Warum schloss sich das Osmanische Reich den Mittelmächten und nicht den Alliierten an

...somit ist die Beschlagnahme nicht in die britische Flottenrüstung aufzunehmen, oder wurde damit tatsächlich spekuliert?

Ich muss das nochmal nachschlagen. Es würde mich nicht wundern, wenn genau diese Forderungen von der Admiralität früh gestellt worden wären.

Schließlich ist man auch auf die weite Blockade übergegangen, das sieht nicht gerade nach einer überschwenglichen Beurteilung der eigenen Überlegenheit aus. Die Betrachtung wäre also 1914 nur fortgesetzt worden. Und die 5 QEs und 5 Rs waren erst im Bau (@turgot hat die überlegene 15-inch-Bewaffnung angesprochen). Mit diesen 10 Schiffen hätte das natürlich anders ausgesehen, aber erstmal musste man bis dahin kommen und die Bauzeit überbrücken.
 
Ich muss das nochmal nachschlagen. Es würde mich nicht wundern, wenn genau diese Forderungen von der Admiralität früh gestellt worden wären.

Schließlich ist man auch auf die weite Blockade übergegangen, das sieht nicht gerade nach einer überschwenglichen Beurteilung der eigenen Überlegenheit aus. Die Betrachtung wäre also 1914 nur fortgesetzt worden. Und die 5 QEs und 5 Rs waren erst im Bau (@turgot hat die überlegene 15-inch-Bewaffnung angesprochen). Mit diesen 10 Schiffen hätte das natürlich anders ausgesehen, aber erstmal musste man bis dahin kommen und die Bauzeit überbrücken.

Oh, die 38iger Frage würde ich in diesen Zusammenhang ganz zurückhalten. Zumal weder die Erin noch die Agincourt 15-inch-Geschütze führten.

Und die Kalibersteigerung mit der Planung ab 1910 auf das 15-inch-Geschütz ist super interessant als Einzelthema, vor allem im Blick auf die deutsche Planung der Bayern-Klasse und auch der amerikanischen und japanischen Rüstung hin zum 16-inch- Geschütz...:)
 
Oh, die 38iger Frage würde ich in diesen Zusammenhang ganz zurückhalten. Zumal weder die Erin noch die Agincourt 15-inch-Geschütze führten.

Der Hinweis war ausschließlich auf die QEs und die R-Klasse bezogen. 1914 nahm man bei den bestehenden Verhältnisssen, was möglich war.

P.S. das Kaliberrennen könnten wir tatsächlich im Technikbereich diskutieren.:winke:
 
Der Hinweis war ausschließlich auf die QEs und die R-Klasse bezogen. 1914 nahm man bei den bestehenden Verhältnisssen, was möglich war.

P.S. das Kaliberrennen könnten wir tatsächlich im Technikbereich diskutieren.:winke:

Kaliberrennen, na dann, ich warte auf deinen neuen Themeneingang...:winke:

Und mit dem Nehmen was es gibt, ja, da hast Du recht und es zeigt auch, daß die Engländer wohl schwer in Not waren, warum auch immer, denn die Agincourt hatte nur 30igerfünfer und das in 7 Doppeltürmen!
Das war wohl die schlechteste Großkampfschiffkonstruktion, die je gebaut wurde. Geringes Kaliber bei hohem Breitseitgewicht durch viele Decksdurchbrüche schlechet Längsverbandsstabiltät.
(...Ich hoffe man hat mit diesen Schiff nie ein Breitseite aus allen 14 Rohren geschossen...)
 
Zuletzt bearbeitet:
Völlig OT, aber:
(...Ich hoffe man hat mit diesen Schiff nie ein Breitseite aus allen 14 Rohren geschossen...)

Immerhin ist sie mit 144 (Parkes und Official Despatches, Munitionsanforderung am 1.6.1916) Schuss 12-inch in der Skagerrak-Schlacht verzeichnet, und dafür hatte sie nur ein paar Minuten.:devil:

Parkes/Hough geben volle Breitseiten an, entgegen der Legende, dass sie dann auseinanderbrechen sollte.
 
silesia schrieb:
Zum "Polster":
Immerhin jammerte Jellicoe noch im Dezember 1914, dass ihm die Überlegenheit nicht ausreichen würde, und reichte Fisher und Churchill Memoranden herein, in denen im Schiff-Schiff-Vergleich die Royal Navy ein komfortables Polster benötigen würde (Jellicoe-Papers, Band 1).


