Irgendwo habe ich über ein Gespräch von Napoleon mit Metternich gelesen. Metternich sprach dabei die hohen Verluste der Grande Armee an, worauf ihn Napoleon antwortete, das wären ja mehrheitlich "nur" Deutsche gewesen. Metternich war anscheinend empört darüber und antwortete "Sire, ihr vergesst, dass ich auch Deutscher bin."
Dieses würde auf ein gewisses "verheizen" hindeuten.
Mir liegt die Quelle zu diesem denkwürdigen Gespräch vom 26. Juni 1813 zwischen Napoleon und Metternich vor. Ich gebe den wohl wichtigsten Text wieder:
"Nachdem ich ihn über eine halbe Stunde angehört hatte, unterbrach ich ihn mit der Bemerkung, dass ich in dem, was er soeben gesagt, einen starken Beweis der Notwendigkeit erkenne, so wechselvollen Geschicken ein Ziel zu setzen. "Das Glück", fügte ich bei, "kann Sie ein zweitesmal wie im Jahre 1812 im Stich lassen. In gewöhnlichen Jahren bilden die Armeen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung, heute ist es das ganze Volk, das Sie unter die Waffen rufen. Ihre jetzige Armee, ist sie nicht eine antizipierte Generation? Ich habe Ihre Soldaten gesehen, es sind Kinder. Eure Majestät haben das Gefühl, dass Sie der Nation absolut notwendig sind, brauchen aber nicht auch Sie die Nation? Und wenn diese jugendliche Armee, die Sie heute unter die Waffen gerufen haben, dahin gerafft sein wird, was dann?"
Als Napoleon diese Worte hörte, übermannte ihn der Zorn, er ward bleich und seine Züge verzerrten sich. "Sie sind nicht Soldat", fuhr er mich an, "und wissen nicht, was in der Seele eines Soldaten vorgeht. Ich bin im Felde aufgewachsen, und ein Mann wie ich schert sich wenig um das Leben einer Million Menschen".*) Mit diesem Ausruf warf er den Hut, welchen er bisher in der Hand gehalten, in die Ecke des Zimmers. Ich blieb ganz ruhig, stützte mich an die Ecke einer Konsole zwischen den zwei Fenstern, und sagte tief bewegt von dem, was ich eben gehört: Warum haben Sie mich gewählt, um mir zwischen vier Wänden das zu sagen, was Sie eben ausgesprochen; öffnen wir die Türen und mögen Ihre Worte von einem Ende Frankreichs bis zum anderen ertönen. Nicht die Sache, die ich vor Ihnen vertrete, wird dabei verlieren."
Napoleon fasste sich und mit ruhigem Tone sagte er mir folgende Worte, nicht minder merkwürdig als die vorigen: "Die Franzosen können sich nicht über mich beklagen; um sie zu schonen, habe ich die Deutschen und die Polen geopfert. Ich habe in dem Feldzug von Moskau dreimalhunderttausend Mann verloren, es waren nicht mehr als dreißigtausend Franzosen darunter."
"Sie vergessen, Sire", rief ich aus, "dass Sie zu einem Deutschen sprechen."
Napoleon ging wieder mit mir im Zimmer auf und ab, beim zweiten Gange hob er den am Boden liegenden Hut auf. Sofort kam er nochmals auf seine Heirat zu sprechen. "So habe ich denn", hub er an, "einen recht dummen Streich gemacht, eine Erzherzogin von Österreich zu heiraten."
"Nachdem Eure Majestät meine Meinung wissen wollen", erwiderte ich, "so will ich offen und frei sagen, Napoleon d e r E r o b e r e r hat einen Fehler begangen."
*) Ich wage es nicht, mich hier des von Napoleon gebrauchten viel derberen Ausdruckes zu bedienen."[1]
Ich sehe Napoleon kritisch, noch kritischer allerdings Metternichs Autobiografie. Jeder mag die Worte des damals noch Grafen auf sich wirken lassen. Ich sehe da eher den Versuch der Erhöhung der Rolle, die Metternich damals gespielt hat. Einen Beleg, dass Napoleon sinnlos Truppen verheizt hat, kann ich aber nicht erkennen.
Grüße
excideuil
[1]
Metternich: „Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren“ Erster Teil, 1773-1815, Wilhelm Braumüller, Wien 1880, Bd. 1, Seiten 154-155