Röm. Oberschicht, Senatoren und Kaiser als Teilnehmer an Wagenrennen

Warum sollte man sie unter Generalverdacht stellen?

Wer tut das?

Oder wenn man es tut, warum dann nur antike Historiker? Verleumdung, üble Nachrede etc. sind auch heute noch gesetzlich verboten, weil sie auch heute noch ein reales Problem darstellen. Wenn also Verleumdung ein reales Problem darstellt, warum sollten dann heutige Historiker davon ausgenommen sein? Warum sollten nur antike Historiker verleumden? Wenn man Sueton & Co. einfach so Verleumdung unterstellen kann, nur weil sie manche Kaiser negativ darstellten, müsste man dann nicht mit demselben Recht heutigen Historikern, die jemanden negativ darstellen, Verleumdung vorwerfen können?

Du vermischt da ein paar Dinge. Zunächst einmal verwechselst du den antiken Historiographen mit dem modernen Geschichtswissenschaftler. Die Historiographie gibt es im Prinzip nicht mehr. Zum anderen unterschlägst du die völlig andere Quellenlage.

Was die Propagandaproblematik angeht: Niemand hat behauptet, dass Sueton ein flavischer Propagandist gewesen sei. Nur, dass die Darstellung des Vitellius die Darstellung ist, welche ihn deslegitimierte und die Flavier bzw. Vespasian legitimierte. Vitellius war zwar ein Usurpator, aber Vespasian eben auch.

Außerdem: Was genau spricht denn bei Vitellius eigentlich dafür, dass er in Wahrheit viel besser war als sein Ruf? Durch besondere Tatkraft fiel er während seiner Usurpation und seiner Herrschaft nun wahrlich nicht auf.

Nochmal: Darum ging es im Prinzip nicht (wiewohl nach wie vor das Problem bestehen bleibt, dass es eine unaufgelöste Diskrepanz zwischen der negativen Presse und der Beliebtheit des Vitellius bei seinen Anhängern gibt, die sich ja auch bei Tacitus, trotz der Negativdarstellung spiegelt), sondern darum, wie Sueton Vitellius erzählt. Es geht nicht darum, die Quellen zu negieren, gegen den Strich zu lesen etc. sondern ihre Tendenziosität als solche festzustellen und damit auch der realen Figur näher zu kommen. Ganz runtergebrochen ging es eigentlich sogar nur darum, ob die Geschichten von den Wagenrennen, die Sueton so erzählt als kulturhistorischer Beleg herangezogen werden können, oder ob sie Suteon dazu dienten Caligula und Vitellius als vergnügungssüchtige Menschen zu charakterisieren.
 
EQ schrieb:
Hier wird von Tacitus versucht, die Diskrepanz zu überbrücken zwischen dem Bericht von einem Menschen, der von ihm und von Sueton nur in den schlechtesten Farben gezeichnet wird und dem Umstand, dass diejenigen, die ihn als militärischen Führer kannten, ihn zum Kaiser ausriefen.
Es ist sicherlich sinnvoll, das von seinen "Zeitgenossen" gezeichnete Bild von Vitellius kritisch zu prüfen. Aber kannst Du bitte konkret ausführen, was ihn zum Statthalter von Germania Inferior qualifizierte? Welche militärischen Erfahrungen/Erfolge hatte er in seiner Ämterlaufbahn gesammelt? Michael Grant und seine Werke werden heute von der Geschichtswissenschaft kritisch gesehen. Dieser meint, dass Otho Vitellius nur deshalb den Posten des Statthalters am Niederrhein zugeschanzt hatte, weil er diesen als militärisch unbedarft ansah. Von Vitellius würde keine Gefahr für seine (also Othos) Herrschaft ausgehen. Was können wir heute Grant entgegen halten?

Tela schrieb:
Vielleicht. Aber nicht zwingend. Woher wissen wir, dass sie ernst genommen werden wollten und nicht einfach nur Bücher schreiben wollten, die sich gut verkauften?
Ob sich ein römischer Historiker als Stephen King oder Joanne K. Rowling sah? Wie groß konnte man mit einem Geschichtswerk im Imperium Romanum Erfolg haben? Vergils Aeneis kannten im Imperium wohl jedes Schulkind. Wer aber hat wohl Tacitus oder Aufidius Bassus gelesen? Wenn diese Leserschaft nur aus der Nobilität bestand, dann hatte man einen hohen Qualitätsanspruch zu genügen. Ob man da mit frei erfundenen Boulevardgeschichten weiterkam?
 
Aber kannst Du bitte konkret ausführen, was ihn zum Statthalter von Germania Inferior qualifizierte? Welche militärischen Erfahrungen/Erfolge hatte er in seiner Ämterlaufbahn gesammelt?

Ich verstehe nicht ganz, was das mit meinem Diskrepanz-Postulat zu tun hat.
Michael Grant und seine Werke werden heute von der Geschichtswissenschaft kritisch gesehen. Dieser meint, dass Otho Vitellius nur deshalb den Posten des Statthalters am Niederrhein zugeschanzt hatte, weil er diesen als militärisch unbedarft ansah. Von Vitellius würde keine Gefahr für seine (also Othos) Herrschaft ausgehen. Was können wir heute Grant entgegen halten?

Ggf. dass er hier wiederum auf Sueton rekurriert, der behauptet, dass Galba ihn nach Germanien geschickt habe, weil er meinte, dass ein so charakterschwacher völlernder Mensch, wie Vitellius die rebellischen Truppen nicht gegen Rom führen würde. Logisch wäre es dagegen gewesen, eine Autoritätsperson zu diesen rebellischen Truppen zu schicken, um diese zur Raison zu bringen.

Wenn diese Leserschaft nur aus der Nobilität bestand, dann hatte man einen hohen Qualitätsanspruch zu genügen. Ob man da mit frei erfundenen Boulevardgeschichten weiterkam?
Wenn diese sozial erwünscht waren.
 
