Rechtsrheinische Siedeltätigkeit über 9 hinaus (und Waldgirmes)

Aber die Römerbegeisterung ist schon historisch. Hier hat man die Überreste einer germanischen Siedlung entdeckt. Eine Terra-Sigillata-Scherbe wird als Andenken aus den Überresten des nahen Anreppener Römerlagers interpretiert!

Und die Logik ist doch so bestechend: Da die Germanen keine Städte gekannt haben sollen, müssen unsere Städte alle römische Gründungen sein, außer natürlich Aachen, Paderborn und Bielefeld. Die ersten beiden sind vom großen Karl und Bielefeld ist Tarnung für die Außerirdischen. ;)
 
Es ist leider so, dass mancher diese doch eher lakonische Bemerkung Cassius' und der archäologische Befund Waldgirmes sehr strapaziert. Wie gesagt: 2*n, wobei n unbekannt bleibt. Bisher haben wir lediglich einen positiven Beleg für die Aussage. Daraus machen manche ein ganzes Siedlungsnetz.

Ich füge dem noch hinzu, dass es z.B. in Britannien in den ersten 30-40 Jahren nur sehr wenig ziviles Siedlungswesen gab, und nur recht früh eine Colonia (Camulodunum) und ein Municipium (Verulamium) gegründet wurden. Londinium war vielleicht von Beginn an ein Municipium, das wars. Später entwickelte sich noch einige große Zivilsiedlungen, doch keine davon sollte einen der beiden genannten Rechtstitel bekommen. Es war also nicht so, dass sofort nach der Eroberung alles massenhaft zivil aufgesiedelt worden wäre.

Ich denke, von dieser Vorstellung sollte man sich einfach lösen, zumindest gab es aus meiner Sicht keine "Blitzromanisierung". Auch am Rhein dauerte es einige Jahrzehnte, bis sich große Siedlungen römischen Charakters abseits der Militärlager entwickelten.
 
Wenn man den Erkenntnissen der Ethnologen und der Rechtshistoriker trauen darf, hätten römische Siedler nur dann eine Chance in Germanien gehabt, wenn sie sich einer der Ethnien als Stammesmitglied anschlossen. Oder sie begaben sich in den Schutz eines Mächtigen und damit in eine Form der Unfreiheit. Das sind ziemlich zeitlose Verhaltensweisen, die nicht nur in solchen Gesellschaften, mit denen sich die Ethnologie beschäftigt, vorkommen.

Logischer Gedanke. Aber es wäre evtl auch ohne gegangen.
Es scheint mir nicht unvorstellbar, dass Germanenfürsten in manchen Gegenden untereinander genauso verfeindet waren wie mit den Römern.
Das vorausgesetzt - warum sollte einer von denen die Milchkuh schlachten ? Vielleicht waren die Römer ein paar Nasenlängen voraus, was Bewirtschaftung von Böden, Lagerhaltung, Werkzeugherstellung und sonstiges betrifft. Da wäre es durchaus opportun gewesen, Sticheleien der neidischen Nachbarn ("Römerfreund", "Kollaborateur") hinzunehmen, wenn man dafür von den (inzwischen vermutlich deutlich konzilianter auftretenden) Römern profitieren konnte. Mit ausschließlich eigenen Leuten hätten sie vielleicht einfach deutlich weniger aus dem Boden herausgeholt. Also müssen nicht zwangsläufig alle Römer vertrieben oder umgebracht worden sein, sobald die militärische Deckung weg war.
 
