Wie würdest Du die Malteser im 18.Jh. einschätzen?
Würdest Du ihn auch zu den normalen höfischen Orden rechnen, würdest Du unterscheiden, zwischen den Malteserrittern in Malta und in Bayern (z.B.)?
Das ist in der Tat nicht ganz einfach zu beantworten...
Ich versuche mich an einer Abhandlung gemäß folgender Literatur:
Alain Demurger "Die Ritter des Herrn - Geschichte der geistlichen Ritterorden Europas" - C.H. Beck, München 2003
Ernst Staehle "Templer und Johanniter - Geschichte, Geheimnisse und Gegenwart" - Weishaupt Verlag, Gnas 1999
Der Malteserorden ist nach wie vor ein geistlicher Ritterorden geblieben - erst nach Ende seiner Herrschaft auf Malta (dazu gleich noch) wandelte er sich ab Beginn des 19. Jh., jedoch nicht etwa zu einem weltlichen Ritterorden oder einem höfischen Orden, sondern zurück zu seinem Ursprung: einem karitativen Orden.
Im Einzelnen dazu...
Im 18. Jh. verlor die militärische Macht des Malteserorden überdies ihre Bedeutung, wofür sich zwei Gründe ausmachen lassen:
- Verlagerung der wirtschaftlichen Interessen der Großmächte aus dem Mittelmeerraum heraus nach Amerika
- Drängen der europäischen Mächte, daß Beutezüge (Corsos) gegen nichtchristliche Staaten nicht mehr zeitgemäß wären und deshalb aufzugeben seien
Da dennoch die Großmeister mit ihren Bauvorhaben (Repräsentationsgebäude, Kirchen etc.) nach wie vor ihre Vorgänger zu übertreffen gedachten, andererseits aber die Einnahmen durch die
Corsos fehlten, erhöhten sich die Steuerlasten für die maltesische Bevölkerung. Dies führte im Jahre 1775 zu Unruhen und schließlich einem blutigen Aufstand: das bis dahin bestehende gute Verhältnis zwischen der maltesischen Bevölkerung und den Ordensrittern war empfindlich gestört.
Relativ zeitgleich gewann der Orden jedoch zusätzlich Güter: 1774 entstand das neue
Großpriorat Wolhynien, nachdem
Herzog Ostrogski den Maltesern ein großes Erbe vermachte; 1775 erhielt der Orden die Besitzungen des aufgelösten Antoniterordens in Frankreich.
Dazu kam dann eben auch noch 1781 die Übergabe der Güter der Jesuiten, die Papst Clemens XIV. als Orden aufgehoben hatte, durch
Kurfürst Karl Theodor von Pfalz-Bayern. Dem Kurfürsten ging es um die Versorgung seines Bastardsohnes
Karl August (Sohn des Kurfürsten und der Schauspielerin Josephine Seyffert).
Aufgrund dieses Zugewinns wurde die neue englisch-bayerische Zunge geschaffen, und Karl August, der bereits (von seinem Vater?) den Titel
Fürst von Bretzenheim erhalten hatte, wurde zum Großprior dieser Zunge ernannt.
Dies verstieß gegen die - seit 1262 geltenden und noch immer gültigen - Ordensstatuten, nach denen "Bastarde" nicht in den Orden aufgenommen werden sollten bzw. durften.
Die englisch-bayerische Zunge half jedoch der seit Mitte des 16. Jh. bestehenden und für den Malteserorden unbefriedigenden Tatsache ab, daß die englische Zunge seit der anglikanischen Protestation nur noch dem Namen nach bestanden hatte.
Als
Zar Paul I. (1796/1801) dem Orden weitere große Ländereien in Polen vermachte, wurde die Zunge zunächst zur polnisch-englisch-bayerischen Zunge und dann schließlich zur russisch-englisch-bayerischen Zunge.
Während der Französischen Revolution kostete die Loyalität zum französischen Königtum den Malteserorden (1791 wollte der Orden den König durch Flucht aus Frankreich helfen und nach der Gefangennahme 1792 immer noch gewaltsam befreien) seine Existenz in Frankreich. Die Nationalversammlung beschloß Auflösung und Enteignung noch 1792, so daß sämtliche Ordensbrüder nun selbst gezwungen waren, aus Frankreich zu fliehen. In den folgenden Jahren bis 1797 konfiszierte schließlich dann Napoleon auch noch die Besitzungen des Ordens in Italien.
Großmeister Emanuel de Rohan de Polduc (1775/97) war zwar - abgesehen von der Geschichte um
Großprior Karl August Fürst von Bretzenheim - den alten Prinzipien des Ordens treu geblieben, hinterließ den Malteserorden jedoch "in einem Zustand von Chaos und Hoffnungslosigkeit" (Zitat: Staehle).
Zudem stand der Orden durch den Verlust seiner ältesten und besten Besitzungen am Rande des Ruins.
Der Rest ist Geschichte: als
Napoleon am 09.06. 1798 auf Malta landete, wechselten die französischen Ritter sowie die maltesische Bevölkerung die Seiten, wohl weil sie von den Idealen der Revolution mehr überzeugt waren als von der Notwendigkeit des Fortbestehens eines konservativen Ordensstaates.
Großmeister Ferdinand von Hompesch blieb angesichts dieser Situation nichts anderes übrig als vor Napoleons Truppen zu kapitulieren und ein Abkommen zur Übergabe der Inseln an Frankreich zu unterzeichnen.
Die Französische Republik hielt übrigens keines der gemachten Versprechen; weder fanden sie - wie im Abkommen festgeschrieben - die Ordensritter ab noch ließen sie den Maltesern ihre Selbstbestimmung.
Im Gegenteil: sie bekämpften die katholische Kirche, welche bis heute großen Rückhalt auf Malta hat u.ä.
Anm.: Den Gold- und Silberschatz des Malteserordens ließ
Napoleon übrigens auf sein Schlachtschiff
Orient verbringen, welches mitsamt der restlichen französischen Flotte in der
Schlacht von Aboukir am 01.08. 1798 von
Admiral Nelsons englischer Flotte versenkt wurde. Da er nie wieder aufgetaucht ist, liegt der Schatz wohl höchstwahrscheinlich dort auf dem Meeresgrund...
Ein Orden im Stile der weltlichen Ritterorden ist der Malteserorden im 18. Jh. nicht gewesen, und er war es auch nicht während des Großmeisteramtes von
Zar Paul I. an der Wende 18./19. Jh., da der Einfluß des russischen Herrschers auf den Orden selbst sehr begrenzt war, und für den Papst, dem der Orden bis heute untersteht, dieses "Intermezzo" quasi als Interregnum i.S.v. führungslose Zeit galt.