ich habe mich letztens mit dem Nationalismus, sowie der Nationenbildung im Generellen auseinandergesetzt, um die Frage zu beantworten, seit wann es denn "deutsche" gibt - also kulturgeschichtlich.
Seit wann gibt es Deutsche? Nation und Identifikation
Ab wann sich eine "deutsche Identität" - oder ein deutsches Bewusstsein - herausgebildet hat, ist umstritten. Politisch beginnt dieser Prozess mit der Herauslösung des Ostfränkischen Reichs aus dem fränkischen Gesamtreich (Vertrag von Verdun 843). Im 10. Jh. wird die Herrschaft der Karolinger abgelöst und es etabliert sich mit den Ottonen eine in Ostfranken bzw. Sachsen beheimatete Dynastie. Die fühlte sich allerdings noch längst nicht "deutsch", denn die Ottonen betrachteten sich immer noch als Herrscher des Ostfränkischen Reichs und urkundeten demzufolge als
Regnum Francorum Orientalum.
Etwas später griffen die Kaiser auf Karl den Großen zurück und sahen sich als Herrscher des "Heiligen Römischen Reichs", was seit der Regierung des Saliers Konrad II. 1034 amtlicher Titel des Reichs wurde. In Urkunden Kaiser Friedrichs I. heißt das Reich "sacrum imperium", womit seine sakrale Würde betont werden solte. Das führte dann seit Mitte des 13. Jh. zu der Bezeichnung "Sacrum Romanum Imperium", was mehr als 500 Jahre bis zum Untergang des Reichs Bestand hatte.
Der Begriff "Deutschland" und "Deutsche" bildete sich ganz allmählich. Im Rahmen des Investiturstreits spricht Papst Gregor VII. erstmals im Hinblick auf Heinrich IV. vom "rex teutonicorum", um seinen Gegner auf die Ebene der anderen europäischen Könige herabzuziehen. Später findet man dann häufiger das "rex teutonicorum" oder aber "Teutonicum regnum" in Urkunden, vor allem wenn es darum geht, Unterscheidungen zu den Königreichen Burgund und Italien im Reichsverband herzustellen.
Etwa um 1100 tauchen Umschreibungen wie "in diutischem lande, "diutisches lant" u.ä. auf, etwa ab 1500 spricht z.B. Ulrich Hutten von den "deutschen Landen". Singular "Deutschland" ist also noch nicht vertreten, wohl aber die "deutsche Nation". Sie tritt als "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" (Nationis Germanicae) im 15. Jh. auf und bezeichnete einschränkend die deutschen Teile des Reichsgebiets.im Unterschied zu Italien und Burgund.
Demzufolge gehen viele davon aus, dass sich ein deutsches Bewusstsein frühestens im 10. Jh., voll erst im 11./12. Jh. gebildet hat. Aufgrund der starken Territorialisierung, d.h. der Zersplitterung des Reichs in unzählige kleine Herrschaftsgebiete, hat sich der Oberbegriff "Deutsche" im Volk vermutlich nur langsam durchgesetzt. Wichtig war für den Bewohner des Heiligen Römischen Reichs vor allem der Herrscher des Gebietes, in dem er ansässig war. Dieser Landesherr besaß die Gerichtshoheit und die gesamte Herrschergewalt und bestimmte somit ganz unmittelbar das Leben seiner Untertanen. Somit war der Deutsche des Mittelalters in erster Linie Baier, Hesse, Friese, Sachse oder Schwabe.
Vom "Deutschen Reich" schließlich ist erst seit der wilhelminischen Reichsgründung 1871 die Rede, während das Gebilde nach dem Wiener Kongress 1815 den Namen "Deutscher Bund" führte.