Jetzt zu unserer Diskussion: Nehmen wir an, der Senator X beschließt ein Geschichtswerk zu verfassen. Den Caligula, der in Wahrheit eh ganz okay war, findet er unsympathisch, weil der immer so fies zum Senat war, also beschließt er ihn durch erfundene Skandalgeschichtchen, erfundene Verbrechen und erfundene negative Charaktereigenschaften schlechtzumachen. Würde er das wirklich tun? Was wäre die mögliche Folge? Senator X weiß, dass es in Rom außer ihm noch andere Geschichtsschreiber gibt, die ebenfalls über den Caligula schreiben, aber vielleicht nichts gegen ihn haben (z. B. weil sie zum Ritterstand gehören oder gar Freigelassene sind) und daher vermutlich wahrheitsgemäß über ihn berichten. Zumindest kann er sich nicht darauf verlassen, dass alle Autoren den Caligula wahrheitswidrig schlecht machen. Wenn aber nur er den Caligula wahrheitswidrig schlecht macht, würde er riskieren, dass sein Werk von den Konkurrenzwerken abweicht, und noch schlimmer: Er würde riskieren, dass er in künftigen Geschichtswerken zitiert, aber gleichzeitig als Lügner und Märchenerzähler abgestempelt wird! Dass ist sicher nicht die Art Nachruhm, die sich unser Senator wünscht. Warum also sollte er das Risiko eingehen, nur um seine persönliche Antipathie gegen Caligula auszuleben?

In diesem Fall müsstest du aber eine gute Erklärung dafür finden, dass wir Geschichtswerke über verschiedene historische Persönlichkeiten haben, die unterschiedliche Sichtweisen von Personen haben.

Genannt wurde schon öfters Tiberius, dessen Zeichnung des Velleius und des Tacitus kaum miteinander in Einklang zu bringen sind. Hier müsste man doch dann nach oben zitiertem Schema entweder annehmen, dass Velleius Tiberius deutlich besser gemacht hat, als er war oder aber Tacitus einen deutlich schlechteren Tiberius entworfen hat und beide offenbar das Risiko eingegangen sind, als Lügner und Märchenerzähler abgestempelt zu werden. Gestört hat es aber keinen der beiden (egal welcher von beiden jetzt der Märchenerzähler wäre)

Anderes Beispiel: Marcus Antonius. Angesichts seiner Niederlage gegen Oktavian wird er natürlich von der Mehrzahl der Autoren nicht positiv dargestellt. In gewissem Rahmen aber zeichnet Appian ein Bild des Antonius, das merklich positivere Züge enthält. So wird ihm, im Gegensatz zu vielen anderen Autoren, kein Verrat an Caesar vorgeworfen und er tritt als herausragender und geschickter Politiker in Erscheinung. In den direkten Konflikten mit Oktavian im Sommer/Herbst 44 v. Chr. schneidet er auch deutlich besser ab als z.B. bei Nikolaos von Damaskus.

Auch hier hat also ein antiker Autor keine Probleme ein anderes Bild von einer Person zu zeichnen und die oben erwähnten Risiken einzugehen.
 
In diesem Fall müsstest du aber eine gute Erklärung dafür finden, dass wir Geschichtswerke über verschiedene historische Persönlichkeiten haben, die unterschiedliche Sichtweisen von Personen haben.
Man kann Dinge oft so oder so darstellen, positiv oder negativ, während man eigentlich über dasselbe schreibt, es aber positiv oder negativ bewertet. Wichtig ist, dass man sich nicht vom lobenden oder gehässigen Unterton verwirren lässt, sondern die Fakten herausfiltert. Man muss eben zwischen Fakten und Darstellungsweise differenzieren.

Ich versuche es einmal mit einem fiktiven Beispiel. Zwei Historiker schreiben über Maßnahmen eines Präsidenten irgendeines Landes zur Entwicklung des ländlichen Raums:
Historiker A: "Für den Präsidenten hatten die Modernisierung des ländlichen Raums und die Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge Priorität. Um seine Pläne finanzieren zu können, konnte er ausländische Investoren für Joint-Venture-Projekte gewinnen, um hohe Zinszahlungen an internationale Kapitalgeber zu vermeiden. Kern seiner Maßnahmen war eine Neustrukturierung des ländlichen Raums, um unproduktive Kleinstgüter zu ertragfähigen Einheiten zusammenzuführen. Um die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung im ländlichen Raum zu bekämpfen, förderte er Umschulungen für überschüssige Arbeitskräfte und begünstigte ihre Übersiedlung in die boomenden Industriezentren."
Historiker B: "Der Präsident zerstörte die traditionellen landwirtschaftlichen Strukturen, indem er riesige Ländereien an ausländische Investoren verschacherte und dabei gut mitverdiente. Traditionelle landwirtschaftliche Familienbetriebe, die vielen Menschen ein Einkommen ermöglicht hatten, wurden enteignet und zu Plantagen zusammengelegt. Die beschäftigungslos gewordenen ehemaligen Eigentümer und ihre Angehörigen vertrieb er in die Städte."
Beide Historiker beschreiben genau dasselbe, aber je nach Sympathie oder Antipathie für den Präsidenten oder auch wirtschaftspolitischer Einstellung der Autoren stellen sie es unterschiedlich dar. An Fakten lassen sich jedoch in beiden Darstellungen herauslesen, dass der Präsident den ländlichen Raum umstrukturierte, indem er die Kleingüter (auch gegen den Willen ihrer Eigentümer) zusammenlegen ließ und an kapitalkräftige ausländische Bewirtschafter verkaufte und die bisherigen Eigentümer im nichtlandwirtschaftlichen Bereich unterzubringen versuchte.

Ebenso kann man die meisten Handlungen zum Vorteil oder zum Nachteil des Handelnden auslegen und darstellen: Wenn ein Kaiser viele Kriege führte, kann man ihn als zweiten Alexander feiern oder als Kriegstreiber abstempeln. Wenn ein Feldzug wenig erfolgreich verläuft und er daher Frieden schließt, kann man das als weise oder als Versagen bezeichnen. Wenn jemand bei Gelagen viel Alkohol konsumiert, kann man ihn als Säufer darstellen oder als geselligen lebensfrohen leutseligen Menschen. (Übrigens wurde auch bei Alexander dem Großen dessen Hang zum Alkohol thematisiert.) Wenn ein Kaiser Rennen fährt, kann man das als schändlich und seiner Würde unangemessen darstellen oder als Zeichen seiner Volksnähe und Sportlichkeit.
Man braucht also keine Fakten zu erfinden, um ein bestimmtes Bild zu zeichnen. Man kann auch die Fakten hernehmen und so oder so darstellen, die einen mehr betonen und die anderen weniger. Das ist aber etwas anderes als wenn man Fakten unterschlägt oder erfindet. Ich habe bereits an mehreren Beispielen gezeigt, dass auch bei Kaisern, deren Darstellung als positiv empfunden wird, auch negative Fakten erwähnt werden, und umgekehrt bei "negativen" Kaisern auch positive.

