Und noch was zu Elagabal/Heliogabal:
KAISER HELIOGABAL:
DER SCHÖNE TYRANN (204 - 222)
Es gibt in der Weltgeschichte
kein Gut und Böse.
Es gibt nur das Böse.
(Gottfried Benn)
Von allen Rauschmitteln, die der Mensch sich je erdacht hat, ist die Macht das gefährlichste. Überreich dargeboten, nagt sie der menschlichen Seele jedes Maß und jede Hemmung weg. Wer, egal was er tut, keinerlei Ablehnung mehr spürt, wen die Umwelt unbegrenzt verehrt und hofiert, dem kann rasch die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit verloren gehen, und so bedeutet Widerstand der Umwelt zwar stets Reibung und Auseinandersetzung, aber immer auch Kontrolle und Orientierung.
Je größer die Macht, desto länger ist ihr Schatten. Die Macht des römischen Kaisers ist nahezu unbegrenzt. Von den nebligen Küsten Schottlands bis zu den sagenumwobenen Katarakten des Nils, von der glühenden maurischen Wüste bis zu den verschneiten Gipfeln des Balkans regiert er ein Reich, so groß, wie es keines davor und keines danach in Europa gegeben hat. Und doch ist es nicht nur die Größe des Imperiums, die das Kaiserdiadem so allgewaltig macht, so verführerisch für seinen Träger. Die Kaiser Roms sind nicht wie die Präsidenten unserer Tage an ein Recht gebunden, sind nicht wie die barocken Könige einem religiösen Sittenkodex unterworfen und unterstehen nicht wie die Fürsten des Mittelalters einer päpstlichen Aufsicht. Wie in Ägypten das Wort der Pharaonen, so ist auch bei den Römern das Wort des Imperators Gesetz, jeder Befehl ein Dogma. Wer schwach ist, leicht verführbar, erliegt diesen Möglichkeiten. Wie ein zorniger Golem greift sich der Cäsarenwahn aus der Reihe der hundert Kaiser ein Dutzend heraus und formt sie zu Ungeheuern: Caligula, Nero, der im Hollywood-Streifen "Der Gladiator" zu neuer Bekanntheit gelangte Commodus, um nur einige zu nennen. Aus dieser Gruppe finsterer Gestalten leuchtet Heliogabal heraus wie ein phosphoreszierendes Pop-Art-Gemälde, bunt, schrill, überspannt, eher Figuren aus einer modernen Schwulensatire ähnelnd denn einem mörderischen Tyrannen. Nie ist er zurückhaltend, nie trocken, immer heiter, einfallsreich und raffiniert, ein Partylöwe und Männerschwarm, ein schöner und schlanker Halbwüchsiger, der in einer schwulen Diskothek Berlins oder Kölns unserer Tage begehrliche Blicke auf sich ziehen würde. Die wenigen Büsten, die von ihm erhalten geblieben sind, zeigen ein Gesicht, wie es heute einem jungen, schönen Türken gehören könnte: kurze, ein wenig gelockte Haare, einen halb gleichgültigen, halb verführenden Blick aus dunklen Augen, volle, leicht geöffnete Lippen. Und doch ist Heliogabal, auch wenn er das Gesicht eines exotischen Models hat, die Ausgeburt der Hölle.
Das Imperium Romanum im Jahre 217 unserer Zeitrechnung: seit neunhundertsiebzig Jahren ist es stets aufwärts gegangen mit römischer Kultur und dem Herrschaftsanspruch über die mediterrane Welt; gewaltige Tempel und Marmorpaläste sind entstanden sowie riesige Arenen, in denen pompöse Spiele abgehalten werden. Kaum ein Römer muss noch hart arbeiten, alles erledigen Sklaven und billige Handlanger aus fremden Gebieten. Das Leben ist ein Fest, eine Folge von Genüssen. Und doch, seit einigen Jahrzehnten schleifen innere und äußere Krisen den Glanz vergangener Jahrhunderte matt. Vom Norden drücken wandernde germanische Stämme gegen den Limes, in Vorderasien droht das Partherreich, doch schlimmer als die Gefahr der Feindvölker ist die innere Zerrüttung durch staatliche Willkür. Der gerechte und aristokratische Stern des ersten Kaisers, Augustus, leuchtet nur noch fern und schwach, längst hat der Senat jede Mitsprache verloren, längst haben proletarische Generäle nach dem Purpur gegriffen und ihre eigenen Dynastien errichtet.
