Cherusker schrieb:
So was haben denn die Langobarden, Franken, Goten, Angel-Sachsen usw. gemeinsam?:grübel: Richtig....sie sind mit Teilen bzw. in der Gesamtheit ihres Volkes auf Wanderschaft gegangen und so haben sie auch andere Herrschaftsformen (auch von den Römern inspieriert) eines Alleinherrschers über einen längeren Zeitraum angenommen.
Aber worüber schreiben wir hier eigentlich? Die Sachsen!!! Und zwar diejenigen fußlahmen Sachsen, die im norddeutschen Gebiet verblieben. Auch ist kein König bekannt, der die zurückgebliebenen Langobarden beherrscht hat.
Wie wurde so schön in diesem Forum schon mehrfach gesagt. "Nur weil es keine Erwähnung fand, heißt es nicht, daß es dies nicht gab".
Aber mal im Ernst. Die Sachsen kamen meiner Auffassung nach im fränkisch-thüringischen Krieg unter fränkische Herrschaft. Weiterhin kommt hinzu, daß die nordgermanischen Stämme, einschließlich der Thüringer keine Schriftsprache besaßen. Die nächste Theorie ist natürlich, daß die nordgermanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe schon vor 531 unter thüringischem Einfluß standen. Die beiden großen Königreiche zogen wie Magneten alle an ihren Rändern lebenden Gruppen in sich auf. Nicht ohne Grund werden die ersten Kämpfe des Thüringischen Krieges im Gebiet um Hannover vermutet.
Cherusker schrieb:
Ganz einfach....germanische Stämme hatten in der Antike die Angewohnheit einen Anführer für bestimmte Unternehmungen zu bestimmen. Als Beispiel nenne ich Dir hier: Ariovist ("Anführer des Heeres"), der suebische Gemeinschaften und andere germanische Stämme (z.B. Jüten) nach Gallien führte. Sie haben sich für diese Aktion einer bestimmten Person untergeordnet.
Und was hat das mit Anarchie zu schaffen, wenn z.B. auf einem Thing aus mehreren germanischen Adligen ein Anführer gewählt wird und ansonsten die Adligen ihre Gebiete beherrschen? Da gibt es doch keine Unordnung, wenn die Adligen für eine bestimmte Zeit einen Anführer wählen/bestimmen. Im Gegenteil, wenn in einem Kriegsfall zuviele Anführer verschiedene Ansichten haben, kommt es nicht zu einer notwendigen Entscheidung. Daher wurde für den zeitlich begrenzten Zeitraum einer Aktion ein Anführer gewählt, der militärische Handlungen koordinieren konnte. Auch bei den Kelten gab es solche Anführer. Wenn sie allerdings versagten, dann blühte ihnen bei den Kelten Unheil (Tod) und danach kam es auch nicht zur Anarchie.
Da braucht man nun wirklich keine Wissenschaften auf den Kopf zu stellen.....
Das Problem an dem ganzen Konstrukt ist, daß hier kein Fall bekannt ist, wo genau dieser Fall eingetreten ist, daß ein Heerführer für eine bestimmte Zeit die Befehlsgewalt hatte und sie dann wieder freiwillig abgegeben hätte. Das sind alles Interpretationen aus den mehrfach veränderten Chroniken, deren zeitnahe Ur-Quelle nicht mehr vorhanden ist.
Ein oberster Befehlshaber hat natürlich auch die Befugnisse, die, die ihn gewählt haben, abzusetzen, kaltzustellen usw. Desweiteren war die kriegerische Unternehmung erst dann beendet, wenn der "Heerführer" dies so wollte. Und was aus den Quellen des 7. und 8. Jh. herauszulesen ist, war eingentlich ständig Krieg ! Die Ruhephasen zwischen den Kämpfen waren so kurz, daß es kaum möglich war, die Mannschaften geordnet zurückzuführen und dann wieder neu aufzustellen. Die geplanten Kämpfe brauchten monatelange Vorbereitungszeit. Allein die logistischen Vorbereitungen und die Sicherstellung der Versorgung der Mannschaft war ein riesiges Unterfangen.
Das Element des Things und ähnlicher Ratssitzungen sind für die sächsischen Gebiete, wenn überhaupt letztmalig bei Tacitus erwähnt.
In Norwegen stand über dem Thing jeweils ein König (Hakon usw.). Überhaupt hört man von Norwegen erstmals im 7. Jh. und dort spricht man von "Kleinreichen". Die Angeln und Sachsen bildeten seit ihrer Ankunft in England Königreiche. Warum behielten sie nicht ihre altbewährte Form aus den altsächsichen Gebieten bei ? Die Angeln und Warnen bildeten im Thüringer Reich ein Königtum aus.
Der Thing in Island ist erst durch Landnahme norwegischer Siedler vom 9.-10. Jh. entstanden, die zuvor unter frühfeudalen Strukturen innerhalb der norwegischen Kleinreiche lebten. Hier ist allerdings eine Sonderform entstanden, die es woanders in Europa nicht gab, die allerdings Mitte des 13. Jh. von außen beendet wurde. Ob es hier Gemeinsamkeiten und vor allem gemeinsame Urspünge mit den fränkischen und anderen germanischen Things gab, ist nicht nachweisbar.
Im Übrigen lebte die Thingverfassung auch unter den Franken und später den deutschen Königen weiter. Bis in die frühe Neuzeit sind diese Landgerichte noch anzutreffen.