"Ich, Don Giovanni" 2009
Ich habe jetzt den Film "Ich, Don Giovanni" (Carlos Saura) gesehen.
Die Handlung beginnt 1763 in Venedig. Lorenzo da Ponte konvertiert in Anwesenheit von Casanova (Tobias Moretti) zum katholischen Bekenntnis. Später sieht man ihn dann als jungen Mann, der Priester in Venedig geworden ist. Casanova ist Da Pontes (Lorenzo Balducci) Mentor, der ihn in eine lasterhafte aber auch freidenkerische Welt einführt, worin Da Ponte unzählige Liebesgeschichten hat. Zum Teil scheint er seine Priesterwürde dazu auszunutzen, um mit jungen Damen in Kontakt zu kommen. Letztlich fliegt aber sein doppeltes Spiel auf, er wird wegen seiner Mitgliedschaft bei den Freimaurern aus Venedig für 15 Jahre verbannt. Casanova verspricht ihm aber, dass er Da Ponte dem gefeierten und einflussreichen Komponisten Salieri empfiehlt. Zugleich weist Casanova Da Ponte darauf hin, dass man das Thema des Don Giovanni neu interpretieren müsse. In Wien angekommen gelingt es Da Ponte auch tatsächlich durch das zufällige Auftreten des Kaisers (Roberto Accornero) und dessen flugs getroffene Entscheidung, dass er einen Auftrag bekommt ein Libretto zu verfassen. Sein "Le Nozze di Figaro" zusammen mit Mozart wird auch tatsächlich ein Erfolg. Als er aber erneut auf Mozart (Lino Guanciale) mit dem neuen Projekt des "Don Giovanni" zugeht, lehnt dieser allerdings ab, vielleicht auch weil Salieri (
Ennio Fantastichini) etwas einfaches fordert (warum gerade Salieri, der Gluck nahestand, irgendeine einfache Musik anrät, erscheint nicht plausibel). Letztlich vermag es Da Ponte aber doch Mozart zu überzeugen indem er ihm von der Handlung vorschwärmt. Ein Problem haben die beiden Künstler allerdings noch mit den rivalisierenden Sängerinnen, der Caterina Cavalieri und Adriana Ferrarese, da sie beide die Hauptrolle in der Oper haben wollen und Da Ponte als Liebhaber der einen dieser verpflichtet ist. Statt ihrer verfällt er dann allerdings einer Annetta (Emilia Verginelli), der er in Venedig vor langer Zeit begegnet war. Die verschmähte ehemalige Geliebte bricht mit ihm und grollt ihm erstrecht, da er eine Hauptrolle ihrer Konkurrentin gibt, worauf sie versucht bei Casanova gegen ihn zu intregieren. Dies scheitert aber letztlich. Da Ponte muss nochmals als Priester fungieren, als Mozart, der vom Tod seines Vaters schwer getroffen ist, von ihm eine Absolution will. Letztlich kann Mozart seine Arbeit am "Don Giovanni" fortsetzen. Da gerät Da Ponte in eine Schaffenskrise, da er von Annetta nicht erhört wird, und er hat eine Woche vor der geplanten Aufführung das Finale der Oper noch nicht abgeschlossen. Da sucht ihn doch Annetta auf. Entgegen Casanovas Drängen entschließt sich Da Ponte, dass Don Giovanni, den er mit sich selbst vergleicht, keineswegs am Ende der Oper bereut. Am Schluss des Films haben Annetta und Da Ponte, der selber seinen Lebenswandel bereut, zueinander gefunden und die Oper wird in Gegenwart Casanovas uraufgeführt.
Wie bei vielen Künstlerfilmbiographien werden die Werke der Künstler und deren Inhalt stets auf die Biographie der Erschaffer bezogen. War in "Amadeus" noch die Vorlage zum "Don Giovanni" Mozarts Anklage gegen seinen Vater, so ist es nun das sündige Leben Da Pontes, der es angeblich in der Oper verarbeitet. Auf die Dauer ist dies wenig plausibel und auch ermüdend. Dass der "Don Giovanni" eine Vorlage wie viele zeitgenössische Opern hatte ("Die Entführung aus dem Serail", "Le nozze di Figaro" ...), nämlich in Giovanni Bertatis Libretto, wird hier reichlich übergangen. Zum Ende hin scheint dem Drehbuchschreiber der Faden gerissen zu sein. Zuerst scheint sich die Beziehung des schmachtenden Da Ponte zu Annetta zuzuspitzen und plötzlich ist sie einfach bei ihm.