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Ich denke mal, der Unterschied ist die Wirtschaftsweise. Römer mit Landbesitz ließen diesen von Sklaven bearbeiten , reltiv große Flächen , die Herrschaft wohnt zwar in der Nähe, aber doch getrennt. Germanen mit Landbesitz ließen den zwar auch z.T von Sklaven bearbeiten, aber nur so viel, wie man auch alleine, ohne Verwalter, überblicken kann, der Rest wurde "verpachtet", ein Teil der Pacht eben als Hand und Spanndienste. Zumindest in späterer Zeit, warum soll das 16 .nChr anders gewesen sein? Am Ende, nach dem die Armee weg ist, sind auch die Einnahmen aus den zugeiesenen Landgütern weg. Die Sklaven arbeiten da zwar weiter, nur der Ertrag geht in andere Taschen. Selbst wenn die Römer hätten da bleiben dürfen, einige mußten es wohl auch, worn sollte man dnach eine römische Siedlung von einer germanischen unterscheiden? Für den Unterhalt einer Villa Rustica fehlten schlicht die Sklaven und die Mittel. Da bleibt nur das bequeme germanische Langhaus oder im Winter erfrieren.
 
Ich hab da mal ne Fraaaaaaaage an LEG XVII und Wilfried: Die größten bekannten Schwarzerdegebiete liegen ja in der Ukraine. Die Ukraine war während des Zweiten Weltkrieges vom Deutschen Reich besetzt und hier sollte nach den Plänen der nationalsozialistischen Führung auf lange Sicht der "Gotengau" eingerichtet und Wehrbauern, insbesondere aus den Reihen der SS, angesiedelt werden. Nachdem die deutschen Truppen im Frühjahr 1944 aus der Ukraine zurückgeschlagen worden waren, wieviele deutsche Bauern siedelten da in der Ukraine? Habt ihr da Zahlen? Oder habt ihr Einwände gegen diese Analogiebildung? (Abgesehen davon, dass die Römer sicher keinen rassistisch motivierten Vernichtungskrieg führten.)
 
Ich denke, von dieser Vorstellung sollte man sich einfach lösen, zumindest gab es aus meiner Sicht keine "Blitzromanisierung". Auch am Rhein dauerte es einige Jahrzehnte, bis sich große Siedlungen römischen Charakters abseits der Militärlager entwickelten.

Was aber, wenn die Böden Germaniens das primäre Okkupationsziel gewesen wären? Dass die Römer aus Schwarzerde-Gebieten Gewinne erwirtschaften konnten zeigt die Wetterau ja deutlich, die Mehrkosten für die Ausbuchtung des Limes um die Wetterau (siehe Post #25) müssen ja auch irgendwie refinanziert worden sein, denn in puncto Grenzsicherung ist die Ausbuchtung ja schließlich extrem ungünstig.
Das Imperium hätte zwecks einer raschen landwirtschaftlichen Erschließung Veteranen Land anbieten können, die Veteranen kannten Germanien und wussten, wie gutes Ackerland sie dort erhielten. Veteranen konnten sich auch notfalls zur Wehr setzen, falls es durch die germanische Nachbarschaft doch einmal zu Feindseligkeiten kam. Und Veteranen waren als römische Bürger auch an das römische Steuersystem gewöhnt, dass sie Abgaben zu leisten hatten musste ihnen anders als den Germanen nicht erst beigebracht werden.
 
Ich hab da mal ne Fraaaaaaaage an LEG XVII und Wilfried: Die größten bekannten Schwarzerdegebiete liegen ja in der Ukraine. Die Ukraine war während des Zweiten Weltkrieges vom Deutschen Reich besetzt und hier sollte nach den Plänen der nationalsozialistischen Führung auf lange Sicht der "Gotengau" eingerichtet und Wehrbauern, insbesondere aus den Reihen der SS, angesiedelt werden. Nachdem die deutschen Truppen im Frühjahr 1944 aus der Ukraine zurückgeschlagen worden waren, wieviele deutsche Bauern siedelten da in der Ukraine? Habt ihr da Zahlen? Oder habt ihr Einwände gegen diese Analogiebildung?

Ja.


(Abgesehen davon, dass die Römer sicher keinen rassistisch motivierten Vernichtungskrieg führten.)