Caracalla, der seit fünf Jahren regierende Herrscher, ist ein solcher Sohn aus soldatischem Geschlecht, er ist brutal und argwöhnisch und deshalb von allen gehasst - außer vom Heer, das er großzügig entlohnt. Lange vor Caracalla schon gibt es eine heimliche Rivalität um Einfluss zwischen den Militärs einerseits und der traditionellen Prätorianergarde, der verwöhnten römischen Leibwache der Kaiser andererseits, doch ein kleiner Vorfall lässt aus dem Gerangel einen blutigen Machtkampf werden.
Dem Gardekommandanten Macrinus wird von einem Wahrsager die Kaiserwürde prophezeit, eine gefährliche Weissagung, auf die der harmlose und gar nicht ehrgeizige Macrinus gerne verzichtet hätte, zumal sie durch eine Indiskretion bekannt wird. Wenn er jetzt nicht sofort handelt, das weiß der ältliche Mann, wird der misstrauische, an Verfolgungswahn leidende Caracalla ihn umbringen lassen. Es ist wie bei einem Duell: der Schnellere siegt. Macrinus hetzt im Nu die Prätorianer auf und befiehlt ihnen, den Kaiser zu ermorden. So geschieht es auch, zum Entsetzen der Truppen. Da Caracalla keinen direkten Verwandten hat, keine Geschwister, keine Kinder, gilt die severische Dynastie als ausgestorben, und so erfüllt sich die Prophezeiung: Macrinus lässt sich im April 217 selbst zum Kaiser ausrufen.
Nicht selten jedoch steckt die Tücke im Detail. In der römischen Provinz Syria lebt eine Tante Caracallas, Julia Maesa. Ihr vierzehnjähriger Enkel Avitus, der Sohn ihrer Tochter Soemias, dient als Oberster Priester dem orientalischen Gott Baal; er ist ein strahlender Jüngling, fröhlich und beliebt. Als Sohn der Cousine Caracallas ist diese Verwandtschaft allerdings zu weitläufig, um in dem Knaben einen ernstzunehmenden Erben der severischen Dynastie zu sehen. Daher greift die ehrgeizige Großmutter auf einen ebenso geschickten wie infamen Kniff zurück: Sie behauptet, Avitus entstamme nicht der Ehe ihrer Tochter Soemias, sondern einem Verhältnis der Soemias mit Caracalla. Diese außereheliche Affäre ist zwar nicht gerade dem Rufe Soemias' zuträglich, doch sie erfüllt ihren Zweck. Einige Truppenteile, die mit Macrinus verfeindet sind, laufen zu dem vermeintlichen Sohn Caracallas über. In der Schlacht bei Immo prallen die Kräfte aufeinander, Macrinus wird besiegt und kurz darauf von seinen eigenen Soldaten ermordet. Rom hat einen neuen Kaiser, eine neue Hoffnung auf Harmonie.
Mit Heliogabal, wie sich Avitus in Anklang an seinen Gott fortan nennt, zieht der immer noch fremde, der mystische und sagenumwobene Orient in die Stadt Rom ein. Ein farbenprächtiges Spektakel begleitet den Einzug des jungen Imperators: Tausende Tänzer ziehen die mit Goldstaub bestreute Via Appia entlang, in ihrer Mitte der Wagen mit dem heiligen Stein von Emesa darauf, ein Meteorit, ein Stück Sonne also, Symbol des alleinherrschenden Sonnengottes Baal. Ohrenbetäubende Musik dröhnt in die Ohren der Römer, Weihrauch umweht die Parade. Auf einem hohen Prunkwagen thront Heliogabal in vielfarbige Seide gehüllt, schillernd, mit einem Diadem bekränzt. Zur Rechten sitzt seine Mutter Soemias, zur Linken die Großmutter, die ernste Maesa, denen beiden die schwierige Aufgabe vorbehalten ist, diesen exaltierten Kindkaiser fortan zu lenken. Tagelang werden aufregende Feste zu Ehren des Baal gefeiert, bei denen der Kaiser selbst tanzt wie ein Trunkener. Den plebejischen Römern gefällt er, dieser fremde, neue Baal, der die Exotik nach Rom gebracht hat, nur die Aristokratie schüttelt betroffen den Kopf und sieht wilde Zeiten aufziehen.