Jellicoe jammerte auf recht hohem Niveau.
 
Die Sultan Osman I. und die Reshadije sollten am 03.August 1914 von den türkischen Besatzungen übernommen werden, doch die britischen Truppen besetzten die Dreadnoughts bereits am 02.August 1914.

Aber erst am 04.August 1914 erklärte Großbritannien dem Deutschen Reich dem Krieg.
 
... doch die britischen Truppen besetzten die Dreadnoughts bereits am 02.August 1914.

Genau, als die fortgeschritttene Phase der deutsch-türkischen Verhandlungen bekannt wurde. Am gleichen Tag wurde das Abkommen noch unterzeichnet, das den osmanischen Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte für den Kriegsfall mit Rußland vorsah.

Richard Hough: The Big Battleship (HMS Agincourt)

Die Ausrüstung mit den letzten Geschützen fand nach britischer Beschlagnahme statt. Der Exporteur Armstrong, Vertragspartner des Osmanischen Reichs, hatte dabei nichts mehr zu melden.
 
Wenn hier soviel Einigkeit besteht, dann will ich mal etwas Wasser in den Wein kippen.
Gern würde ich zum Ausgleich etwas Wein in das Wasser kippen. Wein - das wären aus meiner Sicht mehr Informationen darüber, wie die türkische Staatsführung im Sommer 1914 die Situation beurteilt hat und wie der Entscheidungsprozess abgelaufen ist. Aber das, was ich zur Verfügung habe, ist zu dünn.

Kreiser/Neumann [1] z.B. widmen dem Kriegseintritt schlappe zwei Seiten, den Gründen ein paar Zeilen. Es habe im türkischen Kabinett drei Lager gegeben, von den das eine, das jungtürkische um Enver Pascha, sich durchgesetzt habe, und zwar in Beratungen des engsten Führungszirkels zwischen dem 18. und 23.07.1914 (!). Ob dabei das Für und Wider sorgsam abgewogen wurde, ist ganz unklar.

Das gilt auch bereits für die Ziele. Laut Wikipedia waren "strategische Minimalziele des Osmanischen Reiches ... bei Kriegseintritt die Rückgewinnung Ägyptens und Armeniens sowie die Eroberung Adens (Jemen)." Kreiser/Neumann dagegen meinen, die Türkei habe sich längst mit der britischen Präsenz in Ägypten abgefunden, und die anderslautende "vollmundige Erklärung von Cemal Pascha 1914" ("Ich werde erst nach Istanbul zurückkehren, wenn ich Ägypten erobert habe") habe daran "nichts" geändert. Das ist auch insoweit evident, als die türkische Hauptmacht es vorzog, einen "Amoklauf" [2] in den Kaukasus zu unternehmen.

Von gleichem Grad an Glaubwürdigkeit bzw. Konsequenz auch der spätere Versuch, die Entscheidung mit religiösen Motiven zu unterlegen. Der Sultan am 11.11.: Die Kriegsgegner "unterdrückten Millionen von Muslimen und entfremdeten sie dem Kalifat [...] Die Proklamation endet mit dem Aufruf zum Großen Glaubenskrieg (chihad)." [3]

Vorläufige, freilich unbefriedigende These also: Die Türkei votierte für den Selbstmord aus Angst vor dem Tod.


[1] Kleine Geschichte der Türkei, Liz. Bonn 2006, S. 364 ff.
[2] So der in Wikipedia zitierte Historiker Trumpeter.
[3] Kreiser/Neumann, S. 367
 
Gern würde ich zum Ausgleich etwas Wein in das Wasser kippen. ...
Vorläufige, freilich unbefriedigende These also: Die Türkei votierte für den Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Das erste glaube ich Dir sofort :rofl:

Zum Zweiten: ich weiß nicht, ob man das so zugespitzt formulieren kann und ob die Abwägungen bzgl. Neutralität neben der Parteinahme wirklich so abwegig sein sollen. Die Verhandlungen mit beiden Seiten stehen natürlich im Fokus der politischen Analysen bzw. der diplomatischen Dokumentationen. Über die dritte Variante gibt es - schon aufgrund der Quellenlage - kaum Aufklärung.