Eben. Besetzt zu werden ist das eine, Opfer eines rassistisch motivierten Vernichtungskrieges, der dem Ausdruck 'Barbarei' zu völlig neuen Dimensionen verhalf, zu sein ist etwas völlig anderes.
 
Mir allerdings geht es um den rein praktischen Aspekt. Deine Annahme ist ja, dass sich Römer dauerhaft auf dem fruchtbaren Löss zwischen Rhein und Weser oder sogar darüber hinaus (die Schwarzerdegebiete liegen alle östlich der Weser) angesiedelt hätten und auch nach den Verheerungen der Jahre 9-16 dort geblieben wären. Abgesehen von dem rassistischen Beweggrund den Krieg zu führen, sehe ich da sehr viele Gemeinsamkeiten mit der Besatzung der Ukraine (und geplanten Einrichtung eines "Gotengaus") im Zweiten Weltkrieg. Nichts würde mir ferner liegen, als den nazistischen Vernichtungskrieg zu trivialisieren, dennoch muss ich darauf noch ein wenig herumreiten, denn du scheinst dasselbe Szenario in dem einen Fall ("Gotengau") für unrealistisch anzusehen während du es in dem anderen Fall (Besiedlung der Magna Germania) mit Vehemenz verteidigst. Warum?
 
nein, el Quichote, obwohl ja vor der Eroberung schon Deutsche dort siedelten. Und was den Deutschen passieren würde, blieben sie, hat Stalin ja schon vor dem Krieg gezeigt,
also hinkt die Analogie gewaltig.

Hier ist ja die "gute Nachbarschaft" angenommen. Also Römer siedelten in Germanien, waren mit den Germanen recht gut befreundet und dann zieht die Armee ab. Jetzt muß das ja kein Landbesitzer sein, sondern irgendein Handwerker mit germanischer Kundschaft. Also auch ohne Villa und Hypocaustenheizung.
Wandern die Römer in der Mehrzahl ab, wird der auf den Hof eines ihm bekannten Großen ziehen und dort sein Handwerk weiter betreiben, warum sollte er nicht.
Nur wie will man das archäologisch erfassen? Die römischen Erzeugnisse gibt s weiter, auch durch Handel und als Beute, die römische Hausbauweise ? Der baut wie seine Nachbarn, denn die müßten ihm ja beim Bau helfen....Lateinische Inschriften, römische Götterfiguren? Alles keine erkennbaren Zeichen.

Und dann war es damals auch bei Germanen Usus, die Zivilbevölkerung des Gegners zu versklaven. Spuren der Zurückgebliebenen wird man wenig bis garnicht finden.
Was gefunden wurde, sind Beziehungen vom Harz ins römische Reich, die "Bergleute" und Mineralienhändler sind nach dem sich das ganze beruhigt hat, zumindest zeitweise im Jahr zurückgekehrt
 
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Mir allerdings geht es um den rein praktischen Aspekt. Deine Annahme ist ja, dass sich Römer dauerhaft auf dem fruchtbaren Löss zwischen Rhein und Weser oder sogar darüber hinaus (die Schwarzerdegebiete liegen alle östlich der Weser) angesiedelt hätten und auch nach den Verheerungen der Jahre 9-16 dort geblieben wären. Abgesehen von dem rassistischen Beweggrund den Krieg zu führen, sehe ich da sehr viele Gemeinsamkeiten mit der Besatzung der Ukraine (und geplanten Einrichtung eines "Gotengaus") im Zweiten Weltkrieg. Nichts würde mir ferner liegen, als den nazistischen Vernichtungskrieg zu trivialisieren, dennoch muss ich darauf noch ein wenig herumreiten, denn du scheinst dasselbe Szenario in dem einen Fall ("Gotengau") für unrealistisch anzusehen während du es in dem anderen Fall (Besiedlung der Magna Germania) mit Vehemenz verteidigst. Warum?

