Ich hoffe, jemand kann mir helfen. Für eine Studienarbeit beschäftige ich mich mit der Entwicklung der Schulpflicht. Dabei komme ich an den Punkt, dass trotz der allgemeinen Schulpflicht bis zum Ende des 2. Kaiserreichs nur wenige Menschen den sozialen Aufstieg aus einfachen Verhältnissen geschafft haben. Um das Argument auszuführen, bräuchte ich ein paar Gegenbeispiele. Also, wer kann mir bekannte (deutsche) Persönlichkeiten nennen, die im 19. Jahrhundert aus ärmlichen Verhältnissen den Weg nach oben geschafft haben?
Bisher gehen viele Beiträge an der analytischen Dimension der sozialen Mobilität m.E. vorbei. Wieso man Gegenbeispiele braucht, um die geringe soziale Durchlässigkeit der aristokratisch geprägten großbürgerlichen deutschen Gesellschaft zu illustrieren, verstehe ich nicht.
Diese Beispiele sind ein Hinweis auf die sozialen Auswirkungen der Industriellen Revolution.
1. Es geht primär um das Thema der "sozialen Mobilität". In diesem Kontext wäre zunächst für eine Studienarbeit zu klären, was dieser problematische Begriff der "einfachen Verhältnisse" - als Konstrukt - analytisch bedeutet. Will sagen, es fehlt komplett ein theoretisches und empirisches Handwerkszeug.
2. Ob Einzelne den Aufstieg schaffen, oder ob es ein Phänomen ist, das bestimmte Segmente der Gesellschaft betrifft, wäre überhaupt erst einmal zu klären. Dabei zeigt sich gerade in der Übergangsphase von der ständischen Gesellschaft zur industriellen Klassengesellschaft ein Migrationspfad nach "Oben" Zu klären wäöre, wen es begünstigt hatte und wen es primär getroffen hatte (vgl. z.B. Kocka)
3. Der individuelle Aufstieg ist dabei ein Muster ohne Aussagewert, weil es immer und überall "Glücksritter" gibt, die aus welchen Gründen auch immer den Weg in die gesellschaftliche Elite schaffen.
4. Ansonsten ist zu klären, in welchem Umfang einer Ideologie in der Logik vom "Tellerwäscher zum Millionär" durch ein Narrativ des individuellen Aufstiegs befördert wird.
Ansonsten ist die Frage der gesellschaftlichen Organisation des kollektiven Aufstiegs, und Bebel wurde bereits genannt, im Rahmen der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung organisiert worden. Es war der Versuch eigenständige Bildungsinstitutionen zu organisieren, die das Bildungsniveau der Arbeiter kollektiv heben sollte.
Die Frage der gesellschaftlichen Durchlässigkeit ist allerdings deutlich komplexer zu bewerten als über die Frage der "Schulbildung". In den Arbeiten von Bourdieu und anderen wird diese Zwar unter den Begriff des "kulturellen Kapitals" subsumiert und stellt eine wichtige Quelle für den sozialen Aufstieg dar.
Gleichzeitig wird an dieser Sicht auf die Gesellschaft als "Schichten", "Klassen" oder als "Sozialstruktur" auch deutlich, dass mit der Zugehörigkeit zu einer Gruppierung innerhalb der deutschen Klassengesellschaft um 1900 auch Aspekte der Chancengleichheit betroffen sind. Mit dem Hineingeboren werden in die untere Klasse der deutschen Gesellschaft war eine deutlich geringere Chance verbunden, soziales Kapital, wie Bildung, zu erwerben.
Und somit war die Chance deutlich kleiner, einen sozialen Aufstieg zu erreichen. Und das war das normale kollektive Schicksal, das aus der Arbeiterschaft nur einen sehr begrenzten gesellschaftlichen Aufstieg kannte.
Kocka, Jürgen (1979): Stand-Klasse-Organisation. Strukturen sozialer Ungleichheit in Deutschland vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert im Abriß. In: Heinz-Gerhard Haupt und Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Klassen in der europaischen Sozialgeschichte. Neun Beitrage. Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 137–165.