Der Mythos von Lauban basiert, wie oben bereits erwähnt, auf der propagandistischen Ausschlachtung. Diese Motive wurden bei den Nachkriegsdarstellungen (zu den beteiligten Divisionen, aber auch bei General Nehrings Darstellung im Deutschen Soldatenhandbuch 1970) fortgesetzt. Bei näherer Betrachtung verflüchtigten sich manche Details, darauf beruhten die kritischen Anmerkungen.
1. Addiert man die Abschussmeldungen der beteiligten deutschen Divisionen, so kommt man auf über Tausend. Die ausschließlich engagierte russische 3. Garde-Panzerarmee verfügte Anfang März über ca. 420 Panzer und Sturmgeschütze. Nach Abschluss der Kämpfe und Herausziehen der Panzerarmee verfügte diese einsatzfähig über 250 Panzer und Sturmgeschütze; das Herausziehen war bereits vor Beginn der deutschen Offensive angeordnet und hatte mit dem Ergebnis der Kämpfe nichts zu tun.
2. Völlig unklar ist die Bedeutung der Eisenbahnlinie. Richtig ist hier, dass die deutschen Nachkriegsdarstellungen darauf (auf dieses elektrifizierte Strecke) verweisen. Es gibt außerdem den Verweis Speers auf die die Tages-Abfahrleistung von rd. 8000 Waggonladungen Kohle aus den schlesischen Gebieten, was den Großteil der Bahnkapazitäten gebunden haben muss. Abgefahren wurde allerdings seit Mitte Februar nach Südwesten und Süden (Tschechei etc.), die Abfahrleistungen wurden auch im März erreicht, ohne Benutzung von Lauban. Weiterhin wurde die Strecke für die Versorgung/Verschiebung der in Schlesien kämpfenden Wehrmachtsverbände benutzt. Genaueres dazu ist nicht bekannt.
3. Das eigentliche Ziel des Angriffs (-> Mehner, Geheime Lageberichte der Wehrmachtsführung) kann man auf drei Aspekte beziehen:
- Bindung der vermutet bereits herausgezogenen Verbände der sowjetischen 3. Panzerarmee zur Verzögerung weiterer Offensiven gegen Berlin und Schlesien. Das ist nicht gelungen. Es lief bereits die Ablösung durch die sowjetische 52. Armee.
- Einkesselung der Verbände der sowjetischen 3. Panzerarmee (befehlsgemäß bei Naumburg). Dies ist nicht bzw. nur erfolgslos teilweise gelungen, da sich die Masse der Einschließung entzog.
- Die Einkesselung wird in den Geheimen Lageberichten als erste Voraussetzung für eine Entsatz-Offensive (2. Abschnitt der Planung) für das eingeschlossene Breslau genannt. Dieses Ziel wurde nicht erreicht, da die Vernichtung der sowjetischen Verbände misslang.
Dazu einige Zitate:
„Der wichtige Bahnknotenpunkt (sic!) Lauban muss wieder freigekämpft werden, um den Nachschub in Richtung Breslau (!) sicherzustellen. …
In den Nachmittagstunden (2.3.45) steht der Divisionskommandeur der Führer-Grenadier-Division vor der Entscheidung, in welcher Richtung der Angriff weiterzuführen ist. Laut Befehl müsste er nunmehr nach Norden … erfolgen. … Andererseits wäre ein Einschwenken … nach Osten … der kürzere Weg …; allerdings wäre auch der zu bildende Kessel kleiner, der Erfolg damit geschmälert. Keiner wollte nun die Verantwortung tragen. Sowohl General Decker wie GenMaj. Mäder (FGD) entschließen sich schließlich für die kleinere Umfassung. … Die eigenen Verluste sind relativ sehr hoch, besonders bei der rechts eingesetzten Führer-Begleit-Division. …
Am 4. März … Der Kessel ist geschlossen, die Zahl der Gefangenen bleibt gering, … Die schweren Flankierungskämpfe der FBD und damit die zeitliche Verzögerung des Zusammentreffens mit der FGD haben eben doch die Masse der Sowjets entwischen lassen.“
Nur wenige Tage nach der Einnahme von Lauban erfolgte Anruf … von GFM Schörner, sofort ein Bataillon (!) nach Lauban zu entsenden, das bei einem Besuch Laubans durch Reichsminister Goebbels mitwirken soll, zumal der Minister eine Rede an die Frontsoldaten zu halten wünsche. Nach vielem Hin und Her gelang es schließlich, etwa 100 Mann zusammen zu bekommen… Lobpreisungen auf Schörner, Lobpreisungen auf Goebbels, … Einige Hitlerjungen werden mit dem E.K. ausgezeichnet, von den Männern der Einheiten erhält niemand eine Auszeichnung.“
[Spaeter, Geschichte des Panzerkorps Großdeutschland, Band III).