Weil man wie ich meine die beiden Szenarien nicht wirklich vergleichen kann.

Wenn sich die Deutschen im 2. Weltkrieg in einer Art und Weise verhalten hätten, die ich mal als 'der Epoche entsprechend zivilisiert' bezeichnen möchte (aus heutiger Sicht legten die Römer ja auch recht barbarischen Verhaltensweisen an den Tag), und deutsche Siedler hätten nach dem potentiell von Deutschland gewonnenen Krieg (bzw. wäre es ja eigentlich nur ein deutscher Einmarsch ohne größere Kriegshandlungen gewesen) ein Jahrzehnt lang relativ leidlich mit den Ukrainern zusammengelebt auf einem Land, das nicht zuvor Ukrainern enteignet worden wäre, und die deutschen Siedler hätten sich in diesem Jahrzehnt in der Ukraine eine Existenz aufgebaut, und dann wäre aus zu einem Ukrainischen Aufstand gekommen wegen zu hoher Steuern und die deutsche Herrschaft wäre von der Ukraine abgeschüttelt worden, dann könnte ich mir in der Tat vorstellen, dass dann trotzdem deutsche Siedler in der Ukraine geblieben wären.

Darüber hinaus leben wir heute auch in einer Industriegesellschaft, Boden ist nicht mehr der wichtigste Produktionsfaktor so wie in einer Agrargesellschaft, ich weiß nicht ob wir uns heute die Bedeutung von Landbesitz noch so vor Augen führen können wie er damals für die Menschen wichtig gewesen ist. Eine bessere Analogie wäre wohl, dass Deutsche in dem oben beschriebenen Szenario einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz in der Ukraine gefunden hätten.
 
Hier ist ja die "gute Nachbarschaft" angenommen. Also Römer siedelten in Germanien, waren mit den Germanen recht gut befreundet und dann zieht die Armee ab. Jetzt muß das ja kein Landbesitzer sein, sondern irgendein Handwerker mit germanischer Kundschaft. Also auch ohne Villa und Hypocaustenheizung.

Ach, die Römer sind abgezogen? Komisch, ich dachte immer da wären drei Legionen mitsamt Hilfstruppen und Vexillationen vernichtet worden und sechs Jahre später bei Rachefeldzügen eine Politik der verbrannten Erde vollzogwn worden.

Und dann war es damals auch bei Germanen Usus, die Zivilbevölkerung des Gegners zu versklaven. Spuren der Zurückgebliebenen wird man wenig bis garnicht finden.

Genau solche Spuren nimmt LEG XVII aber explizit an. Mindestens im Namenmaterial (Welschenacker-Diskussion).
Wenn wir aber keine Spuren einer Siedeltätigkeit haben - im Linksrheinischen haben wir mediterrane Villen, Steinbauweise*, im rechtsrheinischen nach der Auflassung von Waldgirmes nichts! - wieso sollten wir dann ex silentio eine selbständige Siedeltätigkeit freier Römer annehmen, obwohl die Germanen, nach allem was wir wissen, ziemlich "sauer" auf die Römer waren? Nicht einmal Segestes konnte bleiben...

*Selbstverständlich auch Holzbauweise, die sich aber im Befund dennoch von den einheimischen eisenzeitlichen Langhäusern abhebt.
 
Ich verstehe den Sinn dieser ganzen Diskussion nicht. Was soll denn dafür sprechen, dass "Römer" (das können auch romanisierte Gallier, Germanen, Griechen, Ägypter, Hispanier etc.) im rechtsrheinischen Germien nach der Varusniederlage verblieben sein sollten?

Gibt es denn irgendwelche Hinweise darauf? Weiter bestehende römische Siedlungen? Römische Gutshöfe/Villae Rusticae?

Außer Römerlagern und Römersiedlung Waldgirmes sind mir keinerlei römische Siedlungsspuren in der Germania Magna bekannt.
 
