Römische Außenpolitik (II)

@ TEJASON
Ganz herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort!

Aber wie ist das eigentlich.
Die Bezeichnungen "laeti" und "dedititicii" tauchen immer erst im Zusammenhang mit den Franken auf. Die früheste Erwähnung von Föderaten (= Bundesgenossen ?) begegnen in der Literatur wiederum im Zusammenhang mit den Germanenkriegen.
Waren beispielsweise die linksrheinisch - auf römischen Territorium - angesiedelten Sugambrer und Ubier z. B. solche Läten? Bei den Sugambrern kann ich es mir vorstellen, sie wurde ja vorher - mehrfach - besiegt, aber die Ubier als amiticii der Römer seit Caesar, doch nicht. Welchen Status hatten sie?

Meinst du, daß die Erneuerung nach dem Tod eines der Vertragspartner eigentlich nur germanische Rechtsauffassung ist? Wäre natürlich möglich, denn erst aus dem Endstadium des Weströmischen Reichs taucht in der Literatur ständig die Erwähnung von Vertragserneuerungen auch römischerseits bei Herrscherwechsel auf.

Beziehst du dich mit dem Selbstverständnis der Germanen als "Brüdern der Römern" auf die wohl in Theoderichs Zeit redigierte, sog. Völkertafel?

Sorry Muspilli, es hat eine Weile gedauert bis ich deine Fragen entdeckt habe. Da will ich versuchen dir bei der Antwort zu helfen, bin ich doch gewiss kein Experte in römischem Vertragsrecht:

Das römische Staatsrecht geht von übergeordneten Begriffen und nicht zwingend von handelnden Einzelpersonen aus: S.P.Q.R. = „Senat & Volk Roms“! Da ist keine Rede von Königen, Kaisern oder dergleichen. Für Germanen konnten Imperien, also (menschenleere) Städte und Territorien keinen Vertrag abschließen, da ein Vertrag eine handelnde Person voraussetzt. Nachvollziehbar im deutschen Recht, wenn etwa eine Handelsgesellschaft explizit als „juristische Person des Privatrechts“ definiert werden muss.

@Völkertafel: Ich beziehe mich im Wesentlichen auf Wolfram, der den von mir im Vorpost geschilderten Standpunkt ausführlich dargelegt hat.

Reine Formen der von mir im Vorpost angerissenen Vertragsbegriffe dürften eher selten vorgekommen sein. Keinesfalls sind die Bezeichnungen laeti und deditictii auf den Kontext mit den Franken beschränkt!
Einen Foedus schloss das Imperium mit allen Völkern und zu allen Zeiten. Entsprechend variierten die Vertragsbedingungen im Einzelnen, je nach Anlass. In der Spätantike wurde die Vertragsart des Foedus unersetzlich, etwa um den immensen Bedarf an Soldaten noch decken zu können. Vertragspartner solcher Verträge waren neben Germanen etwa Sarmarten, Mauretanen oder arabische Stämme. Während der ganzen kaiserlichen Zeit konnte es vorkommen, dass besiegte Feinde als Laeti umgesiedelt wurden.

