Da ich nicht der einzige bin, der deine Zusammenstellung so verstanden hat, wie ich sie verstanden habe - siehe die Reaktionen von Sepiola, Ingeborg und Dekumatland - solltest du evtl. noch mal über den Zweck bzw. die Wirkung deiner Zusammenstellung nachdenken.
Ich sehe mich nicht in der Verantwortlichkeit, jede kurze und banale Bemerkung im Vorwege auf mögliche Überinterpretation (mutwillig oder fahrlässig) durch die Leser zu prüfen. Ich erwarte von Forumsteilnehmern, die typischerweise akademisch gebildet sind, dass sie selbst in der Lage sind, Aussagen inhaltlich zu bewerten. Im Zweifelsfall gibt es die Möglichkeit der Rückfrage.
Aus meiner Sicht gehört es jedoch durchaus zur Verantwortlichkeit von
Moderatoren, Über- und Fehlinterpretationen, auch das "Ins-Lächerliche-ziehen", angemessen anzusprechen. An dieser Stelle fände ich Selbstreflektion Deinerseits, auch Ingeborgs, angebracht.
Welchen Zweck hatte es auf phonetischen Ähnlichkeiten von canis und itzcuintle von it und itzcuintle von Kudu und goat etc. aufmerksam machen, wenn es dir nicht mehr als um das Kuriosum der phonetischen Ähnlichkeit ging und du gar keine Sprachverwandtschaften oder Entlehnungsprozesse über ganze Kontinente hinweg postulieren wolltest?!
Die Rückfrage ist, zumindest bis zum ersten Komma, angemessen und legitim. Ziel der Bemerkung war, ein potentiell erklärungsbedürftiges Phänomen festzuhalten. Solche Notiz von Phänomenen hat für mich einen wissenschaftlichen Wert an sich. Sie kann dazu führen, dass das Phänomen schlussendlich als nicht erklärungswürdig verworfen wird, oder den Einstieg in Hypothesenbildung und -prüfung bilden.
Auf Dich hat es offenbar in letzterer Weise gewirkt. Da ist nichts Falsches dran -im Gegenteil, es bezeugt offenen und erkenntnisorientierten Geist.[
Ich wäre unredlich, gäbe ich nicht zu, dass ich solch Neugier und Erkenntnisinteresse auch ein bisschen provozieren wollte. Halte ich jedoch für legitim - ist nicht Neugierde ein Kernmotiv, dass uns alle hier ins Forum treibt?]
Die Bemerkung zeigt aber auch, dass ich selbst vielleicht schon Hypothesen gebildet hatte, jedoch noch nicht in ihre Verifizierung oder Falsifizierung eingestiegen war. Du müsstst mich inzwischen lange genug kennen, um zu wissen, dass ich mit der Formulierung von Hypothesen nicht gerade zurückhaltend bin. Manchmal liege ich dabei falsch, kriege aufs Maul, und das ist dann auch io.k. Wenn ich aber bewusst, mangels Hintergrundwissen und Beschäftigung mit einem Phänomen, keine Aussage treffe, und dann Sachen in den Mund gelegt bekomme, die ich nie gesagt habe, ist das nicht mehr in Ordnung.
Dir, und Ingeborg, Sepiola, dekumatland, hätten diverse Reaktionsmöglichkeiten offengestanden, angefangen mit "Was meinst Du damit?" (Ingeborgs Reaktion auf meine Erwähnung der Baumwolldiskussion), über "Ich sehe einige Probleme dabei, kasach.
it und den
itzcuintli in Beziehung zu setzen..", bis zu "Ich bin da mal tiefer eingestiegen, und zu folgendem Schluß gekommen:..". Alles prima, dem Erkenntnisgwinn dienend, und den Diskussionspartner achtend. Was hier aber (mal wieder) vorgegangen ist, wurde mir gegenüber mehrfach, und nicht ganz zu Unrecht, in PNs als Mobbing beizeichnet. Ich komme damit klar - aber gerade ihr als Moderatoren solltet Euch da wirklich hinterfragen und prüfen, ob das offensichtlich stetig nachlassende Interesse am Forum nicht auch was mit Eurem Stil als Moderatoren
und Forumsteilnehmer zu tun hat.
