr gründlich in die Tat umgesetzt denn jeder holte aus den Betrieben heraus was er gebrauchen konnte oder was es gerade nicht zu kaufen gab.
 
Da kann jeder selbst entscheiden ob ihn das beeindruckt hätte.
Die Wirkmächtigkeit im Abstimmungsverfahren heute zu klären, oder auch in der Perzeption 1989/90, ist wohl nicht der richtige Weg.
Da es Überzeugte dieser Floskeln gab, wäre die Frage: wie viele?:winke:

Die letzte Losung wurde sehr gründlich in die Tat umgesetzt denn jeder holte aus den Betrieben heraus was er gebrauchen konnte oder was es gerade nicht zu kaufen gab.

Das mag branchenabhängig natürlich schwanken. Inventuren und Bilanzen sind in der "DDR-Rechnungswesen-Welt" mit penibler Sorgfalt erstellt worden. Gerade für den Umbruchszeitraum 1989 mit Erosion der alten Ordnung hätte man - vom grünen Tisch aus betrachtet - erheblichen "Schwund" in den Inventar- und Lagerlisten erwarten können: fand man aber nicht in nennenswertem Umfang, wie ich Dir aus eigener Erfahrung in Breite bestätigen kann :winke:
 
Das kam natürlich darauf an, was in den Betrieben zu holen war und ob es überhaupt privat nutzbar war. In dem Malerbetrieb, in dem ich von 1978 bis 89 gearbeitet habe gab es keinen der je auch nur einen Liter Farbe im Laden gekauft hätte und zwar nicht nur für Privatzwecke sondern auch für die Schwarzarbeit nach Feierabend. Die Betriebsleitung verfuhr übrigens nicht anders und dadurch wurden die Inventuren am Jahresende passend gemacht.

Was die Überzeugten der Parolen betraf so waren sie in der breiten Masse eine absolute Minderheit. In einer Diktatur müsste man schon in die Köpfe schauen können um zu ergründen ob das, was gesagt wird mit dem, was gedacht wird übereinstimmt. Schaut man sich Straßenumfragen ,die westdeutsche Journalisten in der DDR durchführten an, so verfielen die Gefragten in der Regel in dieses sonderbare SED-deutsch um keine Schwierigkeiten zu bekommen. Im Normalleben sprach kein Mensch so. Auf die gleiche Weise wird noch heute in China auf Fragen westlicher Journalisten geantwortet. Das hat aber rein gar nichts mit deren wahrer Meinung zu tun.
 
Gerade für den Umbruchszeitraum 1989 mit Erosion der alten Ordnung hätte man - vom grünen Tisch aus betrachtet - erheblichen "Schwund" in den Inventar- und Lagerlisten erwarten können: fand man aber nicht in nennenswertem Umfang, wie ich Dir aus eigener Erfahrung in Breite bestätigen kann :winke:

Ein Erklärungsversuch: Das kann auch mit der überaus intelligenten Kreativität der Ersteller dieser Inventar- und Lagerlisten zu tun gehabt haben.
Irgendetwas muss ja nicht gestimmt haben, auch deshalb, weil bei permanenter Materialknappheit die Pläne ständig übererfüllt wurden.
 
Die DDR-Propaganda war total primitiv und dümmlich. Damit konnte kein vernünftig denkender Mensch beeindruckt werden. Bei der Machterhaltung konnte sie keine große Hilfe sein.

subtil finde ich eher die heutige Werbepsychologie und "Kaufpropaganda"
Die Frage stelle ich mir auch : Warum wirkte die DDR-Propaganda wie gewollt-und-nicht-gekonnt, wo doch eine gute Public-Relations-Firma in der Lage gewesen wäre, die Meinungsbildung wesentlich erfolgreicher zu gestalten.

Eigentlich hieße das doch, dass erfolgreiche Meinungsbildung nicht oberste Priorität war. Wenn aber nicht die - was dann ? Vielleicht hatte der Machterhalt der Leitenden Angestellten der DDR eine größere Wichtigkeit, denn jeder PR-Manager hätte als erstes Erich & Co durch kernigere Gestalten ersetzt.

War sich also vielleicht die DDR- bzw. SU-Führung bei der Installierung einer effektiven PR selbst im Weg ?
 
Die Frage stelle ich mir auch : Warum wirkte die DDR-Propaganda wie gewollt-und-nicht-gekonnt, wo doch eine gute Public-Relations-Firma in der Lage gewesen wäre, die Meinungsbildung wesentlich erfolgreicher zu gestalten.
Der größte Fehler der SED-Führung war, dass sie sklavisch alles übernahmen, was die Sowjetunion vorlebte. Nur waren die Mentalitäten der beiden Völker viel zu unterschiedlich. Ein russischer Arbeiter war wahnsinnig stolz wenn er eine Medaille oder ein Abzeichen für seine Arbeit bekam, in der DDR konnte man damit nur einige schlichte Gemüter begeistern. Ähnlich verhielt es sich mit der Propaganda. Was bei den Russen gut ankam musste nach dem Verständnis der SED natürlich auch bei den Deutschen wirken. Das war aber einer von vielen anderen Trugschlüssen.
 
...konnte man damit nur einige schlichte Gemüter begeistern. Ähnlich verhielt es sich mit der Propaganda.
So wie der Ausspruch Honeckers: "Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf." Weshalb so infantil? Dieser Satz hat natürlich einen geschichtlichen Hintergrund, in dem als Ochs oder Esel von Puttkamer gemeint gewesen sein soll, aber den preußischen Innenminister dürfte Honecker kaum gemeint haben. Das lässt vermuten, dass die verantwortlichen Entscheidungsträger in der DDR irgendwo im Deutschland vor 1933 geistig hängengeblieben sind.
 