Auch über gut bekannte und wegweisende Verträge, wie den oft zitierten Gotenfoedus des Kaisers Theodosius, ist es kaum möglich die genauen Vertragsbedingungen zu erfahren. So ein Stamm nicht wirklich hoffnungslos besiegt war, mochte er den Ausdruck deditictii auch gewiss nicht hören und tat viel um sich durch einige Änderungen diesen Stempel zu ersparen. Allerdings wurden alle unterworfenen Landesbewohner während der römischen Expansion zu deditictii, so weit ihr Territorium dem römischen Staat angeschlossen wurde, das ist auch der eigentliche Ursprung dieses Begriffes, der sich in die Spätantike in seiner Bedeutung anpassen musste um den veränderten Gegebenheiten zu entsprechen! Die unendlichen Schwierigkeiten, welche die Auslegung dieser Vereinbarungen durch die ganze Antike begleiten zeigen wieder die Schwierigkeiten auf, die mit ihnen verbunden sind! Jeder Vertragspartner versuchte bei Gelegenheit „nachzubessern“, was oft zu chaotischen Situationen führte.
Die römische Seite war dabei zu allen Zeiten ganz wesentlich von dem gern zitierten Grundsatz „divide et impera“ bestimmt. Dieser (wenn auch erst später geprägten) Leitsatz enthält die Essenz aller zu betrachtenden Verträge über die wir sprechen! Die Römer selbst schlossen sehr selten zeitlich unbefristete Foedus-Verträge. Es sei denn, man kann sie als „Fesselungsverträge“ ansehen, die einseitig zu ihren Gunsten waren. Zu den wenigen Ausnahmen gehören die Abkommen mit Theoderich dem Ostgoten und Geiserich dem Vandalen, doch trotzdem hielten beide Verträge nicht allzu lange über den Tod ihrer ersten Könige hinaus! Dabei war es beiden Königen sehr wichtig gewesen, die Regelung ihrer Nachfolge in Herrschaft und Vertragskontinuität auf sichere Füße zu stellen. Sie scheiterte letztlich, durch (räusper) spitzfindige Auslegung der Verträge durch die Römer.

Es ist schwierig bis Unmöglich für mich die entsprechenden Vereinbarungen zwischen Römern einerseits und Sugambrern und Ubiern andererseits einzuordnen. Dazu kommt das mit der ‚Constitutio Antoniniana’ der Begriff deditictii zum Teil neu besetzt wurde! Wie ist das zu verstehen?
Das Gebiet einer durch römische Eroberung begründeten Provinz wurde grundsätzlich als unveräußerliches Eigentum des römischen Staates definiert. Ihre ‚eingeborenen Bewohner’ hatten nicht das römische Bürgerrecht, sondern wurde durch eventuell zugestandene Eigenverwaltung mit ihrem eigenen (gentiles) Recht beurteilt, solange nicht spezielles, römisches Recht griff. Diese so genannten peregrini (Fremden) waren bisher per se auch als deditictii bezeichnet worden. Durch die ‚Constitutio Antoniniana’ (212 n. Chr.) wurde die rechtliche Abgrenzung zwischen peregrini und römischen ‚Vollbürgern’ weitgehend aufgehoben, indem allen freien peregrini das römische Bürgerrecht verliehen wurde. Ausdrücklich ausgenommen blieben davon aber auch die deditictii! Die damit ausgegrenzten deditictii-Unterworfenen sind also von jetzt an etwa die unfreien, unter Zwang angesiedelten laeti.
Im Gegensatz dazu wurden aus den Goten der Schlacht von Adrianopel als Volk angesiedelte römische Foederaten mit eigenem Recht und der Chance eigene Verträge mit der Reichsregierung auszuhandeln. Ganz gemäß ihrer Vereinbarungen mit Kaiser Theodosius.
Andere, ebenfalls um diese Zeit auf Reichsgebiet vorgedrungene Gruppen der Greutungen waren jedoch durch römisches Militär unterworfen worden (deditictii!!) und als (‚rechtlose’) laeti nach Kleinasien umgesiedelt worden mit der Verpflichtung ebenfalls Militärdienst für das Reich zu leisten.
So wird offensichtlich, warum foederierte Heere eine so ungeheure Anziehungskraft auf zwangsweise angesiedelte laeten hatten. Indem sich die Laeti-Krieger den durchziehenden Foederierten anschlossen, gewannen sie die persönliche Freiheit zurück, genossen Schutz, Vorrechte und Geldzahlungen eines Foederierten! Auch der ‚König’ des foederieten Volksheeres gewann. Seine persönliche Macht und die Macht seines Heeres & Volkes steigerten seinen Vertragswert gegenüber der Reichsregierung und im Verhältnis zu konkurrierenden Foederierten.
 