+++
Schluß damit. @EQ: Grundsätzlich war/ist mir der Unterschied zwischen Silben und Morphemen schon präsent. Was ich übersehen hatte, und in sofern war Deine letzte Klarstellung durchaus hilfreich, waren Flektionsendungen, die in idg. Sprachen natürlich eigenständige Morpheme, jedoch keine eigenen Silben bilden. Dieses "Übersehen" relativiert sich insoweit, als die meisten der in den Wortketten verwendeten Sprachen agglutinierend sind, so dass dort die von mir wiedergegebenen Wurzeln generell keine flektierenden Morpheme enthalten. Bei Präfixen war mir der Unterschied zwischen Silbe und Morphem sowieso bewusst, vgl. meine Ausführungen zu arm.
kʻoš [khoʃ] "Ziegenbock" vs.
ayc [ɑidz] "Ziege (f)", oder weiter oben zu
p-ater,
m-ater u.ä..
Eine technische Frage - werden Morpheme lediglich für die betrachtete Sprache identifiziert, oder Entlehnungen mit einbezogen? Konkret: In der "Silbengrenze" findet sich "Grenze" als slaw. Lehnwort (poln.
granica). In letzterem würde ich, zusätzlich zum Flektionssuffix, mindestens zwei Morpheme, nämlich "gra(n)-" (vielleicht von
gora "Stadt") und "-(n)ic(a)" (Zugehörigkeitszuffix?) vermuten. Müsste man jetzt korrekterweise für Deutsch "Grenze" auch von zwei Morphemen (plus Flextionssuffixe) reden, oder hat die Entlehnung bewirkt, dass zwei slawische Morpheme zu einem deutschen verschmolzen sind?
Gegen die Vorstellung, dass das akkadische gadû mit *ghaido korrepondiert, ist auch überhaupt nichts einzuwenden. (..) Insofern ist es denkbar, dass hier eine Entlehnung stattgefunden hat.
Mangels semitistischem und indogermanistischen Studium wäre es aber nicht seriös wenn ich darüber eine Expertise abgeben würde.
Danke für die klare Aussage. Ich will Dich hier auch keinesfalls zu weitergehenden Expertisen drängen. Darf ich jedoch schliessen, dass der
potentielle Weg von KhoiKhoi "Kudu" über (bzw. re-importiert aus) kuschitisch und akkadisch ins Indogermanische Deine vorherigen Bedenken zu entgegengesetzten Lautwandelprozessen ("seltsamer Befund gegenläufiger Entwicklung, nämlich Entsonorisierung im An- und Sonorisierung im Auslaut bzw. umgekehrt") entkräftet hat? Konkret - wäre diese gegenläufige Entwicklung daraus erklärbar, dass eine kuschitische (bzw. über kuschitische Migration nach SW-Afrika verstärkte) Wurzel in Khoisan-Sprachen im Anlaut entsonorisiert wurde (Klicklaute), während die Entsonorisierung im Deutschen v.a. den Auslaut betraf (daneben Wandlung gh->g)?
In diesem Falle wären lediglich noch die inner-afroasiatischen, insbesondere die kuschitisch-semitischen Lautwandelprozesse klärungsbedürftig. Konkret: Ich habe wenig Zweifel, dass Sidamo
goda "Wild, Gazelle", Oromo
gadam-sa "Großer Kudu", und akkad
gadu "(junger) Ziegenbock"; hebr.
gadi "Ziegenkitz, Jungschaf" die selbe Wurzel repräsentieren. Der Lautwert des "g" in Oromo ist /
ɡ/
Oromo (Sprache) ? Wikipedia
Du hast jedoch eine Vielzahl einzelner Anmerkungen zum "ga-" im Arabischen gemacht, die ich noch nicht in eine Gesamtperspektive einzuordnen vermag z.B:
-ġ- ist kein /g/ sondern ein Gaumen-/r/. Kurioserweise ist es sogar so, dass viele Worte, die im Hebräischen mit einem 'ayn anfangen, im Arabischen mit dem ġayn beginnen:
hebr. - arab.
