D. h. im mittelalterlichen Abendland hatte man Aristoteles in einer lateinischen Übersetzung/Interpretation, die aus dem mittelalterlichen Kastilisch übersetzt wurde. Ins Kastilische wurde es vom Arabischen übersetzt. Und ins Arabische vermutlich direkt vom Griechischen?
Da hätten wir ja schon drei Übersetzungen/Interpretationen.:nono:
Jein. In Spanien wurde zunächst ins Lateinische, ab dem 13. Jhdt. auch ins Kastilische übersetzt, was nach Meinung von Hispanisten zum Ausbau des toledanischen Dialekts zur Literatursprache Kastilisch beflügelte.
Gewissermaßen hast du aber Recht, denn das Lateinische war ja keine Sprechsprache sondern nur die Schreibsprache.
Was die Übersetzungen aus dem Griechischen im Orient angeht, da gehen manche Forscher davon aus, dass zumindest in der Anfangsphase syrische Christen Vermittler waren, also aus dem Griechischen zunächst ins Aramäische und dann ins Arabische übersetzt wurde.
Woher hatten denn eigentlich die Araber die Texte? Stammen diese denn evtl. noch aus während des 8. Jhdt. eroberten Gebieten, die vorher zum (Ost-)Römischen Reich gehörten? Dazu würde ja ganz Nordafrika, weite Teile des Nahen Osten und natürlich das arabische Spanien, Al-Andalus, gehören.
Und/oder hat man diese auf dem Büchermarkt in Konstantinopel erworben?
Für das arabische Spanien haben wir Zeugnisse dessen, dass Bücher aus dem Orient gekauft wurden, teilweise wurden sie richtig bestellt, so schreibt z.B. Ibn Ṣā'id al-Andalusī:
Nach Anbruch des 4. Jahrhunderts [muslimischer Zeitrechnung] bewog es den Emir al-Ḥakam, Sohn des 'Abd ar-Raḥmān an-Nāṣir li-dīn Allāh - und zwar noch während der Regierungszeit seines Vaters -, dazu, sich den Wissenschaften zuzuwenden und Wissenschaftler zu fördern. Aus Bagdad, Ägypten und von anderen Orten des Orients brachte er die wichtigsten Werke und wundervolle Traktate sowohl in den alten Wissenschaften als auch in den neuen. Während der Zeit, als sein Vater noch regierte, und in seiner eigenen Regierungszeit versammelte er davon nicht weniger wie die Abbasidenkönige über einen viel längeren Zeitraum.
[...]
Ḥasdāy ibn Isḥāq, der Minister des 'Abd ar-Raḥmān an-Nāṣir li-dīn Allāh war der erste, der den andalusischen Juden die Pforten des religiösen Rechts, der Komputistik und derartiger Wissenschaften öffnete. Vor seinen Tagen waren sie gezwungen gewesen, sich in Fragen ihres religiösen rechts, der Zeitrechnung und Berechnung der Feiertagsdaten an die Juden in Bagdad zu wenden. Doch als Ḥasdāy sich al-Ḥakam anschloss, nutzte er seine guten Dienste um das herbeizubringen, was er von den Werken der Juden im Orient wollte. So lernten die Juden von al-Andalus das kennen, was sie zuvor nicht gewusst hatten.
Zitiert nach Sarah Stroumsa,
Al-Andalus und Sefarad. Von gelehrten und Bibliotheken im muslimischen Spanien. Trier 2010.
Vielleicht sollten wir einen Thread "Antikenrezeption durch die Araber" eröffnen (falls noch nicht vorhanden)?
Das haben wir, z.B. unter
Was wir den Arabern verdanken.
1204 ist doch Konstantinopel durch die Kreuzfahrer erobert und geplündert worden. Da müßte doch auch das ein oder andere antike Werk als "Raubbuch" in den Westen gekommen sein...:grübel:
Das Problem ist, dass die lateinischen Christen mit den griechischen Werken nichts anfangen konnten, sie konnten weder die Sprache verstehen noch die Schrift lesen. Und den plündernden Kreuzfahrern wird der Wert der griechischen HSS sowieso nicht bewusst gewesen sein.