Im ersten Jahr geht alles noch relativ gut. Heliogabal ist, wie bei einem Vierzehnjährigen nicht anders zu erwarten, an Regierungsgeschäften nicht interessiert, aber er bekommt schnell mit, dass für ihn nichts unmöglich ist, dass er sich jeden Wunsch erfüllen kann. Nächtlich rauschen die Feste im kaiserlichen Palast auf dem Palatin, ein jedes in einer anderen Farbe gehalten, am einen Tag ein blaues, am anderen ein violettes, dann ein grünes und so fort. An jedem lauen Sommerabend sind die Gärten des Palatinischen Palastes erfüllt vom Duft kostbaren Räucherwerks, feiner Speisen und seltener Öle, der Wein fließt in Strömen, der Kaiser selbst spielt den Gästen etwas auf der Flöte vor oder er gibt eine seiner verzückten tänzerischen Darbietungen. Fröhlich muss alles sein, ausgelassen. Bald schon wandeln die Feste sich zu Orgien, und der schöne Heliogabal verfällt ganz den Männern. Den Gefährten seiner Nächte vergibt er Ämter, ein Tänzer wird Gardekommandant, ein Wagenlenker kommandiert die Wache, ein Friseur wird für die Kornversorgung der Stadt zuständig. Um Nachschub an Männern zu bekommen, baut er eine öffentliche Therme dem Palast an und sucht sich dort die Liebhaber der nächsten Woche aus. Wer gut aussieht, wer stark ist und liederlich, ist willkommen auf den Partys der Majestät. Ringkämpfe finden in den Gärten statt; der Sieger, gleich, ob Schuhputzer oder Stricher, findet sich am selben Abend in den duftschwangeren privaten Gemächern des mächtigsten Herrn der Welt wieder, darf den jungen Kaiser mit Rosenöl massieren und lieben.
Nach wenigen Monaten schon umgibt Heliogabal eine Schar von ausschweifenden Satyrn, mit denen er sich eine orgiastische und luxuriöse Traumwelt erschafft, und von denen der Geschichtsschreiber Aurelius Victor berichtet, es seien die "obszönsten Menschen des Erdkreises". An Geld wird nicht gespart: die Schwimmbassins sind parfümiert, der Wein mit damaszenischen Rosenblüten verfeinert, die Kleidung mit Juwelen bestickt oder mit Gold durchwirkt. Festmahle werden wöchentlich gegeben, kaum eines, das nach heutiger Rechnung weniger kostet als fünfzigtausend Euro. Zweiundzwanzig Gänge sind keine Seltenheit: Storchenköpfe, Flamingozungen, in Honig eingelegte Haselmäuse, Meerbrassen, Muränenmilch, Drosseln in gepfeffertem Eidotter, serviert von hübschen, nackten Sklaven, nichts ist Heliogabal schrill genug, immer verrückter, immer närrischer muss alles sein. Wenn er mit seinen Lustknaben ausfährt, lässt er nicht länger Pferde vor die Wagen spannen, sondern nackte Frauen, die er mit Rufen und Peitschenknall antreibt. Und als er mitten im herrlichsten Frühling Lust auf eine Schneeballschlacht mit Freunden bekommt, lässt er sich aus den Hochalpen Kübel der weißen Pracht herantransportieren. Alles ist möglich am Hofe Heliogabals.
Irgendwann aber sind alle Farben durchgefeiert, alle Speisen probiert, alle Männer geliebt und jeder Luxus genossen. Das Gehabte ist langweilig für Heliogabal, ihn fasziniert nur das Neue, das Unbekannte und Verbotene. Was Geld ermöglichen kann, hat er sich bereits erfüllt, nun ist Kreativität gefragt. Lange braucht er nicht, um auf neue Ideen zu kommen. Seit einiger Zeit schon liebt er den Gladiator Aurelius Zoticus, einen gut aussehenden, muskulösen Römer, dessen Charakter sich am besten dadurch beschreiben lässt, dass die Nachwelt diesem Mann das Wort zotig (schlüpfrig) verdankt. Knapp eintausendachthundert Jahre, bevor in Deutschland die Homo-Ehe eingeführt wird, heiratet Heliogabal in einer bis dahin noch nie gesehenen Zeremonie den Gladiator Aurelius und macht ihn zu seinem wichtigsten Berater. Zwei Männer sind in einen bisher einmaligen Bund eingetreten. Wäre er so geblieben, Heliogabal, der bunte Sonnenkaiser, würde er nicht in dieses Buch gehören, sondern vielleicht als die schwule Star-Ikone der Antike gefeiert werden, ein altrömischer Elton John, schillernd wie Katzengold. Dem schönen Kaiser aber verschwimmt die Grenze vom Ungewöhnlichen zum Ungeheuerlichen. Schwofen im Garten und schwule Heirat reichen ihm nicht mehr zum Kick. Die Späße werden ihm zu fade, und so sinnt er auf Steigerung.
