Ich vermute, es gibt noch keine veröffentlichten Untersuchungen, welche alle noch verfügbaren Hexerei-Gerichtsakten mit besonderen Augenmerk auf die Anwendung der Wasserprobe untersucht hat.
Der Ursprung der Wasserprobe selbst ist einiges älter die Hexenverfolgung und lässt sich ansatzweise bereits im
Frühmittelalter nachweisen. Die Wasserporbe gehört, wie die Feuerprobe und der gerichtliche Zweikampf, in die Katergorie der mittelalterlichen Gottesurteile, welche beim schweren Verbrechen angewandt wurden und deren Zweck vornehmlich mit der Wahrheitsfindung begründet wurden. Die Wasserprobe war hauptsächlich - aber nicht ausschliesslich - ein Mittel der weltlichen Justiz.
Die Wasserprobe gab es in verschiedenen Formen, welche im Detail wiederum voneinander abweichen konnten.
1) Der Angeklakte wird (manchmal an einem Balken) gefesselt in Fluss oder See geworfen. Wenn er ertrank, war das der Beweis für sein Unschuld. Konnte er sich jedoch irgendwie aus den Fesseln befreien oder durch andere akrobatische Kunststücke an die Wasseroberfläche kämpfen, war das wiederum ein Beweis für seine Schuld. Denn Gott – so glaubte die mittelalterliche Frömmigkeit – hatte durch die Taufe Jesus Christi das Wasser geheiligt, weshalb es Sünder abstiesse. In diesem Fall wurde der Angeklagte aus dem Wasser gezogen, um anschliessend als Schuldiger hingerichtet zu werden. Die ergebnisorientierte Betrachungsweise kann ein solche Form der Urteilsfindung und -vollstreckung natürlich nur als absurd empfinden, für das von der Jenseitserwartung geprägte Empfinden des mittelalterlichen Menschen machte es hingegen durchaus einen Unterschied, als Unschuldiger oder Schuldiger das Zeitliche zu segnen. Dieses Gottesurteil der Wasserprobe ist auch im Sachsenspiegel beschrieben,
wo ein Verdächtiger ins Wasser gehalten wurde und jener als unschuldig galt, der zu ertrinken drohte. Auch in der Auffassung des Sachsenspiegels würde das „reine“ Wasser jeden Schuldigen abstossen. Es war mehrheitlich diese Version der Wasserprobe, welche gelegentlich in den spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Hexenprozessen angewandt wurde.
2) Die Kaltwasserprobe stellte die Schuld des Verdächtigen ebenfalls dadurch fest, ob er gebunden untersank oder nicht. Die Kaltwasserprobe wurde vermutlich von Papst Eugenius II (824 – 827) eingeführt. Der Verdächtigte wurde gefesselt und mit einem Seil in einen Teich heruntergelassen, mit der Gebetsformel „Lass das Wasser nicht
empfangen den Körper dessen, der vom Gewicht des Guten befreit durch den Wind der Ungerechtigkeit empor getragen wird.“ In diesem Fall brauchte es ein „Wunder“, um den Angeklagten zu überführen, durch den natürlichen Verlauf der Dinge wurde er hier freigesprochen. Wenn der Angeklagte nicht schwamm, man also von Unschuld ausging, wurde er aus dem Wasser gezogen – wobei es hier natürlich auch zu ungewollten Todesfällen kommen konnte.
3) Bei derWarmwasserprobe oder Kesselprobe, welche beispielsweise auch bei Hinkmar von Reims (gest. 882) erwähnt wird, musste der Angeklagte mit nacktem Arm einen Ring oder einen kleinen Stein aus einem Kessel mit kochendem Wasser holen. Hand und verbrühter Arm wurden anschliessend verbunden und versiegelt. Nach einigen Tagen wurde der Verband entfernt. Wenn die Wunde nicht eiterte, war die Probe bestanden. In einer anderen
als „Kesselfang“ bezeichneten Variante musste der Angeklagte einen Kessel mit siedendem Wasser auffangen. Letztere Form wurde insbesondere auch als Keuschheitsprobe angewendet.
Wie gesagt wurde die Wasserprobe bereits im Früh- und Hochmittelalter bei schweren Verbrechen angewandt, dazu gehörten die damaligen Zaubereiprozesse der weltlichen Justiz nicht. Wenn man, wie ich es tue, die Ketzerprozesse als Vorläufer der Hexenprozesse versteht, kann festgellt werden, dass Wasserproben in diesem Zusammenhang offenbar bereits im frühen Hochmittelater angewandt wurden. In der um 1115 entstandenen Biografie von Guibert de Nogent wird berichtet, dass im Zusammenhang der Bewegung "manichäischer Ketzer" in Soissons, zwei Brüdern aus Buc le Long bei Soissons, die vom zuständigen Ortsbischof verhört, mit Hilfe der Wasserprobe der Teilnahme an häretischen Ausschweifungen für überführt erklärt und vom Volk gelyncht wurden, bevor eine ordentliche
Synode das Urteil hatte sprechen können.
Im Jahr 1215 verbot das Laterankonzil Geistlichen, bei Feuer- oder Wasserproben mitzuwirken.
Im 13. / 14. Jahrhundert galten Feuer- und Wasserproben als Versuchungen Gottes und damit als Sünden, wurden aber dennoch gelegentlich angewandt, nur um Ende des 15. und im 16. Jahrhundert in den Hexenprozessen wieder eingeführt zu werden.
Der "Hexenhammer" behandelt die Thematik der Gottesurteile in der Form der Feuerprobe und des gerichtlichen Zweikampfs. Die Wasserprobe besteht dort in der Form vom Trinken von gekochtem Wasser.
Fälle, wo die Wasserprobe in den spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Hexenproessen angewandt wurde, sind mir auf die Schnelle nicht viele gegenwärtig.
Dargestellt mit Illustration ist die Wasserprobe der 1584 gedrückten Schrift „Bericht Von erforschung/ prob und erkentnis der Zauberinnen durchs kalte Wasser" des Arztes und Hexentheoretikers Hermann Neuwalt von Helmstedt (1550 - 1611).
In den Massenhexprozessen von Recklinghausen (NWR), die 1580 begannen wurden die „Teilsche“, die „Hoitmeckersche“ und die „Homesche“ der Wasserprobe unterzogen.
Die am 7. Juni 1581 in Dortmund verbrannte Anna Coesters war vorher, am 5. Juni, der Wasserprobe unterzogen worden.
In dem um 1589 verfassten Traktat "Von Bekanntnujs der Zauerer und Hexen" des Hexenjägers Pter Binsfeld wird darauf hingeweisen,dass das "Hexenbad" (Wasserprobe) nicht zulässig sei.
Im Rahmen der Hexenprozesse 1596 von Geldern begeht die angeklagte Agnes Groemmes nach überstandener Wasserprobe Selbstmord, um weiteren Folterungen zu entgehen.
Elisabeth Schaefer, eines der Opfer der Hexenprozesse von Attlen des Jahres 1597, war vorher der Wasserprobe unterzogen worden. Schaefers Sohn hatte sich nach der Hinrichtung an das Reichskammergericht von Speyer gewandt, welches im Januar 1598 ein Mandat erlies, wonach zum Mindesten in diesem Fall die Anwendung des Wasserprobe nicht gerechtfertigt gewesen sei.