Tacitus und Cassius über die Wahl des Tiberius zum Augustusnachfolger - Vorlage?

El Quijote

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Eigentlich lautet die Fragestellung gemeinsame Vorlage? Aber das passte nicht mehr in die ÜS.


Tacitus schreibt im zehnten Kapitel seines ersten Bandes der Annalen, dass Augustus absichtlich mit Tiberius einen schlechten Nachfolger als seinen Nachfolger ausgewählt haben, um selber um so strahlender zu erscheinen:
ne Tiberium quidem caritate aut rei publicae cura successorem adscitum, sed quoniam adrogantiam saevitiamque eius introspexerit, comparatione deterrima sibi gloriam quaesivisse.
Dies wird ca. 100 Jahre später von Cassius Dio ähnlich wiedergegeben. Daraus schließt Michael Hausmann in seinem so wertvollen Buch Die Leserlenkung durch Tacitus in den Tiberius- und Claudiusbüchern der "Annalen" (Berlin 2009):
"Der Verdacht, Augustus habe Tiberius im Wissen um dessen finsteres Wesen zu seinem Nachfolger erkoren, damit er im Vergleich bei der Nachwelt um so ruhmvoller hervortreten könne, findet sich auch bei anderen Autoren und ist somit nicht erst eine Erfindung des Tacitus." [FN 101: Unter der Prämisse einer gemeinsame Vorlage (s. Syme, 1958, S. 271 f: "Dio and Tacitus go back to a common origin") muss also mindestens ein weiterer Autor diesen Verdacht überliefert haben. Die Parallele im Bericht des Dio spielt eine gewichtige Rolle bei der Frage, welcher der beiden Historioggraphen der gemeinsamen Quelle nähergekommen sei."]
In der Fußnote wird dann noch auf einen Beitrag von Manuwald über die unterschiedliche Funktion des Totengerichtes bei den beiden antiken Autoren verwiesen.

Aber wieso eigentlich sollte man hier von einer gemeinsamen Quelle ausgehen, bzw. anders gefragt warum sollte man nicht einfach die Autorschaft des Tacitus für das Totengericht akzeptieren, welches dann hundert Jahre später von Cassius Dio aufgegriffen und in seinem Sinn umgearbeitet wurde?
Die Stelle passt doch eigentlich sehr gut zu Tacitus' narrativen Techniken und wenn man davon ausginge, dass beide Autoren auf dieselbe Quelle dafür zurückgriffen und sie jeweils dergestalt umgestalteten, dass neben dem reinen Sachverhalt ganz unterschiedliche Deutungen dabei herauskamen, dann kann man doch auch unterstellen, dass Cassius Dio auch in der Lage war, schlicht die taciteische Deutung umzugestalten.
 
Zuletzt bearbeitet:
[FONT=&quot]Ist ganz einfach. Michael Hausmann fällt auf die niedergeschriebenen Grundsätze von Tacitus rein. Wo man mit Zeitzeugen ihn vergleichen kann, fallen die Manipulationen von ihm immer auf. Das hat Herr Hausmann noch nicht getan. Dabei fällt Tacitus grundsätzlich extrem mit Schwarzweißdenke auf, wo man mehr über ihn als über sein Zeitgeschehen lernt.[/FONT]
[FONT=&quot]In Germania waren ja die Germanen so ein arbeitsfaules Pack. Keine Sorge, die Mehrheit der Römer durch Brot und Spiele genauso. Das ist halt unser arroganter Tacitus.[/FONT]
[FONT=&quot]Tacitus erlebte schlicht die Zeit, wo der Untergang der einst vorhandenen Senatorenherrschaft, Republik genannt, so gut wie abgeschlossen war. Das hat ihm offenbar ganz schön zugesetzt. Kaiser Domitian galt ja beim Volk und bei den Legionen als beliebt, bei den Senatoren überhaupt nicht. Also hatte er, was aber schon Augustus begann, die Herrschaft der Senatoren noch mal ordentlich reduziert, was den unendlichen Hass von Tacitus auf den Prinzipat anscheinend auslöste. Noch schlimmer für die Herrschaft der Senatoren als Domitian und Augustus zusammen war Tiberius. Der soll ja auch ihre Frauen ins Bett gelegt haben. Wenn nur die Hälfte stimmt, was die Senatoren über ihn berichten, hatte Tiberius seinen Spaß daran, den Senatoren zu zeigen, dass sie nichts mehr zu melden haben. Dies scheint Caligula, von Tiberius erzogen, sogar übernommen zu haben. Der Ersatz für den Senatorenstand, die in der Republik einst alles unter sich aufteilten, war der Ritterstand, der völlig von der Gunst des Kaisers abhängig war. Paterculus lässt grüßen. [/FONT]
[FONT=&quot]Tacitus hat mit voller Inbrunst auf Tiberius geschossen. Viele seiner historischen „Beurteilungen“ sind frei von ihm entwickelt worden. Er gilt in der Tat als Favorit die Urquelle zu sein.[/FONT][FONT=&quot] [/FONT]

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[FONT=&quot]Ein anderes Beispiel, was ich überprüfte war der Tod von Germanicus, indem Tacitus den Tiberius in einem schlechte[/FONT][FONT=&quot]n[/FONT][FONT=&quot] Licht darstellt und sogar angibt, dass er hier sich aus vielen Quellen informiert hätte. Der Fund des [/FONT][FONT=&quot]Tabula Siarensis zeigt, dass Tiberius in keinem weiteren Staatsbegräbnis unter seiner kaiserlichen Herrschaft so viel gefordert hatte als im Falle Germanicus. Tacitus, setzen, sechs.[/FONT] [FONT=&quot][/FONT]
 
[FONT=&quot]Ist ganz einfach. Michael Hausmann fällt auf die niedergeschriebenen Grundsätze von Tacitus rein. Wo man mit Zeitzeugen ihn vergleichen kann, fallen die Manipulationen von ihm immer auf. Das hat Herr Hausmann noch nicht getan. Dabei fällt Tacitus grundsätzlich extrem mit Schwarzweißdenke auf, wo man mehr über ihn als über sein Zeitgeschehen lernt.[/FONT]

Das beantwortet leider die Fragestellung nicht und wird auch Hausmann, den du offenbar nicht gelesen hast, wird das nicht gerecht.
 
Ein anderes Beispiel, was ich überprüfte war der Tod von Germanicus, indem Tacitus den Tiberius in einem schlechten Licht darstellt und sogar angibt, dass er hier sich aus vielen Quellen informiert hätte. Der Fund des Tabula Siarensis zeigt, dass Tiberius in keinem weiteren Staatsbegräbnis unter seiner kaiserlichen Herrschaft so viel gefordert hatte als im Falle Germanicus. Tacitus, setzen, sechs.
In Annales 2,83 werden haufenweise Ehrungen aufgezählt, die Germanicus nach seinem Tod erhielt. Das meiste davon wäre kaum ohne zumindest stillschweigende Duldung des Kaisers möglich gewesen. Und auch wenn Tacitus in 3,5 schreibt, dass kritisiert worden sei, dass es dem Begräbnis an Pomp gemangelt habe, steht in den vorangehenden Kapiteln eigentlich das Gegenteil. Ungewöhnlich war nur die persönliche Zurückhaltung des Tiberius, aber auch hier gilt: Ohne seine Zustimmung wäre der Leichenzug kaum möglich gewesen. Tiberius war generell kein Mann der Öffentlichkeit, und auch Tacitus räumt ein, dass Tiberius es vielleicht bloß für unter seiner Würde hielt, sich als öffentlich Trauernder zu zeigen.
 
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