Weiters muss man auch zwischen Faktenschilderung und deren Interpretation hinsichtlich des Verhaltens und der Psyche eines Kaisers unterscheiden. Wie ich schon früher ausgeführt habe, kann man in keinen Menschen hineinsehen, und Psychologen waren die antiken Historiker auch nicht. Caligulas sonderbares Verhalten kann man als Wahnsinn interpretieren oder als jugendlichen Übermut. Bei Tiberius verschweigt auch Tacitus nicht, dass er bei der Regierungsübernahme zauderte und anfangs viele Ehrungen ablehnte. Das kann man als Bescheidenheit interpretieren oder (wie Tacitus) als Heuchelei, aber die Faktendarstellung ist korrekt. Stattdessen hätte Tacitus auch behaupten können, dass Tiberius entschlossen die Macht ergriff - tat er aber nicht. Sogar bei der Ermordung des Agrippa Postumus lässt Tacitus offen, ob Tiberius dahintersteckte oder Livia oder ob gar Augustus selbst vor seinem Tod die Tat anordnete.

Genannt wurde schon öfters Tiberius, dessen Zeichnung des Velleius und des Tacitus kaum miteinander in Einklang zu bringen sind. Hier müsste man doch dann nach oben zitiertem Schema entweder annehmen, dass Velleius Tiberius deutlich besser gemacht hat, als er war oder aber Tacitus einen deutlich schlechteren Tiberius entworfen hat und beide offenbar das Risiko eingegangen sind, als Lügner und Märchenerzähler abgestempelt zu werden. Gestört hat es aber keinen der beiden (egal welcher von beiden jetzt der Märchenerzähler wäre)
Eigentlich widersprechen sich die Darstellungen nicht wirklich. Man muss aber berücksichtigen, was die beiden Autoren darstellen. Tacitus' Annalen beginnen erst mit dem Tod des Augustus, sodass Tiberius' zahlreiche militärischen Erfolge davor notwendigerweise ausgeklammert werden mussten. Velleius hingegen stellte ausführlich seine erfolgreichen Feldzüge dar, hielt die Darstellung von Tiberius' Regierung aber (vor allem verglichen mit Tacitus) eher knapp und überblicksartig und endete mit dem Tod Livias, wodurch der Höhepunkt der Herrschaft Seians und Tiberius Aktivitäten auf Capri aus der Darstellung notwendigerweise herausfielen. Dass Tiberius ein erfolgreicher Feldherr war, wurde von niemandem abgestritten. Bei der Darstellung von Tiberius' Herrschaft 14-29 stimmen Velleius und Tacitus überein: Beide erwähnen die Meuterei mehrerer Legionen gegen Tiberius bei seinem Regierungsantritt, beide sein Bemühen um eine gute Verwaltung und seine Unterstützung für die Erdbebengebiete in Kleinasien, beide, dass er mit dem Senat zusammenarbeitete.
Dass Velleius, der zur Zeit des Tiberius schrieb, einen positiven, teilweise panegyrischen Ton anschlägt, ist wohl verständlich, aber er unterschlägt trotzdem nicht die Meuterei, obwohl sie für Tiberius nicht gerade schmeichelhaft war. Stattdessen hätte er auch schreiben können, dass alle Legionen einhellig die Machtübernahme des Tiberius feierten - tat er aber nicht. Dass er Seianus positiv darstellte, ist auch nicht so verwunderlich, denn als er 29/30 schrieb, war der noch in Amt und Würden und seine ganzen Machenschaften wohl auch noch gar nicht bekannt, viel kam wohl erst nach seinem Sturz ans Tageslicht. 29/30 war er noch der Mann, dem der Kaiser sein Vertrauen schenkte.

Anderes Beispiel: Marcus Antonius. Angesichts seiner Niederlage gegen Oktavian wird er natürlich von der Mehrzahl der Autoren nicht positiv dargestellt. In gewissem Rahmen aber zeichnet Appian ein Bild des Antonius, das merklich positivere Züge enthält. So wird ihm, im Gegensatz zu vielen anderen Autoren, kein Verrat an Caesar vorgeworfen und er tritt als herausragender und geschickter Politiker in Erscheinung. In den direkten Konflikten mit Oktavian im Sommer/Herbst 44 v. Chr. schneidet er auch deutlich besser ab als z.B. bei Nikolaos von Damaskus.
Appian stellte aber auch überaus ausführlich die Proskriptionen der Triumvirn dar und beklagte sie - obwohl seine Sympathien den Triumvirn galten. Er hätte sie auch verschweigen können, stattdessen füllte er viele Kapitel mit Darstellungen von Einzelschicksalen, wobei er auch deutlich herauskehrte, dass auch zahlreiche Menschen, die mit Caesars Ermordung nichts zu tun hatten, betroffen waren.
 
Eigentlich war ja die Ausgangsfrage, wieweit man sich Angehörige der Reichsaristokratie als Wagenlenker vorstellen kann. Gerade was die Einstellung der Kaiser zum Rennsport und zur Unterhaltungsindustrie betrifft, wird man kaum auf Sueton verzichten können, denn kaum ein anderer berichtet über solche Details.


Doch zurück zur Ausgangsfrage: Im Westen des Reiches war der Rennsport bereits Ende der Republik in hohem Maße professionalisiert. Um die enormen Kosten für Pferdezucht, Gespanne, Trainer, Wagenlenker etc finanzieren zu können, hatten Privatleute sich als factiones organisiert. Die Grünen und die Roten, die Blauen und die weißen. zeitweise sah man darin auch politische Parteien wie die optimates und die populares. Augustus reorganiserte auch die Gladiatur und den Rennsport, der zumindest in Rom verstaatlicht werden sollte. Als Vorsteher der factiones, die eigene vereinslokale hatten setzte Augustus Präfekten aus dem Ritterstand ein, ebenso wie später Domitian die großen Gladiatorenschule sowie eine für Venatores mit Präfekten besetzte.