Der Ausgang ist jedenfalls bekannt, und die "Gewinnerwartungen" dieser Problemlage kann man analysieren:
- Ägypten
- Revision des Ergebnisses von 1877/78
- das Angebot der Mittelmächte auf künftige "Augenhöhe"

Dagegen hatte die triple entente quasi nichts zu bieten. Etwas Spekulation: die deutsche Seite wird in den Verhandlungen sicherlich klargestellt haben, dass der Sieg über Frankreich eine Frage von 100 Tagen sei, mit dem Verweis auf 1871. Danach werde man sich Rußland zuwenden, und das Osmanische Reich werde seinen Teil am Kuchen erhalten.
 
[a] ...ich weiß nicht, ob man das [Selbstmordthese] so zugespitzt formulieren kann und ob die Abwägungen bzgl. Neutralität neben der Parteinahme wirklich so abwegig sein sollen. ...

Zu [a]: Kann man nicht. (Hatte leider den Ironie-Icon vergessen.) Zu : Sind sie nicht - freilich habe ich das auch mit keiner Silbe behauptet.

kaum Aufklärung ... etwas Spekulation...
Das ist das Problem, das ich ansprechen wollte. Es muss doch z.B. in der Türkei selbst auch eine kritische, reflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema geben. Die kenne ich nicht - kennt jemand anders sie?

Was das erwähnte 100-Tage-Wunschbild eines Sieges betrifft, so glaube ich gern, dass es deutscherseits aufs Lebhafteste und Suggestivste ausgemalt wurde - aber ob das entscheidend war? Als die "offizielle" türkische Kriegserklärung an Russland erfolgte, waren die 100 Tage übrigens gerade vorbei.

"Gewinnerwartungen": ...Revision des Ergebnisses von 1877/78...
Auch so ein Punkt, der weiterer Beleuchtung harrt. Nochmal Kreiser/Neumann: "Eine Wiedergewinnung der verlorenen Balkanprovinzen war schon aus bündnispolitischen Gründen ausgeschlossen: man hatte ja nicht allein Österreich-Ungarn als Alliierten, sondern war auch gezwungen mit Bulgarien, dem verhassten Gegner zweier Balkankriege, zu kooperieren, Jedermann wusste, dass sich Bulgarien Gebietsgewinne in Makedonien erhoffte." Eine realistische Aussicht auf Revision bestand demnach allenfalls in Bezug auf den Kaukasus. Oder siehst Du das anders?
 
Genau, als die fortgeschritttene Phase der deutsch-türkischen Verhandlungen bekannt wurde. Am gleichen Tag wurde das Abkommen noch unterzeichnet, das den osmanischen Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte für den Kriegsfall mit Rußland vorsah.

Richard Hough: The Big Battleship (HMS Agincourt)

Die Ausrüstung mit den letzten Geschützen fand nach britischer Beschlagnahme statt. Der Exporteur Armstrong, Vertragspartner des Osmanischen Reichs, hatte dabei nichts mehr zu melden.

Weißt du, wer die Beschlagnahme zu welchem Zeitpunkt veranlasst hat?

Immerhin erfuhr das brtische Kabinett ja erst am Abend des 2.August von der Neutralitätsverletzung Luxemburgs durch das Deutsche Reich. Im Fall Luxemburgs wollte man erst intervenieren, wenn dies auch die übrigen Garantiemächte tun würden. Hinsichtlich vertrat eine andere Auffassung.
Während die Abendsitzung noch andauerte, erfuhr bekam man auch Kenntnis vom deutschen Ultimatium, welches in Brüssel überreicht worden war.
Jetzt ordnete Asquith die Mobilmachung des Heeres an.
 
Weißt du, wer die Beschlagnahme zu welchem Zeitpunkt veranlasst hat?