Weil man wie ich meine die beiden Szenarien nicht wirklich vergleichen kann.

Wenn sich die Deutschen im 2. Weltkrieg in einer Art und Weise verhalten hätten, die ich mal als 'der Epoche entsprechend zivilisiert' bezeichnen möchte (aus heutiger Sicht legten die Römer ja auch recht barbarischen Verhaltensweisen an den Tag), und deutsche Siedler hätten nach dem potentiell von Deutschland gewonnenen Krieg (bzw. wäre es ja eigentlich nur ein deutscher Einmarsch ohne größere Kriegshandlungen gewesen) ein Jahrzehnt lang relativ leidlich mit den Ukrainern zusammengelebt auf einem Land, das nicht zuvor Ukrainern enteignet worden wäre, und die deutschen Siedler hätten sich in diesem Jahrzehnt in der Ukraine eine Existenz aufgebaut, und dann wäre aus zu einem Ukrainischen Aufstand gekommen wegen zu hoher Steuern und die deutsche Herrschaft wäre von der Ukraine abgeschüttelt worden, dann könnte ich mir in der Tat vorstellen, dass dann trotzdem deutsche Siedler in der Ukraine geblieben wären.

Darüber hinaus leben wir heute auch in einer Industriegesellschaft, Boden ist nicht mehr der wichtigste Produktionsfaktor so wie in einer Agrargesellschaft, ich weiß nicht ob wir uns heute die Bedeutung von Landbesitz noch so vor Augen führen können wie er damals für die Menschen wichtig gewesen ist. Eine bessere Analogie wäre wohl, dass Deutsche in dem oben beschriebenen Szenario einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz in der Ukraine gefunden hätten.

Der "Gotengau" wurde von den Nazis aber gerade deswegen ins Auge gefasst, weil die Schwarzerdegebiete der Ukraine, die Kornkammer der SU, als die ertragreichsten Böden Europas galten. Und es scheint ja nicht gerade so zu sein, dass die Römer friedlich in Germanien siedelten. Das Ausgreifen über den Rhein war das Resultat wiederkehrender Überfälle auf die gallischen Provinzen, mit einem vorläufigen Höhepunkt mit der clades Lolliana, also der Niederlage des Lollius. Strabon berichtet um 23 n. Chr. von einem Krieg, den die Sugambrer begonnen hatten (d.i.d. clades Lolliana), und den er mit den Kämpfen des Germanicus erst enden lässt. Der Zeitzeuge Strabon sieht also einen über 30 Jahre (16 v. - 16 n. Chr.) währenden, nur wenig unterbrochenen Krieg. Von Velleius haben wir die Bezeichnung des immensum bellum, dessen tatsächliche Bedeutung allerdings im Dunkeln liegt. Und die Schuld für den Aufstand sieht man durchaus bei Varus (der freilich die augusteische Politik nur umsetzte, also ein Opfer einer sich erst allmählich entwickelnden antivarianischen Geschichtsschreibung, die bei Strabon noch nicht, bei Velleius aber bereits greifbar ist). Steuern und falsche Handhabe der germanischen Untertanen wird ihm vorgeworfen. Ganz so friedlich, wie du uns das hier schilderst, kann die römische Besatzung des Lipperaumes also nicht gewesen sein. Und spätestens ab 14 n. Chr. haben wir dann römische Berichte von einer Politik der verbrannten Erde in den rechtsrheinischen Gebieten.
 