Ein Problem stellt die Betonung
Casanovas als wesentliche Figur in der Handlung dar. Dieser war 1763 garnicht in Venedig. Dass er mit Da Ponte befreundet war, ist wohl belegt, dass er aber immer mal wieder von Dux aus in Wien vorbeischaute, scheint mir weniger glaubhaft. Erst 1774 wurde Casanova begnadigt und kehrte wieder in die Stadt zurück, zuvor war er über 15 Jahre teilweise auf der Flucht gewesen, da er ja aus den berüchtigten Bleikammern entkommen war. Die Handlungsorte waren ansonsten bis auf Dux nicht näher verifizierbar.
Mozart wohnte hier im Film wie viele Charaktere in irgendeiner Bruchbude. Ich habe mal eine von Mozarts Wohnungen in Wien, heute ein Museum, gesehen und das war von der Lage her eine gute Adresse. Da er sich sogar einen Billardtisch hinstellen konnte und einige Dienstboten hatte, können die Verhältnisse so ärmlich dann doch nicht gewesen sein; auch wenn er seine reichlichen Einnahmen irgendwie schaffte zu verschwenden.
Der
Kaiser geht als ein zwar herrischer und bestimmter, aber durchaus einsichtiger und humorvoller Souverän ganz gut durch, der sich auch mal vom (körperlich) kleinen Mozart was sagen lässt.=)
Die Ausstattung fand ich ganz in Ordnung. Die Kostüme waren manchmal etwas schräg und die Perücken sahen bisweilen nach einer Horrorfahrt durch das 18.Jh. aus. Die Perücken von Mozart waren offensichtlich an den zerwühlten Pfiffis aus "Amadeus" orientiert. Einen Grund aus der Biographie des Künstlers oder auch aus den zahlreichen zeitgen. Darstellungen (Stock, Edlinger usw.) erschließt sich mir nicht. Diese komischen Schleier bei der einen Diva gingen mir z.B. auf die Nerven. Der Kaiser trug nie seine charakteristische Uniform. Im Großen und Ganzen hat man aber auch einiges schlimmeres gerade bei nichtbritischen Produktionen aus Europa gesehen.
Das
Szenenbild schien modernen
Videoinstallationen aus dem Theater entnommen, wenn hinter den sich unterhaltenden Künstlern die Handlung des Stückes ablief, wie sie sich Da Ponte vorstellte. Ich fand diesen Trick, wiewohl im modernen Theater etwas abgenutzt, an der Stelle ganz unterhaltsam, zumal er die ansonsten ziemlich langweilige Handlung auffrischte. Eigentlich fehlte mir wie in fast allen Filmbiographien der schöpferische Teil. Wie kommt ein Librettist zu seinem Werk? Dies war streckenweise hier völlig unlogisch dargestellt. Es ist ja bekannt, dass Mozart bis Anfang Oktober 1787 an der Musik arbeitete. Dass Da Ponte aber bis eine Woche vor der Premiere den Schluss noch nicht beendet hatte, ist einfach grotesk. Es mag ja zur filmischen Spannungssteigerung sinnvoll sein und vielleicht auch, um die Figur des Librettisten hervor zu heben, aber es ist doch völlig unglaubwürdig. Ein Komponist arbeitete eigentlich stets mit einem fertigen Libretto, das ihm vorgelegt wurde. Oftmals bezog sich die Ouverture auf Melodien aus verschiedenen Teilen einer Oper und diese Melodien waren schon lange auf die Charakteristika der Szenen angepasst. Wie sollte ein Komponist also komponieren, wenn er nicht die volle Oper von ihrem Text und der Handlung her kannte?
Die Schauspieler waren offenbar alle engagiert. Der Darsteller des
Mozart war für den realen Mozart, der in seinen späten Jahren ein Doppelkinn bekam, gern und reichlich schmauste, eindeutig zu dünn. Tobias Moretti ging in seiner Rolle des gealterten Casanova komplett auf und ich mochte sie ihm abnehmen, wennschon die Ähnlichkeit nicht gerade bedeutend ist. Irgendwie versuchte man scheinbar, dass
Lorenzo Balducci ziemlich in Valmonts, in der Darstellung von Malkovich, Fußstapfen trat. Die Lippen und die blass geschminkte Haut, aber auch die Blicke der kühlen Durchdringlichkeit schienen wie nach dem einzig wahren Valmont kopiert, was sich aber von der Wirkung her ganz gut machte. Die Entwicklung seines Charakters, ob nun teilweise fiktiv ausgeschmückt oder nicht, fand ich ganz gelungen dargestellt.
Mögen auch einige historische Details nicht stimmig sein, fand ich den Film durch manche filmerische Einfälle recht unterhaltsam. Mozarts Musik kann man immer wieder anhören. Die Charakterisierungen und auch die Ausstattung hier war immerhin deutlich brauchbarer als im aufwändiger und sicher teurer inszenierten "Amadeus"; von daher würde ich eher diesen Streifen empfehlen, wenn man sich mit Mozart, Da Ponte und Co. mal unterhaltsam in einem Film auseinandersetzen möchte. 6 von 10 Librettoseiten.