Das war Churchill, der sich auch zu den "two fine ships" in seiner Darstellung zum Weltkrieg äußerte. Demnach gab es bereits 1 Monat zuvor Hinweise an Vickers und Armstrong, die Auslieferung zu verzögern, und der Linie folgte man während der Julikrise.

Ende Juli war Agincourt noch auf Probefahrt, am 28.7. kam eine türkische Besatzung im Hafen an. Am 1.8. wurden allmählich fehlende Geschütze angeliefert und in einem Turm eingesetzt, die Munitionierung wurde allerdings verzögert. Am 2.8. dürfte klar gewesen sein, dass ein großer Krieg in Europa stattfinden wird, mit oder ohne britische Beteiligung.

Was das erwähnte 100-Tage-Wunschbild eines Sieges betrifft, so glaube ich gern, dass es deutscherseits aufs Lebhafteste und Suggestivste ausgemalt wurde - aber ob das entscheidend war? Als die "offizielle" türkische Kriegserklärung an Russland erfolgte, waren die 100 Tage übrigens gerade vorbei.
Die Verzögerung des türkischen Kriegseintritts lag an der verdeckten Mobilmachung, die Armee war nicht kriegsbereit. Nach Lage der Dinge unter dem "fog of war" standen die deutschen Armeen in Belgien und Frankreich, die russische war in Ostpreußen geschlagen, und die Hälfte der Kaukasustruppen wurde an den europäischen Kriegsschauplatz abgezogen.

"Entscheidend" sicher nicht - mit der Bemerkung wollte ich nur die vermutliche türkische Einschätzung zum Kriegsausgang am 2.8.14 skizzieren.
Eine realistische Aussicht auf Revision bestand demnach allenfalls in Bezug auf den Kaukasus. Oder siehst Du das anders?
Nur auf den Kaukasus hatte ich die türkischen Aspirationen bezogen. Das war allerdings ein sehr beachtliches Ziel zur Konsolidierung gegen das sich ausbreitende russische Reich. Die Bedeutung kann man daran ermessen, dass Enver Pasha die Operationen dort selbst in die Hand nahm:
http://www.geschichtsforum.de/f62/kaukasische-front-1914-16-a-36632/
 
silesia schrieb:
Genau, als die fortgeschritttene Phase der deutsch-türkischen Verhandlungen bekannt wurde. Am gleichen Tag wurde das Abkommen noch unterzeichnet, das den osmanischen Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte für den Kriegsfall mit Rußland vorsah.

Das Deutsche Reich hat Russland am 01.August den Krieg erklärt. Österreich-Ungarn folgte am 06.August.

Die Briten haben sich also der türkischen Dreadnoughts bemächtigt, obwohl sie sich nicht mit dem Osmanischen Reich im Kriegszustand befanden. Großbritannien hat seinerseits auch auf eine Kriegserklärung verzichtet.

Churchill hatte, wie ich gerade in der Enzyklopädie lese, die Beschlagnahme veranlaßt. Die Beschlagnahme wird dort auch als rechtlich fragwürdig qualifiziert. Auf jeden Fall hat dies zu einen Sturm der Entrüstung in der türkischen Öffentlichkeit geführt und die deutsche Position gestärkt. Die Schiffe waren durch öffentlich Anleihen finanziert worden.

Das Osmanische Reich erklärte dem Zarenreich aber erst am 29.Oktober 1914 den Krieg.

jsschmidt schrieb:
Gern würde ich zum Ausgleich etwas Wein in das Wasser kippen. Wein - das wären aus meiner Sicht mehr Informationen darüber, wie die türkische Staatsführung im Sommer 1914 die Situation beurteilt hat und wie der Entscheidungsprozess abgelaufen ist. Aber das, was ich zur Verfügung habe, ist zu dünn.

Viel kann ich auch nicht beitragen.:)
Die Entscheidung zum Kriegseintritt wurde am 25.Oktober nicht durch das Kabinett, sondern durch eine Gruppe jungtürkische Politiker, getroffen. Zwei Tage später griff dann, auf Befehl von Enver Pascha, ein türkischer Flottenverband die russischen Basen der Schwarzmeerflotte an.(1)

Enzyklopädie Erster Weltkrieg, S.758
 
Zuletzt bearbeitet:
Das war Churchill, der sich auch zu den "two fine ships" in seiner Darstellung zum Weltkrieg äußerte. Demnach gab es bereits 1 Monat zuvor Hinweise an Vickers und Armstrong, die Auslieferung zu verzögern, und der Linie folgte man während der Julikrise.