'aza - ġaza ("Gaza")
'äräv - ġarb (Sonnenuntergang, Abend, Westen) (davon Algarve, Maġrib)
Hierzu könnte ich ergänzen amhar. ምዕራብ (mi‘irabi) "Westen", das ebenfalls ein "r", aber als "Zungenspitzen-/r/" enthält. Der einzige kuschitische Anschluss, den ich finden konnte, ist Somali
galbeed "Abend, Westen". Hier bin ich mir nicht sicher, ob wirklich die gleiche Wurzel vorliegt. Falls ja, haben wir offenbar den interessanten Effekt, dass kusch.
ga- teilweise zu sem.
gha-(ra-)/'a- wird, sich teilweise aber auch in semitisch als
ga- fortsetzt
. Für letzteres als weitere Belege aus der etym. Datenbank (Auszug):
Arabic: ʔabū ǯaʕdat- 'loup' Belot 63; ǯadlāʔ- 'chienne' (BK 1 267)
Oromo (Galla): gedallo [Schakal]
Mofu-Gudur [zentr.-tschad]: gìdǝ̀y [Hund]
Hausa gōǯè [Hund]
Proto-Afro-Asiatic: *gay- Meaning: move
Arabic: gyʔ "come, run"
Darasa (Gedeo) [Ost-kusch.]: ge- "arrive"
South Cushitic: Irq gow- 'run away'
Karekare [W-tschad.]: guy "run away"
[Nebenbei zeigen die o.g. Belege, dass meine vorherige tentative Definition von
*xei/*ga ="Horntier" voreilig war. Alternativ mag der Bezug sich auch auf "(schnell) rennend" richten.]
Leider konnte ich keinerlei Belege finden, aus denen die lautliche Beziehung des arabischen Ghain zu kuschitischen oder sonstigen afro-asiatischen Parallelen deutlich wird. Wenn Du hier grundsätzlich Aufklärung leisten kannst, oder auch nur weitere Beispiele (idealerweise mit hebr./phön./akkad. Anschlüssen) lieferst, anhand derer ich die etym. Datenbank durchforsten kann, ist dies willkommen.
Abscließend als
Bemerkung: Afroasiatisch scheint mir lautlich sehr viel konservativer als indoeuropäisch zu sein - akkad.
gadu ist nach 4.000 Jahren immer noch unschwer in lebenden semitischen und anderen afro-asiatischen Sprachen wiederzufinden, während Dein Fenchel-Beispiell schön die hohe indogermanische Sprachdynamik zeigt. Auch die Turksprachen, potentiell erweiterbar auf den türkisch-mongolisch-tungusischen
Sprachbund, zeigen lautlich deutlich mehr Kohärenz und Beharrungsvermögen.
Aspekte wie die frühe Verschriftlichung des Semitischen mögen eine Rolle spielen - sie betreffen aber die Turksprachen nur bedingt, und auch Indoeuropäisch wurde ja früh verschriftlicht (Sanskrit, Hethithisch, Persisch, Altgriechisch, Armenisch etc.). An der Peripherie setzte die indoeuropäische Verschriftlichung immer noch früher ein als in den tschadischen Sprachen, von weiten Teilen der kuschitischen Sprachen ganz zu schweigen.
Ohne hier weiter in die Ursachenforschung einsteigen zu wollen (die ist einen separaten Thread wert): Könnte die vergleichsweise hohe lautliche Dynamik des Indogermanischen eine Rolle dabei spielen, dass die Möglichkeit/ Wahrscheinlichkeit langlebiger und geographisch weitreichender "Wortketten" gering eingeschätzt wird (nicht allein bezogen auf Forumsteilnehmer, sondern auch und v.a. auf den idg. geprägten linguistischen "mainstream") ?