Mit dem Rennsport war auch ein Wettgeschäft verbunden, die Wagenlenker waren meist sehr junge Männer, unter denen der Anteil von Sklaven und Freigelassenen größer gewesen zu sein scheint, als unter Gladiatoren. Es war nicht ehrenrührig für römische Aristokraten, sich mit Pferdezucht zu beschäftigen oder eine Gladiatorentruppe anzuwerben, eher war das Gegenteil davon der Fall. Sich als Amateur mit Gladiaturfechten abzugeben, war ebensowenig ehrenrührig wie heute, wenn Manager Boxen oder Wing Tsun betreiben. Zu musizieren oder als Virtuose in privatem Kreis aufzutreten diskreditierte einen Aristokraten nicht, Hadrian und Severus Alexander taten dergleichen. Ein paar Trainingsrunden unter privatem Publikum im Circus Vaticanus zu drehen, die Grünen oder die Blauen anzufeuern das nahm man einem Kaiser nicht übel, aber, und das war der Punkt, wenn ein römischer Kaiser darüber hinaus ging und öffentlich vor Publikum auftrat, sich Beifallklatscher kaufte, diskreditierte er sich nach römischer Vorstellung.

Es war aber solches noch "unter Gentlemen" sozusagen noch im griechischen Osten möglich, wo das organisierte Factiones- System noch nicht Fuß gefasst hatte und wo nach wie vor auch Adelige sich an Agonen beteiligten und ihr Gespann selbst lenkten. Solche Veranstaltungen fanden selten in stationären Bauten statt, sondern in provisorischen Arenen im Gelände. Im Gegensatz zum römischen Circus gab es in griechischen Hippodromen keine Spina, die die Fahrbahn teilte. Mit einigen traditionsreichen Agonen war zwar im 1. Jhd nicht mehr viel los, die olympischen Spiele wurden durch eine großzügige Spende Herodes I. reanimiert.

Nero reiste nicht zuletzt deswegen nach Achaja, weil er dort an Agonen teilnehmen konnte und nicht damit rechnen musste, kritisiert zu werden.
Natürlich hatte Nero fast wie ein antiker Hermann Göring Gefallen an Kunstgegenständen und Antiquitäten entwickelt, doch der griechische Osten hat ihm ein positives Andenken bewahrt. Der Kaiser war ein aufrichtiger Philhellene, und das kam offenbar gut an, nicht nur bei Bewohnern des Imperiums, auch bei den Parthern, deren König Staatstrauer befahl.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht. Aber nicht zwingend. Woher wissen wir, dass sie ernst genommen werden wollten und nicht einfach nur Bücher schreiben wollten, die sich gut verkauften?
Vom Schreiben konnte man in der Antike anscheinend ohnehin noch nicht leben. Arme Autoren brauchten einen Brotberuf oder einen Mäzen.

Logisch wäre es dagegen gewesen, eine Autoritätsperson zu diesen rebellischen Truppen zu schicken, um diese zur Raison zu bringen.
Nicht unbedingt, zumindest nicht solange Galba noch nicht fest im Sattel saß. Durch einen strengen Kommandanten hätte er die Truppen erst recht zur Rebellion treiben können.

Zunächst einmal verwechselst du den antiken Historiographen mit dem modernen Geschichtswissenschaftler.
Dass antike Historiker noch keinen Universitätsabschluss vorweisen konnten, macht sie nicht per se unseriös und unwissenschaftlich. Ich habe schon ausgeführt, dass sie ernsthafter arbeiteten als ihnen das heute zugestanden wird.

Niemand hat behauptet, dass Sueton ein flavischer Propagandist gewesen sei. Nur, dass die Darstellung des Vitellius die Darstellung ist, welche ihn deslegitimierte und die Flavier bzw. Vespasian legitimierte. Vitellius war zwar ein Usurpator, aber Vespasian eben auch.
Umso bemerkenswerter ist, dass auch Sueton die Causa Helvidius Priscus thematisierte. Dessen Hauptvergehen lag darin, dass er den Vespasian nicht als Kaiser anerkannte (was Sueton auch erwähnt!); anscheinend war das ausschlaggebend für seine Hinrichtung. Sueton berichtete also selbst darüber, dass es Zweifel an der Legitimität Vespasians gab.
Im Übrigen wüsste ich nicht, was an der Darstellung des Putsches von Vitellius dislegitimierend und an der von Vespasian legitimierender sein soll. Zwar schreibt Sueton, dass es einen Brief von Otho an Vespasian gab, in dem er ihn quasi zur Nachfolge berief, aber erstens schreibt Sueton selbst, dass der Brief eine Fälschung gewesen sein könnte, und zweitens war Otho selbst ein Usurpator gewesen.

wiewohl nach wie vor das Problem bestehen bleibt, dass es eine unaufgelöste Diskrepanz zwischen der negativen Presse und der Beliebtheit des Vitellius bei seinen Anhängern gibt, die sich ja auch bei Tacitus, trotz der Negativdarstellung spiegelt
Diese Diskrepanz lässt sich leicht auflösen: Vitellius verhielt sich leutselig und nachgiebig gegenüber den Soldaten, und er gab aufwändige Spiele, was beim Volk sicher gut ankam. Seine engsten Mitarbeiter und Förderer belohnte er großzügig mit Posten wie Konsulaten.

Ganz runtergebrochen ging es eigentlich sogar nur darum, ob die Geschichten von den Wagenrennen, die Sueton so erzählt als kulturhistorischer Beleg herangezogen werden können, oder ob sie Suteon dazu dienten Caligula und Vitellius als vergnügungssüchtige Menschen zu charakterisieren.
Dass Sueton sie in bestimmter Absicht erzählt, macht sie doch noch nicht per se unglaubwürdig.

Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass viel zu wenig beachtet wird, dass auch römische Kaiser nur Menschen waren - mit menschlichen Schwächen und Fehlern. Auch ihre Sozialisation und ihr bisheriges Leben kann man nicht so einfach ausblenden. Wenn man all das berücksichtigt, wird so manches nachvollziehbarer.
Dass gerade Kaiser wie Caligula, Nero, Commodus oder Elagabal mehr oder weniger abgedreht gewesen sein sollen, kann man leicht mit ihrer Jugend erklären. (Und bevor jetzt der Einwand kommt, es sei eben ein literarischer Topos gewesen, junge Kaiser so darzustellen: Nein, es gab auch Gegenbeispiele wie Severus Alexander oder Gordianus III.) Elagabal war etwa 14, als er Kaiser wurde. Wenn man sich ansieht, wie heute manche Promis abheben und was für einen Mist (Komasaufen, Mutproben, "Happy Slapping" vor laufenden Handykameras, ...) heute manche Teenager so machen, braucht man sich nicht zu wundern, dass ein 14-jähriger nicht damit umgehen konnte, wenn er plötzlich Herrscher eines Weltreichs wurde und sich nahezu alles erlauben konnte. Caligula wurde in die kaiserliche Familie hineingeboren und erlebte von kleinauf mit, wie machtlos der Senat faktisch war und wie unumschränkt man als Kaiser regieren konnte. Commodus wurde überhaupt bereits als Sohn eines regierenden Kaisers geboren. (Auch heute soll es schon mal vorkommen, dass Sprösslinge aus reichem und/oder einflussreichem Haus meinen, sie wären etwas Besseres als andere Menschen.)
Die düsteren Züge bei Tiberius oder Domitian werden auch verständlicher, wenn man sich ihre bisherigen Leben so ansieht. Tiberius war der wohl größte Feldherr seiner Zeit, aber trotzdem machte ihn Augustus erst zum Nachfolger, als ihm die meisten anderen Nachfolgekandidaten weggestorben waren, und selbst da schwankte er noch zwischen Tiberius und Germanicus. Außerdem zwang ihn Augustus, seine Frau zu verlassen und eine andere zu heiraten, und später, den Germanicus zu adoptieren und so zum Nachfolger zu designieren, obwohl Tiberius einen eigenen Sohn hatte. Weiters hatte Tiberius eine dominante Mutter, sein Sohn wurde mutmaßlich ermordet, und sein wichtigster Mitarbeiter missbrauchte sein Vertrauen. All das würde wohl den meisten aufs Gemüt schlagen. Domitian wiederum spielte immer nur die zweite Geige hinter seinem Bruder Titus, der die Prätorianerpräfektur, die tribunicia potestas und die besseren Konsulate (Titus war unter Vespasian siebenmal eponymer Konsul, Domitian hingegen nur einmal eponymer Konsul und fünfmal Suffektkonsul) bekam. Und während Titus über die Juden triumphierte, wurde dem Domitian eine eigene militärische Betätigung bei der Niederschlagung des Bataveraufstands verwehrt.
 
Man kann Dinge oft so oder so darstellen, positiv oder negativ, während man eigentlich über dasselbe schreibt, es aber positiv oder negativ bewertet. Wichtig ist, dass man sich nicht vom lobenden oder gehässigen Unterton verwirren lässt, sondern die Fakten herausfiltert. Man muss eben zwischen Fakten und Darstellungsweise differenzieren.
Und das ist genau das, was heutige Historiker meiner Meinung nach versuchen rauszubekommen und was von Galeotto dann als "sauberschreiben" beschrieben wird.
 
Beim "Sauberschreiben" werden bestimmte von den antiken Autoren erwähnte Fakten, die nicht ins von manchen modernen Autoren gewünschte Bild passen, als "unglaubwürdig" und "tendenziös" verworfen. Es wird also nicht nur die vom antiken Historiker formulierte negative Interpretation einer bestimmten Handlung infrage gestellt, sondern gleich die Handlung an sich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und das ist genau das, was heutige Historiker meiner Meinung nach versuchen rauszubekommen und was von Galeotto dann als "sauberschreiben" beschrieben wird.
Mit sauberschreiben meine ich keinesfalls eine ernsthafte historische Untersuchung sondern dass es offenbar schick geworden ist unbedingt nachweisen zu wollen, dass Leute wie Caligula, Nero und Co auf gar keinen Fall so schlimme Finger waren, wie in der Antike behauptet wurde. Und wie schon gesagt ,verwenden sie die gleichen Autoren, die sie Lügen strafen möchten ,wenn diese etwas Positives über den jeweiligen Herrscher mitzuteilen hatte und zweifeln das niemals an. Vor einigen Jahren hatte ich ein Buch eines Franzosen(ich habe es nicht mehr und weiß daher leider den Namen des Autors nicht mehr) über Nero. Wenn man das gelesen hatte, glaubte man Nero wäre der fähigste Kaiser aller Zeiten gewesen.

Man kann sicher zweifeln über Äußerungen, die ein Kaiser in kleinem Kreise gemacht hat aber bei Dingen, die in der Öffentlichkeit geschehen sind, sieht das schon anders aus. Die peinlichen Feldzüge Caligulas waren in den Legionen sicher auch zu Suetons Zeiten nicht in Vergessenheit geraten, auch wenn es Keiner mehr selbst erlebt hatte. Ebenso der völlig unsinnige Brückenbau zwischen Puteoli und Bauli bei dem Gaius Caesar beweisen wollte, dass er über das Meer reiten kann, wird in der Region Kampanien noch lange Thema gewesen sein. Die Leute wurden ja nicht wie wir heute täglich mit Nachrichten aus aller Welt überfüttert und erzählten sich derartige Ereignisse bestimmt über mehrere Generationen.
Schauen wir uns Diktatoren der jüngeren Vergangenheit an so finden wir doch alle menschlichen Abgründe, die man sich kaum vorstellen kann. Warum sollen römische Kaiser, die absolute Herrscher über ein riesiges Reich waren edlere Menschen gewesen sein als ein durchgeknallter Despot eines kleinen Landes heutzutage.
 
