Samstag Abend, den 24.Novembr.
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Ich bitte zu beachten, daß ich von einer "Hochzeit des
Spätlatein geschrieben hatte! Das gilt ja für die gesamte Frühneuzeit, nicht nur für die Zeit um 1700. Ich citiere aus der Zeit um 1700, weil ich da am meißten zuhause bin. Ich sprach auch nicht davon, daß Latein im
Teutschlande von 1707 Hauptsprache sei, sondern von einer abendländischen Universalsprache - ähnlich dem heutigen Englisch. Es wurden damals aber trotzdem viele gelehrte Bücher rein in lateinischer Sprache gedruckt, auch wenn überwiegend Teutsch aus den Pressen kam.
Ich weiß zunächts gar nicht was ich sagen soll, wenn ich von "Hochzeit des
Spätlatein" schreibe und als Anwort kommt sinngemäß: 'Aber Latein war doch bei den Römern in der Blüte.'
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Im Schwerpunct kann es, unter der Rubrik Neuzeit, schlecht um das Schicksal des muttersprachlichen Latein gehen, sondern um das Schwinden des übernationalen Spätlatein. Bezogen auf Deutschland waren wir zunächst uneinig über die Bedeutung der Lateintradition (dazu abschließend mehr...). Angesichts der centralen Lage Deutschlands, ist das für Mitteleuropa recht bedeutsam, zumal man in der Regel nur für seinen muttersprachlichen Raum optimal präcise Aussagen machen kann.
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@Hyokkose: Mir ist völlig gleich, welchen intellectuellen Anschein ich erwecke - erst recht was andere von mir denken wollten, oder ob sie's ganz unterließen. Es ist mir auch wurscht, was Mister Google schreibt. Ich war hier, um (1.) was dazu zu lernen (2.) meine eigenen Gedanken neu zu formulieren und sie zu ordnen und zu erweitern. Wenn ich auf das h von Herrn Walther (prüfender Blick ... vorhanden!) achte, tue ich das, weil ich diesen Herrn hoch achte. Ob jemand seine Zeit damit verbringt, jedes einzelne h aufzuspießen, das mir offensichtlich die Autocorrectur gecancelt hat, ist nicht erheblich. Zumal meine sonstigen Tippfehler öfters daher rühren, daß ich teils online im Stehen tippe - an einem öffentlichen Terminal einer Bibliothek, mit mangelnder Ruhe und Bequemlichkeit.
Sehr schön fand ich unsere Cooperation in der Frage : woher kommt der lateinische Volksname der Deutschen? Der Link, den Du hierzu empfahlst, hat mich nicht nur bestätigt (es gibt im Frühmittelalter keine Teutschen/Deutschen und auch keine einheitliche deutsche Sprache), sondern endlich darüber aufgeklärt, warum unser Volk "deutsch" heißt: Lateinisch war in diesen Land
en (pl.!) eben von immenser Bedeutung, weil es zwar unter einer Königsherrschaft stand, ansonsten aber völlig inhomogen war. Und wie belustigend zu erfahren, wie wir doch eine Erfindung des Vaticani sind - von den auf die Königsmacht eifersüchtigen Reichsfürsten weiter propagiert und vorangetrieben!
"Theodiscus" nannte mir Frantz damals schon in der Societas Cvriosa. Die Quelle dazu konnte er nicht sagen und so nahm ich das nicht an. Jetzt zeigt sich sogar, daß auch dies wieder ein lateinisch geprägter Begriff war. Das übrige scheint mißglücktes Latein unserer Vorfahren zu sein.