In den großen Speisesaal lässt er heimlich eine umkippbare Decke einbauen und lädt bald darauf zum Festmahl ein. Die Gäste treten ein, Senatoren und Spielgefährten, der Kaiser aber ist noch nicht im Raum. Die Türen werden von außen verschlossen, ein Hebel wird betätigt, und die Decke beginnt zu kippen. Ein Guckloch ermöglicht Heliogabal beste Sicht auf das folgende Geschehen. Von der kippenden Decke rieseln hunderte Blüten in den Raum hinunter, Veilchen, Rosen, Chrysanthemen, ein wunderbarer Duftregen geht auf die Gäste nieder. Jubel bricht aus. Wie freuen sie sich! Welch eine luxuriöse Idee! Jedoch, aus den Hunderten werden Tausende Blüten, Zehntausende, Hunderttausende. Der Regen nimmt kein Ende, das Blütenmeer steigt und steigt, und aus dem feinen Schauer wird eine wahre Sintflut aus Blumen, die nach wenigen Minuten bis zum Hals steigt, dann über das Kinn und die Lippen und schließlich alle Köpfe bedeckt. Panik bricht aus. Manche der Gäste bekommen keine Luft mehr, sie rütteln an den Türen, würgen und schreien und - ersticken in der Blütenflut. Heliogabal aber findet es schrill. Der Tag ist gerettet, viele Tage von da an.
Der Kaiser sprüht plötzlich voller Ideen. Bei einem anderen Festmahl lässt er plötzlich Löwen und Bären in den Raum ein. Die Tiere sind harmlos, gezähmt, außerdem hat er ihnen vorher Zähne und Krallen entfernen lassen. Der Schock jedoch tötet mehrere Gäste. Heliogabal findet das witzig. Unter das Essen seiner Gäste lässt er unauffällig Perlen und Bernstein einstreuen, erfreut sich an den ausgebissenen Zähnen. Monatelang sammelt er Schlangen und lässt sie während der Spiele im Circus Maximus in den Zuschauerrängen aussetzen. Ein entsetzlicher Tumult entsteht, bei dem viele Besucher sterben. Kein Scherz ist ihm mehr grausam , kein Tod extravagant genug. Unaufhörlich schmieden sein Mann Aurelius und er an perfiden Plänen und bemerken in ihrer grausamen Albernheit überhaupt nicht, wie sich um sie herum eine Mauer des Hasses aufbaut. Eine Leiche nämlich fragt nicht danach, wie ungewöhnlich ihr Sterben war, und die Lebenden tun es auch nicht, wenn sie befürchten, bald an die Reihe zu kommen.
Mit reichlichem Unbehagen sieht die alte Maesa, wie sich politisches Gewitter über dem jungenhaften Kaiser zusammenbraut. Mehrmals warnt sie ihn, mehrmals redet sie auf ihre Tochter Soemias ein, den Zügellosen zu zügeln, jedoch ist Soemias inzwischen selbst den Verlockungen des ausschweifenden Hofes verfallen. Maesa weiß, sollte Heliogabal stürzen, dann stürzt auch sie selbst mit ihm, dann ist auch ihr eigener Kopf nichts mehr wert. Sie hat noch eine weitere Tochter, Mammea, und diese hat auch einen Sohn, Alexianos. Mit viel Geschick überredet Maesa ihren mittlerweile siebzehnjährigen kaiserlichen Enkel, seinen zwölfjährigen Vetter Alexianos zu adoptieren, um die Nachfolge der severischen Dynastie zu sichern.
