Tib. Gabinius schrieb:
Ich kann mich dem von Ashigaru gesagten nur anschließen. Gerade die letzten Postings triefen vor Vorurteilen, romantischen Vorstellung, Verallgemeinerungen und, nicht böse gemeint, Halbwissen.
Lieber Tib., vor Deinem, Ashigarus und einiger anderer hier nicht Erwähnter Detailswissen habe ich entsprechende Hochachtung.
Nun war die Eingangsfrage eine grundsätzlich knappe und meine Antwort eine zusammen fassende und das Ausufern vemeiden wollende.
Ich habe auch ohne Rücksicht auf den bisherigen Thread, nur Heinzens letzte Bemerkung gelesen habend, mein "grobe Vereinfachung" gepostet.
Tib. Gabinius schrieb:
Es erscheint mir immer wieder faszinierend, wie schnell Römer mit Begriffen wie Dekadenz, Imperialismus, Ignoranz usw. beehrt werden, während man anderen Völkern dafür Ehre, Stolz und Freiheitsliebe zugesteht.
(...)aber ein Germane der über die Grenzen schreitet, der kämpft um seine Freiheit.
So hätt ich das niemals vereinfacht. Der letzte Satz ist natürlich Unfug, von dem wir wissen, woher er ideologisch herrührt.
Nochmal: für mich ging es ausschließlich um die Zeit des Niedergangs, der letzten, sagen wir, 7 Generationen. Also genau um die Zeit, in der die Germanenvölker außerhalb der röm. Reichsgrenzen ins Licht der Geschichte treten, so RICHTIG ins Licht treten. Und von wegen "um ihre Freiheit" kämpfen: natürlich nicht, sie holten, nahmen sich Land, drückten die Grenzen ein, dies im Wissen um die inneren Schwächen Roms, ergo ohne den früheren starken Verhandlungspartner (betrifft: Alemannen, später Franken, die aus der Position der Stärke agierten).
Wenn ein mit drei Bronzefiebeln zusammengehaltener Leinenstoff-oder Bärenfell-Barbar einem Römer in Seide mit Goldfadenapplikationen gegenüber tritt und diesem seinen Reichtum abnimmt, dann war sein "Stolz und seine Ehre" bestimmt einigermaßen erhöht, nicht?
Aber das klingt nun wieder falsch in den Ohren.
Punkto Ignoranz hier nun die hintergründigen Gedanken: Sie holten sich schlussendlich, was Rom einfach nicht haben wollte. Die von Norden/Nordosten bedrängten Völker an Roms Grenzen baten mit ihren Unruhen meines Eindrucks nach um Integration. Manche eindeutig, um Land und Schutz bittend. Die wurden hingehalten und abgeschoben: "festung Europa alla Roma". Was war es, wenn nicht grundsätzliches Desinteresse (Ignoranz) seitens Rom, die Germanen nördl. der Donau sich lieber gegenseitig aufreiben zu sehen, denn als Puffer und Föderierte mit entsprechende Sicherheiten und Rechten auszustatten und auf ihre Seite zu ziehen? Erklärt mir das mal, bitte, falls ich da völlig falsch liege.
Tib. Gabinius schrieb:
Liebe Forumsteilnehmer, dies ist mal ein genereller Aufruf: differenziert!
Rom bestand über 1000 Jahre, sein Reich um die 700 Jahre, und hat sein Gesicht in jedem Aspekt wenigstens ein mal geändert. Die Menschen die darin lebten oder es gar beherrschten sind unmöglich über einen Kamm zu scheren.
Einen Stoiker wie Marcus Aurelius und seine Motive mit einem ehrgeizigen Feldherren wie Caesar über einen Kamm zu scheren entspräche etwa der Tendenz,Theoderich mit Maximilian I. gleichzusetzen.
Bevor also wirklich Begriffe wie Dekadenz genutzt werden, die auch in der römischen Geschichte ihren Platz haben, sollte sich sehr genau angesehen werden, wo sie zu platzieren und wie weit sie zu nutzen sind.
Marc Aurel und Caesar hat hoffentlich jemand anderer am Kopf zusammenwachsen lassen... :grübel: Nochmal: ich bezog mich auf das Schlusskapitel der letzten gut 200 Jahre (w.o.), die Stoa marc Aurels mag ich sehr.
Tib. Gabinius schrieb:
@ ning, mich überrascht so manches was du hier von dir gabst außerordentlich.
Ich hoffe du bist dir über die vollkommen durcheinander gebrachte Reihenfolge im klaren... und ein Niedergang um 100? Man geht von einem goldenen Zeitalter und Hadrian und Antoninus Pius aus, die wirtschaft florierte, die Menschen konnten ihrem Leben ohne größere Bedrohung nachgehen, die Grenzen waren gesichert und wurden in Relation auch friedlich gehalten.
Gerade die Religion und die Entwicklung der gallo-romanischen Mischkultur spricht hier eine andere Sprache... Die Römer hatten massives Interesse an anderen Kulturen und deren Errungenschaften, aber sie zogen nur das positive heraus und achteten dabei auf ihre eigenen Traditionen. Warum sonst sollten schon im 1. Jh. n. Chr. Kaiser auf den Thron kommen, die nicht aus Rom oder Italien stammten?.
Zu den Details, die ich viell. nicht erwähnen hätte sollen: die Reihenfolge weiß ich, nicht superexakt die weniger bekannten Figuren betreffend, aber in den hervorragenden. Pardon, dass mir Hadrian und Trajan erst nach Severus und M. Aurel (zusätzlich) eingefallen sind: keine Reihenfolge war hier gemeint! Ach ja, und vor allem Antoninus Pius!! wollte mir nicht einfallen. Ich habe immer diese wunderbare Büste vor Augen, den Namen muss ich in gedanken endlich fest einmeisseln.
Ich schrieb von einem (für mich kontinuierlichen) Niedergang ->AB<- 100. Zugegeben, das ist ein recht grober und früher Ansatz. Den mache ich, bitte korrigiert mich, primär in der Land/Steuerverteilung, also dem zunehmenden, nie korrigierten Großgrundbesitzertum fest. Sowie deren Nicht-Besteuerung. Das stand dem gleichzeitigen Gros des verhältnismäßig viel unabhängigeren Freien und Litenwesens der german. Stämme doch augenscheinlich entgegen. Ich weiß, dass nun dieses und jenes Argument bzgl. des german. Adels daher kommen wird. Fakt ist, dass das german. Besitz- bzw. Mindest-Anspruchsrecht der Bauern keine solche Masse verarmter Landarbeiterschaft wie auf röm. Boden erzeugt hat.
Kurz und heute gern zitiert: die Kluft zwischen wenigen, steuerbefreiten, Reichen und einer großen Menge hart besteuerter Kleinbauern ist (für mich) das Gesellschaftbild der zumindest letzten beiden Jahrhunderte des röm. Reiches. Sorry, das ist für mich das Hintergrundsbild der Dekadenz, die andererseits in der Hauptstadt zelebriert wurde.
Beispiel: der in Sachen militär. Konsolidierung so erfolgreiche Dioketian, hat diesen gesellschaftl. Missstand sogar noch verschlimmert, anstatt, selbst aus genau diesen "armen Verhältnissen" stammend, endlich die Großgrundbesitzer zu besteuern, ließ er deren Rechte unangetastet bzw. beteiligte seine parteigänger darin. Das nenn ich Dekadenz.