Dieser Spruch nach dem Motto "reim dich oder ich fress dich" ist tatsächlich nicht sehr geeignet, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber sollte er das auch? Ich hab das immer für eine Anspielung auf das Christentum gehalten (Ochs und Esel > Stall von Bethlehem), also mehr Spott als Durchhalteparole.
 
Das lässt vermuten, dass die verantwortlichen Entscheidungsträger in der DDR irgendwo im Deutschland vor 1933 geistig hängengeblieben sind.
Das waren sie auch. Keiner von der oberen Führungsebene hatte eine besondere Bildung genossen. Ulbricht war Tischler und Honecker Dachdecker, der seine Lehre im Saarland nicht zu Ende absolviert hatte. (DDR- Witz: was heißt SED? -Saarländischer Exil-Dachdecker) Später besuchte er ein Jahr lang die internationale Leninschule in Moskau. Die russische Sprache beherrschte er aber nicht. Er hatte sich in den zwanziger Jahren von den kommunistischen Parolen begeistern lassen und glaubte offenbar dass die in den siebziger und achziger Jahren noch ebenso zünden. Auch als Redner war er eine einzige Katastrophe. Nicht nur wegen seiner Fistelstimme sondern weil er keine 2 Worte ohne einen Zettel frei sprechen konnte. Für ihn war es überaus wichtig, dass in den Nachrichten seine vielen Titel und Ämter alle vollständig genannt wurden.Das klang dann so: "Das Mitglied des Politbüros, erster Sekretär des Zentralkomitees der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der Vorsitzende des nationalen Verteidigungsrates, Genosse Erich Honecker empfing das Mitglied des... u.s.w.". Damit war schon die halbe Sendung oder die halbe Zeitung ausgefüllt. Offenbar glaubte er ernsthaft, dass das sein Volk gewaltig beeindruckt. Nervtötender ging Propaganda wirklich nicht.
 
Da stellt sich die Frage, wer die verantwortlichen Entscheidungsträger, die obere Führungsebene eigentlich fragen, welche Rolle die Struktur spielt, und welche Rolle Moskau in welchen Entscheidungen: also das System?

Eine polykratische Struktur?
 
Ich glaube nicht, dass ab den siebziger Jahren Moskau, bezüglich der Propaganda gefragt werden musste(Ausnahme bildete sicher die Begründung der russischen Hochrüstung). Wie in einer Fernsehdokumentation ehemalige Zeitungs-und Fernsehleute aussagten mischte sich Honecker persönlich bezüglich der Ausgestaltung und der Themen ein.
 
... also mehr Spott als Durchhalteparole.
Meinst Du nicht, Du gestehst Honecker zu viel der Ehre zu. Der Kerl war doch stocksteif und staubtrocken. Mir kommt das eher wie ein Flashback aus seiner Kindheit/Jugend vor. Da hat ihm mal jemand gesagt, das sei witzig. Er hat allerdings den Hintergrund nicht wirklich begriffen.
In Richtung Kirche muss sich Honecker sicher gefühlt haben, die war doch von der Stasi infiltriert. Zumindest muss ihm das der andere Erich gesteckt haben.

Für ihn war es überaus wichtig, dass in den Nachrichten seine vielen Titel und Ämter alle vollständig genannt wurden.Das klang dann so: "Das Mitglied des Politbüros, erster Sekretär des Zentralkomitees der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der Vorsitzende des nationalen Verteidigungsrates, Genosse Erich Honecker empfing das Mitglied des... u.s.w."
Man könnte fast denken, da ist wohl jemand im Feudalismus hängengeblieben. Die Jagdleidenschaft Honeckers ist wohl kein Argument dagegen. Nutzten er und Heinz Hoffmann nicht auch die Jagdhäuser Görings? Ein Schelm, wer... Nein, die Typen waren eher... Arrogant? Mir kommen sie immer wie böse Kinder vor, die im Sand spielten.
 
Ich denke die SED-Führungstruppe waren die Einzigen, die ihrer eigenen Propaganda glaubten, denn sie bekamen ja nur jubelnde Menschen vorgeführt, etwas anderes wollten sie gar nicht sehen. Sie glaubten wirklich, dass sie ein Land voller glücklicher Menschen regierten. Besuchte Honecker eine Stadt, so wurde er nur an Vorzeigestraßenzügen vorbeigefahren. Wenn er einmal die Wirklichkeit hätte sehen wollen so hätte er nur einmal eine andere Route kurzfristig befehlen können. Ich erinnere mich noch als er in unsere Stadt kam, da wurden zuvor schnell die heruntergekommenen und unbewohnbarenen Häuser an seiner Fahrstrecke mit einem Anstrich versehen und an die leeren Fenster Gardinen aufgehängt.
Was Honeckers Jagdleidenschaft betrifft so gelang ihm damit Breshnjew, der auch ein leidenschaftlicher Hirsch- Totschießer war, auf seine Seite zu ziehen und Ulbricht zu stürzen. Ulbricht war Skifahrer, hatte von der Jagd aber keine Ahnung. Der Förster des Staatsreviers erzählte einmal, dass Ulbricht es Honecker nachmachen wollte aber trotz Hilfestellung, statt des Wildes nur die Sonne traf.
 
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