Dieser Alexianos nun ist von ganz anderem Schlage. Statt sich dem Taumel des Hofes anzuschließen, treibt er lieber Sport, studiert Geometrie oder Astrologie und füttert die Ringeltauben in seinen Volieren. Kein Fetzen Seide hängt an seinem Körper, Stoff tut es auch. Wo er hinkommt, grüßt er die Menschen freundlich. Er mag ein wenig langweilig sein, dieser Knabe Alexianos, aber wenigstens bringt er niemanden um, mag sich der Senat denken und macht heimlich Stimmung gegen Heliogabal. Angriffspunkte bietet der exzentrische Kaiser genug: die Idee, die römischen Götter dem allmächtigen Baal unterzuordnen beispielsweise; oder sein Plan, eine der Keuschheit geweihte römische Priesterin der Vesta zu ehelichen, um mit ihr "göttergleiche" Kinder zu zeugen. Die Prätorianergarde beginnt schon zu murren. Ohnehin ist dieser Heliogabal nicht von ihnen ernannt und gestützt worden, sondern von den Truppen.
Die Stimmung wendet sich gegen den Kaiser, und irgendwann zwischen seinen Orgien scheint er das auch tatsächlich zu bemerken. Ein von ihm in Auftrag gegebener Mord an seinem Vetter und Adoptivsohn Alexianos scheitert jedoch. Bald darauf wird Heliogabal von einem Wahrsager prophezeit, er werde eines gewaltsamen Todes sterben. Heliogabal fährt der Schreck durch die Glieder, doch anstatt irgendetwas an seinem Betragen zu ändern, sorgt er lieber auf andere, skurrile Weise für den Fall einer Revolte gegen ihn vor. Er richtet sich auf einen Selbstmord ein, der aber nicht gewöhnlich sein darf, sondern nur ausgesprochen luxuriös. Ein Turm wird gebaut, auf den er sich im Ernstfall flüchten und in dessen Innenschacht er sich stürzen kann. Der Boden aber wird mit geschliffenen Diamanten und Rubinen gepflastert, so dass Heliogabal wenigstens auf den teuersten Steinen der Welt sterben darf. Ständig trägt er einen goldenen Dolch bei sich sowie ein Saphiramulett mit schnell wirkendem Gift darin, und schließlich befiehlt er, im ganzen Palast Schnüre zu befestigen, an denen er sich notfalls erhängen kann - natürlich sind die Schnüre aus Seide.
Am 11. März 222 schlägt die Laune der Prätorianer endgültig gegen Heliogabal um. Maesa, die gewiefte Taktikerin, ist bereit, ihre Tochter Soemias und deren Sohn zu opfern, wenn nur die severische Dynastie mit ihr als grauer Eminenz im Hintergrund weiterregiert. Die Garde rebelliert, zieht durch den Palatinischen Palast, jeden mordend, der zur Clique des Imperators gehört. Heliogabal flüchtet sich in die Arme seiner Mutter, sein Mut zum Freitod schwindet. Gemeinsam verstecken die beiden sich in einer Latrine, doch es hilft nichts. Die Wachen stöbern sie auf, schlagen mit Schwertern auf sie ein, ziehen sie aus, schleifen die nackten Körper durch die halbe Stadt und werfen sie schließlich von der Aemilischen Brücke in den Tiber. Der exzentrischste und geilste, der ungeheuerlichste und der schönste Imperator, der je auf dem römischen Thron saß, ist tot.
Heliogabal hat bis heute sichtbare Spuren hinterlassen, die allerdings den wenigsten auffallen. Auch wenn der römische Senat die "damnatio memoriae" über den Toten verhängte, also die Auslöschung des Andenkens, die Tilgung aller Inschriften mit seinem Namen, die Zerstörung aller seiner Statuen, so hat er doch sein Vermächtnis hinterlassen. Der Stein des Gottes Baal kehrte zwar nach Emesa zurück, aber die Idee, in der Sonne den allgewaltigen Gott zu sehen, gefiel einer religiösen Gruppe im alten Rom, die auch nur einen einzigen Gott anbetete. Heliogabal hatte während seiner Regierungszeit einen bestimmten Tag des Jahres zum Feiertag seines Baal ernannt, an dem man tanzen und sich freuen sollte, und diese gewisse religiöse Gruppe setzte nun für ihre eigenen Riten jenen Feiertag als Geburtstag ihres eigenen Gottes fest: den 25. Dezember, unser Weihnachtstag. (Walz, Eric: Schwule Schurken. 2002)