Da ich mich im Vorpost ein wenig in Details verloren habe, hier ein paar prägnantere Punkte, auch wenn im Prinzip bereits gesagt:

Zur Begriffsklärung:
Gentes:
Vereinfacht gesagt sind das in unserem Zusammenhang Völker oder Stämme die unter eigener Regierung und eigenem Recht leben. Gewöhnlich war das natürlich außerhalb des Römischen Reiches, was sich erst nach den Rechtsformen der Foederatenverträge nach Adrianopel ändern konnte. Eine Gens ist nicht Gegenstand römischen Staatsrechts, sie leben frei und bilden eine gemeinsame Abstammungsgesellschaft und/oder eine gemeinsame Rechtsgemeinschaft. Man benutzt den Ausdruck Gentes eher bei ‚barbarischen Stämmen/Völkern’, er trifft eigentlich auch bei den meisten fremden Staaten zu. Sehr wohl können Gentes verschiedene Ethnien einschließen, sie sind Gegenstand der Ethnologen.
Nur ein gentiles Volk konnte also einen Foederatenvertrag abschließen, Laeten und deditictii aber nicht.
In der eigentlichen Wortbedeutung meint eine Gens mehr eine Sippe und eine Abstammungsgemeinschaft und ihre Siedlungsverbände. Es konnte auch eine Kult- oder Rechtsgemeinschaft bedeuten, wie ja noch heute per Grundgesetz die Familie als Kern des Staates angesehen wird und des besonderen Schutzes versichert wird. Der Schritt zur in unserem Zusammenhang benutzten ‚Staatsrechtlichen Form’ ist also gar nicht so groß.

Zusammenfassung:
Eine Gens kann einen Foedus mit dem Imperium abschließen und Foederat werden, muss es aber nicht. Wird die Gens im Kriege unterworfen, werden ihre Angehörigen deditictii und können als Laeten umgesiedelt werden.
Wird das Gebiet einer Gens unterworfen und in das Imperium eingegliedert, werden ihre Angehörigen nach altem Modus zwar auch deditictii, ihre Siedlungsgemeinschaft und Rechtsgemeinschaft kann aber innerhalb des Imperiums in eingeschränkter Form durchaus weiter bestehen, wenn sie sich integriert. Sie werden dann Peregrine und haben die Möglichkeit im Laufe der Zeit erweiterte- bis hin zum vollen Bürgerrecht zu erwerben, solange die Angehörigen der ehemaligen Gens die persönliche Freiheit behalten und keine Sklaven geworden sind.

Annahme:
Ich muss spekulieren, wenn ich auf die Frage nach dem Status von Ubiern und Sugambrern wirklich eingehen soll. Weil es aber eine Eingangsfrage von Muspilli ist, will ich es einmal wagen:
Die Ubier sind sowohl klassische Unterworfene, als auch Bundesgenossen der Römer gewesen. Nach der Umsiedlung lebt ihr Stammesname weiter, sie gehen nicht auf in den sei umgebenen anderen Völkerschaften und scheinen Peregrines Recht genossen zu haben. Ihr Stamm wurde ein Motor der Romanisierung. Darum ordne ich sie in die Gruppe mit anderen Provinzialen ein als deditictii alten Typs mit einem wohlwollenden Rom hinter sich. Denn auch wenn sie einst gegen Rom die Waffen erhoben hatten, hatten sie auch an der Seite Roms gekämpft und ihren Wert bewiesen.
Die Sugamber wurden als feindlicher Stamm von den Römern in ihren Wohngebieten heimgesucht, unterworfen und zwangsweise umgesiedelt, da sie sich nicht beugen wollten. Ihre Umsiedlung sollte sicherstellen, dass dieser Unruheherd ausgelöscht wurde. Ihr Volk betrachte ich daher als menschliche Beute zur Schwächung des germanischen Widerstands östlich des Rheines. Sie wurden als Kriegsgefangene angesiedelt, ihr Stammesname ging unter, also keine wirkliche Spur irgendeiner Selbstverwaltung, weil ihr Stamm ausgelöscht werden sollte. In diesem Sinne glaube ich davon ausgehen zu können, das die Sugambrer als Laeten umgesiedelt wurden.

...ich hoffe das hilft.
 
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