Ich erinnere mich nur an entsprechende Diskussionen, die wir über Caligula in Bezug auf Winterlings Deutung hatten, wo du ihm auch solch ein sauberschreiben vorgeworfen hattest. Wobei Winterling die ganzen Geschichten Suetons ja nicht verwirft, sondern sie eben nur anders als von Sueton nahegelegt deutet. Der Caligula Winterlings ist auch kein sonderlich guter Mensch geworden, er unterscheidet sich von dem Suetons nur dadurch, dass er nicht mehr wahnsinnig ist.
 
Der Caligula Winterlings ist auch kein sonderlich guter Mensch geworden, er unterscheidet sich von dem Suetons nur dadurch, dass er nicht mehr wahnsinnig ist.
Wobei es eigentlich völlig Wurst ist, ob Caligula wahnsinnig war oder nur wahnsinnige Dinge getan hat. Ob er krank oder einfach nur ein großes böses Kind war, wird nach 2000 Jahren keiner mehr mit Gewissheit sagen können. Entscheidend ist doch wohl, dass er offenbar ein übler Herrscher war. Es ist auch nicht wichtig ob Hitler ,Mussolini und Stalin verrückt waren oder nicht ,Fakt ist dass er ein großes Unglück für ihre Länder und einen Teil der Welt waren.

Dass Caligula untragbar war zeigt für mich schon seine Ermordung nach nur reichlich drei Jahren Regierungszeit. Am Beginn der Kaiserzeit war der Kaisermord noch nicht an der Tagesordnung wie in der Aera der Soldatenkaiser.
 
Die Diskusison ist interessant.

Ist die Zuverlässigkeit der antiken Autoren, oder bestimmter Autoren, als gesondertes Thema in der Literatur aufgearbeitet worden? Hat da jemand Tipps? Mich würde wundern, wenn es dazu nichts geben würde, von Hinweisen in einzelnen Gebieten mal abgesehen?
 
Wobei es eigentlich völlig Wurst ist, ob Caligula wahnsinnig war oder nur wahnsinnige Dinge getan hat.

Find ich nicht, aber wir müssen ja nicht gleicher Meinung sein.
Ob er krank oder einfach nur ein großes böses Kind war, wird nach 2000 Jahren keiner mehr mit Gewissheit sagen können.

Nach 2000 Jahren werden wir kaum eine Frage mit Gewissheit entscheiden können.
Entscheidend ist doch wohl, dass er offenbar ein übler Herrscher war.

Für wen? Für alle Römer? Für die Stadtrömer? Die Reichsbevölkerung? Alle?
Es ist auch nicht wichtig ob Hitler ,Mussolini und Stalin verrückt waren oder nicht ,Fakt ist dass er ein großes Unglück für ihre Länder und einen Teil der Welt waren.

Über die Sinnhaftigkeit eines Vergleichs römischer Kaiser im allgemeinen oder Caligulas im speziellen mit modernen Diktatoren, kann man auch geteilter Meinung sein.
Dass Caligula untragbar war zeigt für mich schon seine Ermordung nach nur reichlich drei Jahren Regierungszeit. Am Beginn der Kaiserzeit war der Kaisermord noch nicht an der Tagesordnung wie in der Aera der Soldatenkaiser.
Tiberius (gerüchteweise ermordet)
Caligula (ermordet)
Claudius (ermordet)
Nero (Selbstmord)
Galba (ermordet)
Otho (Selbstmord)
Vitellius (ermordet)
Vespasian (natürlicher Tod)
Titus (gerüchteweise ermordet)
Domitian (ermordet)

Eine gute Quote an ermordeten Kaisern im 1. Jh. n. Chr.!

Bei einigen Bevölkerungsgruppen scheint Caligula durchaus beliebt gewesen zu sein. Stellt sich wieder die Frage, für wen Caligulas Herrschaft nicht tragbar gewesen ist?
 
Deine Aufzählung der ermordeten Kaiser bestreite ich gar nicht . Wie Du selbst schriebst wurde Tiberius eventuell ermordet allerdings dann für seinen Nachfolgers(Caligula) ,der eigene Machtambitionen hatte. Außerdem hat Tiberius ziemlich lange Zeit regiert und war schon im Greisenalter und lag schon auf dem Sterbebett.
Einen Kaiser durch Prätorianer zu töten, die selbst überhaupt nicht die Aussicht hatten, etwas dabei persönlich zu gewinnen( Chärea und Sabinus hatten selbst keine Neigung die Herrschaft) war schon etwas Anderes.
Es behauptet auch kein antiker Schreiber, dass Claudius sie beauftragt hätte um selbst Kaiser zu werden. Caligula wurde getötet weil er unerträglich geworden war.
Claudius wurde auf Betreiben seiner Frau ermordet um ihren Sohn auf den Thron zu heben.
Alle anderen Kaiser wurden, bis auf Domitian, immer aus Machtgelüsten Anderer ermordet. Bei Domitian war es wohl eher der Selbsterhaltungstrieb seiner näheren Umgebung, die ihres Lebens unter seiner Herrschaft nicht mehr sicher waren. Aber auch er regierte verhältnismäßig lange. Bei Galba, Vitellius und Otho war der Tod dem allgemeinen Aufruhr nach Neros Ende und den Machtgelüsten der verschiedenen Legionen geschultet. Sie kann man mit Caligula gar nicht vergleichen, denn er übernahm einen geordneten Staatshaushalt und seine Machtübernahme verlief ziemlich reibungslos, ohne Unruhen im Heer oder der Bevölkerung. Kaum ein Kaiser war mit solchen hoffnungsvollen Erwartungen inthronisiert worden wie er. Die Ernüchterung war entsprechend groß.

Das Argument, dass Caligula bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen beliebt war besagt gar nichts. Es wird immer einige Profiteure von der Herrschaft eines Bestimmten geben. Große Empörung rief sein Tod aber offenbar nur bei seiner begünstigten Germanengarde und vielleicht bei einem Teil der Prätorianer hervor. Auch seine Freigelassenenen Helikon und Protogenes werden über sein Ende nicht erfreut gewesen sein. Bei der Bevölkerung der Hauptstadt war er nach seinen zahlreichen Steuererhöhungen und Willkürakten, wie dem verprügeln lassen der Zuschauer im Zircus wohl kaum noch beliebt.
Titus war schwer erkrankt und wenn das Gerücht stimmt, dass bei seinem Tod nachgeholfen wurde so geschah das auf Betreiben seines Bruders und Nachfolgers und nicht weil er sich bei Volk oder Senat verhasst gemacht hatte.