„Die durch Lauban führende strategisch wichtige Eisenbahnlinie von Görlitz nach Schlesien war praktisch gesperrt. …
Ende Februar 1945 spielte die oberste Führung mit dem Gedanken, [das] …eingeschlossene Breslau durch einen Gegenangriff zu entsetzen. Voraussetzung für den Aufmarsch der dafür vorgesehenen Truppen (!) war die Freikämpfung der Eisenbahnlinie Görlitz-Lauban-…-Oberschlesien, die bei Lauban durch die Russen unterbrochen war. …
… jedoch gemessen an der Gesamtstärke der Russen, begrenztem Erfolg. Nichtsdestoweniger hat die deutsche Propaganda (Goebbels) den Erfolg bei Lauban weidlich ausgeschlachtet.“
[Kortenhaus, Der Einsatz der 21. Panzer-Division 1944/45)
Tagesmeldung 3.3.1945: „Gruppe Nehring trat mit zwei Panzerkorps … im Raum beiderseits Lauban zum Angriff an … und kam gegen den zunächst überraschten Feind mit beiden Angriffsgruppen gut vorwärts. Während die rechte Angriffsgruppe planmäßig … auf Naumburg (!) eindreht, steht die linke Angriffsgruppe im Kampf mit dem … sich verstärkenden Feind.“
Tagesmeldung 4.3.1945: „In Niederschlesien brachte der eigene Angriff zweier Panzerkorps im Raum Lauban nicht den erwarteten Erfolg und lief sich zunächst fest. Von dem weiteren Verlauf … wird es abhängig sein, ob der Feind veranlasst wird, Teile der vermutlich zur Auffrischung herausgezogenen 3. Panzer-Armee einzusetzen, wodurch voraussichtlich eine wesentliche Störung der Feindabsichten hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs seiner Planung eintreten würde.“
Tagesmeldung 5.3.1945: „In Niederschlesien gewann im Raum Lauban der eigene Angriff nach Umgruppierung einige Kilometer Boden.“
Tagesmeldung 6.3.1945: „In Schlesien erreichte im Raum Lauban der eigene Angriff ... den Queis-Abschnitt 6 km n-o Lauban, während die östliche Angriffsgruppe durch Flankenangriffe des Feindes nur unwesentlich vorwärts kam.“
Tagesmeldung 7.3.1945: „In Schlesien erreichte im Raum Lauban der eigene Angriff im Wesentlichen (!) die gesteckten Ziele. Starke Gegenangriffe wurden abgewiesen und eine feindliche Kräftegruppe eingeschlossen.“
Tagesmeldung 8.3.1945: ---
[Mehner, Geheime Tagesberichte der Deutschen Wehrmachtsführung - Die gegenseitige Lageunterrichtung der Wehrmachts-, Heeres- und Luftwaffenführung über alle Haupt- und Nebenkriegsschauplätze, Band 12]
„Das 99. Mechanisierte Korps der Sowjets wird stark angeschlagen“ (Dinglreiter, Die Vierziger – Geschichte des PGR 40 der 17. Panzerdivision) – dies klärt mE den Irrtum oben:
gemeint ist das 9. Mechanisierte Korps der 3. Panzerarmee.
Den lokalen Angriff, der im Wesentlichen (Zerschlagung bzw. Bindung starker Panzerkräfte und Verzögerung der sowjetischen Offensive in Oberschlesien, in der Lücke zwischen 17. Armee und 4. Panzerarmee, an den Oder-Brückenköpfen) die Kesselbildung bei Naumburg (nicht: Lauban!) vorsah und Vorbereitung für eine Entsatz-Offensive Breslau darstellen sollte, wurden propagandistische Durchhalteparolen abgeleitet. Für den „strategischen Wert“ der Eisenbahnlinie gibt es keine Hinweise. Ein Schlaglicht wirft hierauf der Hinweis, dass diese Linie für die 8.000-Tages-Waggons der Kohleabfuhr auch nach der Freikämpfung nicht mehr genutzt wurde. Die Strecke wurde danach im Dampfbetrieb wieder aufgenommen, der bereits Mitte Februar zurückgezogene E-Betrieb wurde nicht wiederhergestellt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Zgorzelec–Wałbrzych#Im_Zweiten_Weltkrieg
sowie Fuchs, Wirtschaftsgeschichte Oberschlesiens 1871-1945 (zu dem Kohleproblem).
Lauban ist mE ein Musterbeispiel für die Verzerrung von Abläufen in der Endphase des Krieges. Falls gewünscht, kann ich noch eine "Tagesmeldung" hier abbilden, in der Lauban für den Kampf- und Durchhaltewillen der Truppen ausgeschlachtet wird.