Ende Juli war Agincourt noch auf Probefahrt, am 28.7. kam eine türkische Besatzung im Hafen an. Am 1.8. wurden allmählich fehlende Geschütze angeliefert und in einem Turm eingesetzt, die Munitionierung wurde allerdings verzögert. Am 2.8. dürfte klar gewesen sein, dass ein großer Krieg in Europa stattfinden wird, mit oder ohne britische Beteiligung.

Dankeschön. Habe deine Antwort erst gesehen, als ich meinem Beitrag einstellte.:)

Chruchill hatte es also reichlich eilig, denn noch war ja nichts beschlossen.
 
Chruchill hatte es also reichlich eilig, denn noch war ja nichts beschlossen.

Naja, immerhin hat er den Braten gerochen. Man sollte sich auch nicht vom späten Kriegseintritt des Osmanischen Reichs beeindrucken lassen, das war ab dem 2.8.1914 eine abgemachte Sache und hatte seine Verzögerungsgründe nur im Zeitbedarf der osmanischen Armee.

Am 1.8.1914 bot die türkische Regierung (Enver Pasha, Talaat) an, die Schiffe sofort nach Übernahme in einen deutschen Hafen zu überführen, was bei der überwiegend deutschfreundlichen Fraktion in der türkischen Regierung zwar keine Überraschung, aber schon ein sehr weitgehender Schritt gewesen ist. Über die Kanäle und Drähte nach London kennt man wenig, aber die osmanische Marine dürfte eher der britischen Fraktion angehört haben. Erstaunlicherweise :scheinheilig: brachte die britische Admiralität genau diese Befürchtung am 2.8. auf den Tisch.

Heller: British policy towards the Ottoman Empire, 1908-1914, S. 206.

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Was soll denn am Embargo irgendwie völkerrechtswidrig sein? Die Rechtslage läßt sich zunächst auf einen Vertrag von Vickers-Armstrong mit der Pforte reduzieren. Den Waffenexport hat London genehmigt (und sich sogar um die Finanzierung bemüht). Diese Genehmigung kann selbstverständlich bei Änderung der Verhältnisse widerrufen werden, das wäre dann eine Frage des Schadenersatzes. Den hat London am 2.8.1914 finanziell angeboten. Ich würde daher um einen völkerrechtlichen Hinweis bitten, dass Großbritannien nicht zum Verbot der Auslieferung (Bezahlung hin oder her) berechtigt war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Am 1.8.1914 bot die türkische Regierung (Enver Pasha, Talaat) an, die Schiffe sofort nach Übernahme in einen deutschen Hafen zu überführen, was bei der überwiegend deutschfreundlichen Fraktion in der türkischen Regierung zwar keine Überraschung, aber schon ein sehr weitgehender Schritt gewesen ist.

Das ist in der Tat ein Hammer. Da haben ja ein paar Herren einer endgültigen Entscheidung ihrer Regierung vorgegriffen und sich reichlich weit aus dem Fenster gelehnt.


Erstaunlicherweise :scheinheilig: brachte die britische Admiralität genau diese Befürchtung am 2.8. auf den Tisch.

In der Tat: Seeehr überraschend. Nur würde mich interessieren, ob da tatsächlich Informationen geflossen sind. Wenn ja, dann ist wohl für mich eine Neubewertung der Vorgänge fällig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was soll denn am Embargo irgendwie völkerrechtswidrig sein? Die Rechtslage läßt sich zunächst auf einen Vertrag von Vickers-Armstrong mit der Pforte reduzieren. Den Waffenexport hat London genehmigt (und sich sogar um die Finanzierung bemüht). Diese Genehmigung kann selbstverständlich bei Änderung der Verhältnisse widerrufen werden, das wäre dann eine Frage des Schadenersatzes. Den hat London am 2.8.1914 finanziell angeboten. Ich würde daher um einen völkerrechtlichen Hinweis bitten, dass Großbritannien nicht zum Verbot der Auslieferung (Bezahlung hin oder her) berechtigt war.