Ob Caligula krank war oder nicht ist sicher vom medizinischen Standpunkt interessant aber wird nicht klärbar sein. Dass er in seiner Regierungszeit eine schwere Erkrankung hatte schreiben sowohl Sueton als auch Philon. Ob diese aber zum Wahnsinn geführt hat oder nicht wird wohl nicht mehr zu ermitteln sein.
 
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Dafür, dass die gehobenen Schichten auch der Rennleidenschaft frönten, spricht das Hoppodrom im privaten Bereich des Palastes des Domitian auf dem Palatin. Man hielt es lange Zeit für einen Garten, in u-Form ist aber heute wieder eher der Ansicht, dass es wirklich für Wagenrennen bestimmt war. Das Vorhandensein einer Spina spricht dafür. Ob Domitian selbst auf dem Gelände Wagen fuhr ist aber zweifelhaft. Laut Sueton betätigte er sich nicht gern sportlich und mochte keine körperliche Anstrengung, mit Ausnahme des Bogenschießens worin er sehr geschickt gewesen sein soll.
 
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flavius-sterius
Aber kannst Du bitte konkret ausführen, was ihn zum Statthalter von Germania Inferior qualifizierte? Welche militärischen Erfahrungen/Erfolge hatte er in seiner Ämterlaufbahn gesammelt?
EQ schrieb:
Ich verstehe nicht ganz, was das mit meinem Diskrepanz-Postulat zu tun hat.
Ich entnehme der Antwort, wohl nichts. Mir schien es so, als würdest Du die Korrektheit der Darstellung von Vitellius bei Sueton und Tacitus anzweifeln.

EQ schrieb:
Ähnlich Vitellius. Der wird letztlich als Nutznießer ausgerechnet der Unsympathen der julisch-claudischen Familie dargestellt, der in seiner Jugend als Sohn eines politisch "guten" Konsuls mit diversen Fetischen mit Caligula Wagen fuhr und sein am stärksten herausstechendes Charaktermerkmal ist, dass er Alkoholiker gewesen sei (vinulentia, Alkoholmissbrauch) und der mit Claudius das Interesse am Würfeln gemeinsam hatte. Wenn man diese Darstellungen übernimmt, dann hat man einen stiefelleckenden Karrieristen vor sich, der ohne besondere Fähigkeiten, aber mit einer ganzen Menge unsympathischer Eigenschaften, eine politische und militärische Karriere machte.
Habe ich mich wohl verlesen, sorry.
 
El Quijote schrieb:
Zunächst einmal verwechselst du den antiken Historiographen mit dem modernen Geschichtswissenschaftler.
Dass antike Historiker noch keinen Universitätsabschluss vorweisen konnten, macht sie nicht per se unseriös und unwissenschaftlich. Ich habe schon ausgeführt, dass sie ernsthafter arbeiteten als ihnen das heute zugestanden wird.

Das habe ich auch nicht geschrieben, von "per se" schon mal gar nicht. Mein Aussageabsicht ging in eine völlig anderer Richtung:

El Quijote schrieb:
Die Historiographie gibt es im Prinzip nicht mehr.

Du stellst es so dar, als wären heutige Historiker (Geschichtswissenschaftler) mit antiken oder mittelalterlichen Historiographen (Geschichtsschreibern) identisch, als handele es sich um denselben Berufsstand. Und das stimmt eben nicht. Es ist aber nicht die Aufgabe von Historikern historiographische Texte zu schaffen. Daher ist die Frage, ob man modernen Historikern nicht genauso Verleumdung vorwerfen könne, wie den antiken Historiographen eine Frage, die von einer falschen Prämisse ausgeht.
Allerdings braucht es, um wissenschaftlich zu arbeiten, auch einer entsprechenden Fragestellung und geeigneten Methode, ob die antiken Historiographen sich einer solchen bedienten, sei hier mal dahingestellt.
Mir sei an dieser stelle die Gegenfrage erlaubt, warum du offenbar der Auffassung bist, dass das, was die antiken Historiographen so schreiben "per se" nicht in Frage zu stellen ist.

Umso bemerkenswerter ist, dass auch Sueton die Causa Helvidius Priscus thematisierte. Dessen Hauptvergehen lag darin, dass er den Vespasian nicht als Kaiser anerkannte (was Sueton auch erwähnt!); anscheinend war das ausschlaggebend für seine Hinrichtung. Sueton berichtete also selbst darüber, dass es Zweifel an der Legitimität Vespasians gab.
Im Übrigen wüsste ich nicht, was an der Darstellung des Putsches von Vitellius dislegitimierend und an der von Vespasian legitimierender sein soll. Zwar schreibt Sueton, dass es einen Brief von Otho an Vespasian gab, in dem er ihn quasi zur Nachfolge berief, aber erstens schreibt Sueton selbst, dass der Brief eine Fälschung gewesen sein könnte, und zweitens war Otho selbst ein Usurpator gewesen.
Vorsicht: Ich schrieb nicht, dass Sueton ein pro-flavischer Propagandist war. Ich schrieb, dass er Vitellius durch die flavische Brille gesehen haben dürfte, nicht die Flavier selbst. Suetons Werk hat - in der Tiefenstruktur des Werkes - verschiedene Schichten, auch wenn sie in der Oberflächenstruktur (der Narration) nicht so ohne weiteres erkennbar sind.
Um das mal mit heute zu vergleichen: Eine der bekanntesten und erfolgreichsten in den Köpfen der Menschen verankertsten Propagandaerfolge der Nazis ist die Autobahn. Viele Menschen, die unverdächtig sind mit Nazis zu sympathisieren, sind der Auffassung, die Hitler haben die Autobahn erfunden und bauen lassen (natürlich gibt es auch Leute, die das noch als Entlastungsargument nutzen).
Dieselben Leute, die also glauben, Hitler habe die Autobahn erfunden und bauen lassen, können aufgrund der Verbrechen der Nazis, die größten Gegner derselben sein. Sie sind aber in dem einen Punkt der Propaganda der Nazis gefolgt. Es spiegeln sich hier im Prinzip zwei Bewusstseinsschichten ab, einmal eine Bewusstseinsschicht, die vermutlich vor 1941 entstanden ist und durch die nationalsozialistische Berichterstattung in die Köpfe der Menschen gelangt ist und durch Zeitzeugen dann weitergegeben wurde. Die Zweite Bewusstseinsschicht ist das eigene Erleben des Krieges in all seinen Facetten. Hier erlebten die meisten Menschen (auch überzeugte Nazis) eine Diskrepanz zwischen der eigenen Erfahrung und der Staatspropaganda. So kann es passieren, dass Nachgeborene, die ja in erster Linie keine Historiker sind sondern Kinder und Enkel, durchaus verschiedene Bewusstseinsschichten kommuniziert bekommen.
Es besteht also überhaupt kein Widerspruch dazwischen, dass in der causa Vitellii flavische Propaganda zum Zuge kommt, in der causa Vespasiani aber nicht, weil Sueton hier auf verschiedene Quellen und/oder Bewusstseinsebenen zurückgreifen musste. So wie es im Autobahnbeispiel den Nachgeborenen nicht bewusst ist, dass sie hier auf Nazipropaganda reinfallen, so war es auch Sueton möglicherweise nicht bewusst, dass er auf flavische Propaganda reinfiel.

