Als erstes würde ich mich mit dem Begriff "Mittelalter" auseinandersetzen. Wie gesagt, ist es ein polemisch gemeinter Begriff, wie eine Senke zwischen zwei Bergen (die Antike und die Renaissance). Politisch gesehen hat er wohl mit dem Ende des Römischen Reichs zu tun, aber das endete 476 bzw. 480 ja "nur" in Westeuropa. Das Ende des gesamten RR wird man in die Mitte bis Ende des 7. Jh setzen, mit dem Ansturm der Araber. Danach überlebte das Oströmische Reich nur noch als Mittelmacht, als Byzantinisches Reich, das vor allem von der Erinnerung an glorreiche Zeiten zehrte und nach 1100, spätestens nach 1204 (4. Kreuzzug), immer kleiner wurde.
Also passt der Begriff "Mittelalter" in 1. Linie auf (West-)Europa, weniger auf Ostrom, und noch viel weniger auf die Arabische Welt, denn die befand sich seit Mohammed ja gerade im Aufbruch.
Fassen wir zusammen: zwischen Konstantin und Karl lässt sich für fast alles als Umbruch ein Argument finden
... Und dann beginnt eine Zwischenphase, meiner Meinung nach wäre das zu früh für den Beginn des MA....
Die Zwischen- oder Brückenzeit zwischen Antike und Mittelalter hat man bekanntlich als "Spätantike" bezeichnet. Wobei man den Beginn dieser Epoche etwa ans Ende der Soldatenkaiser-Ära setzt, also mit Diokletian und seinen Tetrarchien, oder, wie schon vorgeschlagen, mit Konstantins Alleinherrschaft bzw. dem Mailänder Edikt 313. Aber diese Epochenbegriffe sind nun einmal schwammig, gleichsam Wolken, wie Wittgenstein das bezeichnet (Phil. Untersuchungen), oder wie das Glatzenparadox der Sophisten (
Calvus (Philosophie) ) schön aufzeigt. Wir wollen ja immer gerne feste Linien ziehen, so wie die Grenzen zwischen Ländern, und bekommen doch oft nur verwischte Flächen hin.
Aber was zeichnet nun das MA im Unterschied zur Antike aus? Die Herrschaft der germanischen Nachfolgestaaten ist sicher ein Element, das Ende der Völkerwanderung (nach dem Eindringen der Langobarden) ein anderer Punkt. Damit auch das Ende der Herrschaft des römischen Senats und des Römischen Rechts. Markiert das Christentum als tragende Religion schon das MA? Dann müsste es mit Theodosius' Edikt "Cunctos populos" i.J. 380, das das Christentum zur Staatsreligion erklärte, beginnen. Das würde man aber kaum so sehen. Und selbst das Zeitalter Justinians im 5. Jh, höchstchristlicher Kaiser des Ostens, würde ich eher zur Spätantike als zum MA rechnen.
Aber schon zwischen dem RR und den germanischen/gotischen Reichen wird deutlich, wie durcheinander die Verläufe sind: da haben wir das Tolosanische Reich der Westgoten in Spanien (418-507), das der Vandalen in Spanien und Nordafrika, deren Reich erst mit Justinian endete (406-534), dann das kurzzeitige Hunnenreich unter Attila inmitten oder neben dem gerade noch existieren Weströmischen Reich, das Burgundische Reich (407-534), das Reich der spanischen Westgoten, gewissermaßen die Nachfolger der Tolosaner, das bis zum Ansturm des Islam 711 Bestand hatte, und natürlich die bekanntesten Nachfolgereiche: das von Theoderich und seinen Ostgoten um 500 und ebenfalls das Frankenreich der Merowinger von Chlodwig, auch um 500.
Schon die verschiedenen Zeitangaben zeigen, wie durcheinander das alles verlief: mit dem Rheinübegang der Goten 406, also schon 70 Jahre vor dem "offiziellen Ende" des weströmischen Reichs, beginnen in dessen Territorium nicht-römische politische Enklaven, die oftmals weder mit Römischen Recht, paganer Religion noch Christentum etwas zu tun hatten. Würde man sie schon als "mittelalterlich" bezeichnen? Oder erst das Ostgotenreich Theoderichs, wobei dieser doch eine ganze Elite von Römern um sich hatte, allen voran Boethius und Cassidor: der erstere ein antik denkender Römer, der sich immer noch im Römischen Imperium wähnte, letzterer ein eifriger Sammler antiker Literatur, dem wir einiges an gerettetem antiken Schrifttum zu verdanken haben, beide wohl auch nicht als "mittelalterlich" einzuordnen.
Um die Sache noch zu verkomplizieren: Sonderreiche gab es schon während der Soldatenkaiser-Ära, so das gallische in Köln (260-274) und das Sonderreich in Palmyra (267-274). Doch diese beiden Reiche würde man kaum als "mittelalterlich" charakterisieren, nur weil sie nicht mehr der Römischen Zentralgewalt unterstanden.
Ich habe vesucht, mit dieser etwas länglichen Aufzählung das Problem zu veranschaulichen, wo man die Grenzen zwischen MA und Antike bzw. Spätantike ziehen soll, und wie schwer es ist, alles in zwei Schubladen zu packen.