Leider kann ich dir den Hinweis nicht liefern, da der entsprechende Beitrag in der Enzyklopädie Erster Weltkrieg dazu keine weiterführenden Informationen liefert.
 
Ich würde daher um einen völkerrechtlichen Hinweis bitten, dass Großbritannien nicht zum Verbot der Auslieferung (Bezahlung hin oder her) berechtigt war.
Unser Fall ist kompliziert, weil (a) es sich um (zwar noch nicht in Dienst genommene, aber weitgehend ausgerüstete) Kriegsschiffe handelt, (b) die von einem neutralen Staat rechtmäßig erworben sind, wobei die Beschlagnahme (c) zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem sich Großbritannien noch nicht im Krieg befindet.

Als einer der namhaften Völkerrechtslehrer vor 1914 definierte Ullmann [1] das Embargo als Beschlagnahme von gegnerischen Handelsschiffen, d.h. als eine "Arrestanlage, die sich aber eventuell, [...] wenn es zum Kriege kommt, in definitive Wegnahme (Konfiskation) verwandelt; dabei vermerkte er fließende Übergänge zum "Angarienrecht" bzw. zum "Arret de Prince" [2] und rechnete im Übrigen das Embargo wie die Repressalie und die Blockade zu den "nichtkriegerischen Mitteln der Selbsthilfe" im Konfliktfall.

Insoweit gab es Konsens, nicht aber über die Handhabung, wie Bulmerincq im Einzelnen dargestellt hat [3]. Die einen meinten, es wäre zulässig, wenn ein kriegführendes Land "in höchster Noth und gegen vollständige Entschädigung [...] neutrale Sachen z.B. Schiffe in Beschlag nehme und zu seinen Zwecken verwende (ius angariae)"; die anderen machten geltend, eine solche Maßnahme wäre "als eine Verletzung des Rechts der Neutralen nur zu verwerfen, indem sie die Neutralen zur Verletzung ihrer Pflicht, einem Kriegsführenden keine Beihülfe zu leisten, verleitet, ja zwingt." [4]

Für Churchill war das Prinzip "Not kennt kein Gebot" zeitlebens handlungsleitend; ich nehme wie Turgot an, dass er sich für juristische Feinheiten nicht interessiert hat.

Ich fand zum Fall noch eine "Hintergrundstory" (in Englisch): History House: Turkey's Toy Boat


[1] Völkerrecht. Neubearb. Tübingen 1908, S. 457
[2] Zu diesen Stichworten siehe Wörterbuch des Völkerrechts Bd 1 ... - Google Bücher bzw. Wörterbuch des Völkerrechts Bd 1 ... - Google Bücher
[3] in Holtzendorffs Handbuch, Bd. 4, S. 98-116
[4] So die Positionen von Heffter und Bulmerincq, aaO, S. 100.
 
Unser Fall ist kompliziert, weil (a) es sich um (zwar noch nicht in Dienst genommene, aber weitgehend ausgerüstete) Kriegsschiffe handelt, (b) die von einem neutralen Staat rechtmäßig erworben sind, wobei die Beschlagnahme (c) zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem sich Großbritannien noch nicht im Krieg befindet.

Einspruch, Euer Ehren.:winke:

Bereits (a) die Kriegsschiffeigenschaft wäre nach den allgemein anerkannten Kriterien (analog VII. Haager Abkommen) zu verneinen (ua. Flagge, Befehlsgewalt, ordnungsgemäße Bestellung)- ganz abgesehen davon, dass es (b) an der Auslieferung (=Übergabe) durch die Werft zwecks Erwerb durch das Osmanische Reich mangelte.

Bis zur Übernahme unter dem Kommando eines türkischen Kommandanten und Eingliederung in die Osmanische Flotte handelt es sich um ein "Exportproblem" aus britischem Hoheitsgebiet und ist keine Frage eines bestehenden Kriegszustandes und damit verbundenen Beschlagnahmerechten.
 
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