Dass Sueton sie in bestimmter Absicht erzählt, macht sie doch noch nicht per se unglaubwürdig.

Wie oben: Das habe ich nicht behauptet. Lies noch mal nach.

Ich entnehme der Antwort, wohl nichts. Mir schien es so, als würdest Du die Korrektheit der Darstellung von Vitellius bei Sueton und Tacitus anzweifeln.

In Teilen tue ich das durchaus. Es kann durchaus sein, dass Vitellius ein Stiefellecker war (ein Karrierist war er wohl auf jeden Fall, aber letzteres ist in der antiken Historiographie selten ein Negativmerkmal). Was bei mir gegenüber den antiken Historiographen den "Moment mal!"-Effekt auslöst, das ist die Radikalität der Darstellung von Männern mit nur negativen Eigenschaften.
 
Ob Caligula krank war oder nicht ist sicher vom medizinischen Standpunkt interessant

nicht nur vom medizinischen Standpunkt her. War er wirklich wahnsinnig erscheinen seine Taten doch in einem ganz anderen Licht, wenn wenn er eben bei Verstand war.
aber wird nicht klärbar sein.

Wie schon geschrieben: Die meisten Fragen sind nicht eindeutig zu klären, aber man kann sich über Argumente pro/contra austauschen.

Ich sehe das besondere an der Ermordung Caligulas im Vergleich zu anderen Kaiserermordungen nicht wirklich - aber ich muss ja auch nicht alles sehen/verstehen.
 
Du stellst es so dar, als wären heutige Historiker (Geschichtswissenschaftler) mit antiken oder mittelalterlichen Historiographen (Geschichtsschreibern) identisch, als handele es sich um denselben Berufsstand. Und das stimmt eben nicht. Es ist aber nicht die Aufgabe von Historikern historiographische Texte zu schaffen. Daher ist die Frage, ob man modernen Historikern nicht genauso Verleumdung vorwerfen könne, wie den antiken Historiographen eine Frage, die von einer falschen Prämisse ausgeht.
Eigentlich nicht. Wer garantiert denn, dass ein Geschichtswissenschaftler immer seriös und lege artis arbeitet? Wenn ein antiker Geschichtsschreiber der Versuchung erliegen konnte, etwas bewusst falsch darzustellen, um damit einen gewünschten Effekt zu erzielen, wieso soll dann ein heutiger Geschichtswissenschaftler davor gefeit sein (z. B. weil bestimmte Ergebnisse oder Darstellungen seiner Karriere förderlich sein könnten)? Zumal auch heutige Geschichtswssenschaftler durchaus unter (politischem, wirtschaftlichem oder sonstigem) Druck stehen können, zu bestimmten Ergebnissen zu gelangen oder nicht zu gelangen. Sie sind wohl auch viel abhängiger von diversen Geldgebern als das die oft der Oberschicht angehörenden Geschichtsschreiber der Antike waren.

Mir sei an dieser stelle die Gegenfrage erlaubt, warum du offenbar der Auffassung bist, dass das, was die antiken Historiographen so schreiben "per se" nicht in Frage zu stellen ist.
Das habe ich nie geschrieben. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass man z. B. hinterfragen muss, wer von Ereignissen oder Gesprächen überhaupt erfahren haben kann, und dass man zwischen der Faktenschilderung und den damit verknüpften Interpretationen hinsichtlich der Motivation oder des Geisteszustandes des Handelnden unterscheiden muss. Nicht in diesem, aber in anderen Threads habe ich bereits wiederholt betont, dass man auch den zeitlichen Abstand zwischen dem Ereignis und seiner Schilderung berücksichtigen muss.
Ich bin nur dagegen, negative Schilderungen per se infrage zu stellen und dann nach der jeweils passenden Erklärung, wieso sie verfälscht sind, zu suchen. (Der senatorische Geschichtsschreiber konnte den Dargestellten nicht leiden, weil er fies zum Senat war. Der Geschichtsschreiber hat den Dargestellten negativ dargestellt, weil er auf die Propaganda dessen Nachfolgers hereingefallen ist. Etc.)
Warum wird das eigentlich nicht auch andersherum gemacht? Warum wird nicht infrage gestellt, dass Vespasian ein relativ "guter" Kaiser war? Vielleicht war er in Wahrheit ein totaler Unhold und Schlächter, der nach seinem Sieg die halbe römische Oberschicht ausradierte und mit sämtlichen Frauen der überlebenden Hälfte ins Bett hüpfte, und Sueton & Co. sind bloß der Propaganda der Flavier auf den Leim gegangen? (Ich antworte gleich einmal selbst: Weil so etwas nicht funktioniert. Nicht einmal Augustus schaffte es mit seiner jahrzehntelangen Propaganda, seine üblen Anfänge als Triumvir vergessen zu machen oder dass er auch noch als Kaiser gegen mögliche Rivalen wie Marcus Egnatius Rufus mit aller Härte vorging. Auch der Propaganda sind Grenzen gesetzt.)
 
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