LEG XVII, mit der Wetterau hast du ja auch recht, aber es war eine Okkupationspolitik! Und die Böden waren tatsächlich ein Ziel, so unbesiedelt waren gerade die fruchtbaren Gebiete nicht. Auch die Salzgewinnung in Bad Nauheim ging unter den Römern weiter...aber wie du selbst schreibst es war eine Okkupationspolitik, die auf dem militärischen Erfolg und der militärischen Vorarbeit beruhte. Gibt es denn irgend ein Beispiel, in dem eine Colonia nach dem militärischen Gebietsverlust weiter bestanden hätte, ob in Nahen Osten oder Afrika? Alle römischen Spuren in der Germania libra deuten auf Beute, Soldbeziehungen, Handel, Importe hin, eventuell auch auf Versklavung römischer Kriegsgefangener oder auch Anstellung von Fachleuten (ich kann mich dunkel an einen Handwerksbetrieb erinnern, der einen Technologietransfer vermuten lässt, entweder durch zwangsverschleppte römische Facharbeiter oder als freie Arbeitskraft in einem Dienstverhältnis, allerdings aus dem 3.Jahrhundert). Aber keine einzige Spur auf das Weiterbestehen einer römischen Siedlung.
Man sollte Friedhöfe, Tempel, Villae rusticae, Foren, Straßen vermuten, meinetwegen auch ein winziges Amphittheater und eine Taverne, nur gefunden hat man davon nichts.
 
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In befreiten Kolonien Afrikas oder Amerikas hielten sich auch Siedler. In Zimbabwe z.B. erfolgte die Vertreibung der weißen Farmer sehr viel später.
 
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Die besten Böden helfen nichts, wenn man sie militärisch nicht halten kann.

Vielleicht konnte man das ja doch.

Gehen wir vom Römerlager Hedemünden aus. Das dortige Kastell war sicherlich kein isoliertes Kastell tief in Germanien, welches man nur unter großen gefahren erreichen und mühsam versorgen konnte. Wahrscheinlicher ist es, dass Hedemünden Teil eines Verteidigungskonzeptes bzw. Aufmarschkonzeptes war. Das Kastell Hedemünden sicherte eine bedeutende Furt über die Werra. Dies ist aber nur sinnvoll, wenn andere wichtige Furten über Werra und Weser, z. B. bei Höxter, Hameln oder Nienburg, auch durch Kastelle gesichert werden. Von Hameln aus ist es dann schon nicht mehr ganz so weit bis zur Hildesheimer Börde.

Vorstellbar ist es auch, das von der Weser aus entlang der Wege, die die erwähnten Furten überquerten, weitere Kastelle weiter im Inneren Germaniens errichtet wurden, im Fall Hameln entlang des Hellwegs (heutige B1) evt. bei einer Furt über die Innerste, bei Hildesheim selbst also.

Warum findet man diese Kastelle aber nicht? Weil es einen guten Grund hatte, dass diese Kastelle genau dort errichtet wurden, wo sie errichtet wurden. Dort stimmte Geologie und Topographie, der Untergrund war fest und das Gelände war nicht hochwassergefährdet. Nun bin ich nicht der Meinung, dass jedes Kastell nach dem Abzug der Römer kontinuierlich besiedelt und zu einer Stadt wurde (nicht jedes :)), aber als die Völkerwanderung vorbei war und die Menschen wieder Siedlungen gründeten, gab es an den Orten der ehemaligen Kastelle eben immer noch Furten und festen, überschwemmungssicheren Grund, ein perfekter Platz für eine Siedlung eben. Teilweise wird nach 5 Jahrhunderten immer noch etwas von den Kastellen zu erahnen gewesen sein, welche Orte dann als 'alte Burgen' bezeichnet worden sein könnten.
Im Fall Hedemünden haben wir allerdings Glück, auf Grund der Enge des Werratals befand sich das Kastell auf einem Hügel, und ist heute nicht überbaut.