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Was mir wesentlich erschien, habe ich aus dem beschriebenen Link mal citiert. Empfehle den Link darüber hinaus allerwärmstens weiter:
Übrigens auch diesen von El Quijote, von unser aller blutigen Anfängen:
http://www.geschichtsforum.de/f123/auf-den-kratzigen-spuren-der-sprache-18406/
Da habe ich etliches dazu gelernt:
Die Geschichte des deutschen Volksnamens begann mit dem 786 erstmals belegten lateinischen Wort THEODISCUS, das von dem Substantiv theoda = „Volk” abgeleitet wurde und also „zum Volk gehörig”, „völkisch”, „volkstümlich” bedeutet. LINGUA THEODISCA meinte nichts anderes als die „Volkssprache”, die im Unterschied zum Lateinischen gesprochen wurde.
Wie kann man da von einem einzigen "Althochdeutsch" ausgehen, wo es ganz offensichtlich nur lauter Mundarten gab? (Man braucht sich heute nur noch etwa Saterländisch anzuhören, sowie die Berichte betagter Bauern, wie zwischen so manchen Friesendörfern Dialectgrenzen verliefen, sodaß man sich kaum untereinander verstand.)
LINGUA THEODISCA war also in jeder Gegend eine andere, etwa Alemannisch, Alt-Sächsisch, Baierisch oder Ostfränkisch. Deutsch als überregionale Verkehrssprache gab es lange Zeit östlich des Rheins nicht.
Und deshalb - das erscheint mir für diesen Thread wichtig - war Lateinisch die einigende Hauptsprache im deutschen Raum.
Neben dem Wort THEODISCUS stand vielleicht schon seit den 30er-Jahren des 9. Jahrhunderts TEUTONICUS, das bei Vergil vorkommt und wahrscheinlich durch Vergilkommentare so weit verbreitet worden ist, dass diese Bezeichnung sich im 10. und 11. Jahrhundert als die übliche durchsetzen konnte. Alle diese Zeugnisse bezeichnen die Sprache und nicht das Volk; alle stehen im fränkischen Zusammenhang und geben keinen Hinweis auf ethnische Formationen.
"Teutonicus"/'Deutsch' wurde also als Anregung aus dem Lateinischen aufgegriffen.
Der deutsche Volksname gelangte seit dem späten 10. Jahrhundert aus Italien zunächst in den lateinischen Sprachgebrauch und von dort auf nicht mehr rekonstruierbare Weise in die Volkssprache.
Die Pickelhauben drehen sich im Grabe um : Deutsch eine rein welsche Erfindung, von den Deutschen einfach nur so aufgeschnappt (weil sie offensichtlich selber nichts wußten)! Varianten wie "diutsch"/"tiutsch" müssen doch ungeschickt verdrehtes Latein sein.
Auf persönliche Initiative von Papst Gregor VII. wurden in seiner Kanzlei häufig Bezeichnungen wie TEUTONICI, TERRA TEUTONICA, PARTES TEUTONICA/TEUTONICORUM, TEUTONICE TERRE EPISCOPI, EPISCOPI ET DUCES IN TEUTONICA PARTIBUS, REGNUM TEUTONICUM/TEUTONICORUM, EPISCOPI REGNI TEUTONICI u. Ä. gebraucht. Dies ist im Zusammenhang mit dem Investiturstreit verständlich, ging es dem Papst doch darum, dem König seine imperialen Rechte zu beschneiden und ihn als König der Deutschen auf eine Stufe mit dem König der Ungarn zu stellen.
Gebiert also jener papistische Schachzug endlich noch die deutsche Nation!
Gegner Heinrichs IV., v. a. weltliche und geistliche Fürsten, sprachen ebenfalls vom REGNUM TEUTONICUM. Bei der Absetzung Heinrichs IV. und der Wahl Rudolfs von Rheinfelden im Jahre 1077 handelten die Fürsten als Vertreter des so definierten REGNUM TEUTONICUM, das dem König entgegen gestellt werden konnte.
Auf jeden Fall war die einigende lateinische Sprachtradition in Deutschland viel wesentlicher, da unverzichtbarer, als in vergleichbaren Europäischen Nationen. Das meinte ich mit "alter Teutscher Geistestradition des Latein", welche abhanden gekommen ist (warum habe ich ja seitenweise ausgeführt).