Zurück zu Hameln und Hildesheim. Hameln und Hildesheim sind 45 km voneinander entfent, 2 Tagesmärsche also. Es könnte also sein, dass sich auf halber Strecke einen Tagesmarsch entfernt von Hameln, also etwa bei Hemmendorf, auch ein Kastell befand. Wenn man bei Google Maps nachschaut, erkennt man bei Hemmendorf Bewuchsmerkmale, die auf Grund ihrer rechtwinkligen Struktur, ihrer Abmessungen (470 m x 240 m), und ihrer Nord-Süd und West-Ost Ausrichtung einem Römerlager entsprechen könnten (wie sie aber natürlich auch anderen Einrichtungen entsprechen können, der lokale Heimatverein und der FAN konnten mir bei der Klärung allerdings nicht weiterhelfen, im Sommer will ich die Bewuchsmerkmale selbst mal dokumentieren, vielleicht finde ich dann mehr heraus):

https://www.google.de/maps?hl=de&ll=52.090773,9.583672&spn=0.004219,0.011652&t=h&z=17
 

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  • Abb. 2.7-7 Bewuchsmerkmale bei Hemmendorf.jpg
    Abb. 2.7-7 Bewuchsmerkmale bei Hemmendorf.jpg
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Hallo LEG XVII, verstehe ich deinen letzten Beitrag so richtig, dass du deine These, Römische zivile Siedlungen hätten nach dem militärischen Rückzug weiterbestanden zurückziehst?
Dass es wahrscheinlich weitere unentdeckte militärische Anlagen aus dieser Okkupationsphase bis 16 n. Chr., und wahrscheinlich weitere zivile Stadtgründungen gibt, steht soweit ich sehe, bei keinem Diskussionsbeteiligten außer Frage. Dass viele vorhistorische Stätten, dies gilt auch für Befestigungsanlagen zum Beispiel unter mittelalterlichen Befestigungen und zivilen Siedlungen liegen, ist ebenso anerkannt. Dies trifft auch auf z.B. Latenefortifikationen zu.
 
Also, die Börde liegt ja nun etwas ab vom römischen Reich. Und dann sollte sich man mal fragen, warum sich die Leute aus der Börde auf den Weg ins römische Reich gemacht haben, so speziell die Sueben aus der Magdeburger Börde und aus der goldenen Aue...

Das Stichwort ist hier Brandrodung, auch die besten Böden ermüden ohne Düngung. Und es gibt Gerüchte, das die Böden im 1. Jhdt nicht mehr ertragreich genug waren.

Das ist das eine. Zum anderen, Tavernen, Bäder etc. sind nur sinnvoll, wenn viele sie nutzen. Für 10 Römer mit Frau und Kindern lohnt das nicht.
 
Ganz so friedlich, wie du uns das hier schilderst, kann die römische Besatzung des Lipperaumes also nicht gewesen sein. Und spätestens ab 14 n. Chr. haben wir dann römische Berichte von einer Politik der verbrannten Erde in den rechtsrheinischen Gebieten.

Da fällt mir noch was anderes ein. Was ist, wenn die römischen bzw. romanischen Siedler überhaupt nicht daran interessiert waren, dass die Provinz Magna Germania wiederhergestellt wurde, und mit den Germanen zusammengearbeitet haben, um dieses zu verhindern?

Gehen wir mal von einer Besiedlung hauptsächlich durch Veteranen aus, von den Germanen vielleicht als Kampfmänner (hatuuari) bezeichnet. Diese kamen ja aus allen Teilen des Imperiums, also aus Provinzen die von den Römern genau so besetzt waren wie Germanien. Sie hatten zwar in der römischen Armee gedient und dort gutes Geld verdient, aber mit dem Imperium als solchen haben sie sich sicher nicht viel mehr identifiziert als die besetzten Germanen auch, nämlich gar nicht.
In den Jahren 10 bis 14 hatten die Siedler/Veteranen dann gemerkt, dass man auch prima zurechtkommt, wenn man keine Abgaben an den römischen Staat leisten muss, so dass sie in den Jahren 15 und 16 vielleicht lieber mit Arminius' Koalition zusammengearbeitet haben, um die Wiederherstellung der römischen Gewalt in ihrer neuen Heimat Germanien zu verhindern.
 
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