Vorab: Die Wiki ist im Bereich Iran und alles was damit zusammenhängt stark durchseucht von Nationalisten, z.B. User "Bundeswehr", usw. :motz:
Es gibt auch hier, wie so oft, mehrere Ebenen. In der Differenzierung der Antwort, statt der Pauschalisierung liegt des Pudels Kern...
Sprachlicher Einfluss, kultureller Einfluss, ethnischer Einfluss, usw.
Kulturell und vor allem religiös wurde Iran arabisiert, wobei vorarabische Elemente natürlich ebenfalls in die arabische Kultur aufgenommen wurden, Staatsgedanken, Hofhaltung, Herrscherbild, etc.. Wissenschafts- und Literatursprache wurde vorrangig arabisch. Persische Werke in großer Zahl übersetzt. Später erst besann man sich im Iran verstärkt auf die vorislamische Zeit, z.B. in Lyrik, in Chroniken, Stichwort Firdousi, wiewohl die stark iranisch beeinflussten Fürstenspiegel auch schon vorher in die arab.-iran. Historiographie eingeführt wurden. Dabei kam aber noch nicht ein "Proto-Nationalgefühl" auf, noch wurde dadurch ein Gegensatz zum Islam geschaffen, wie spätere Nationalisten es gerne rückwirkend sehen würden, nein, es geschah innerhalb des Systems Islam.
Das erste mal, seit den Sasaniden, dass sich in breiten Bevölkerungsschichten Irans so etwas wie ein Gefühl von "Anderssein" innerhalb der islamischen Gemeinde breit machte, geschah erst im 16. Jh. unter den Safawiden, die den Iran in seinen heutigen Grenzen etwa vereinen konnten, und die vorher mehrheitlich sunnitische Bevölkerung schiitisierten; auch unter Zwang. Da sich die Menschen damals in prä-nationaler Zeit vorrangig religiös definierten (viele waren bilingual), ist es nun verständlich, warum der Iran erst ab da so richtig sichtbar einen Sonderweg innerhalb der islamischen Welt darstellte.
Bitte zur "iranischen Renaissance" und einen kurzen Überblick über die Geschichte diese Online-Vorlesung mal reinziehen, 6. Stunde:
http://www.geschichtsforum.de/372256-post18.html
Sprachlich wurde Iran stark arabisiert, ca. 50% des Vokabulars. dazu nicht mehr als 10% türkische und darin auch ein kleinerer Teil mongolische Lehnwörter. Such mal hier im Thread, diese Frage hatten wir schon mal, wobei ich eine Untersuchung verlinkte, die aber im 18. Jh. endete.
Ethnisch wurde Iran seit den Seldschuken stark von türkischen Stämmen durchdrungen, es gab mehrere Wellen, einerseits von Zentralasien, aber später auch vom Westen aus. Der Nomadismus im großen Stile wurde dadurch im Iran verbreitet, mit den typischem Gegensatz Städter und Nomaden, was zur Folge hatte, dass weite bäuerliche Landstriche verfielen. Wo die Nomaden dominant waren, zeig(t)en die türkischen Ortsnamen. So ist z.B. der Nordwesten Irans, also Südaserbaidschan türksprachig. (Nordaserbaidschan ist die ehemalige Sowjetrepublik und heute unabhängige Staat Aserbaidschan)
Die türkstämmigen
Ghaznawiden (10. Jh.) wurden in vielen Bereichen iranisiert, d.h. sie übernahmen von der hochstehenden persischen Kultur/Herrschaftsart sehr viele Elemente. Hof und Verwaltung nach dem iranischen Vorbild der Samaniden, Verwaltungssprache blieb arabisch. Diese Dynastie wurde aber im Gegensatz zu den nachfolgenden Seldschuken nicht von einer breiten türkischen Völkerwanderung getragen, sondern blieb nur in der Spitze des Reiches mit wenigen türkischen Elementen, ist also vor allem ein iranisches Reich.
Die
Seldschuken (11. Jh.) hingegen zeigten schon wesentlich mehr türkische Elemente aus Zentralasien (Land gehört nicht dem Herrscher allein, sondern im Prinzip der Sippe, usw.), die sie mit der höheren iranischen Zivilisation zu etwas neuem verbanden. Hofämter und militärische Positionen wurden an Türken vergeben, Hofsprache war persisch, Zivilbehörden und Beamte blieben Iraner, sobald die Seldschuken ihre auf die nomadisierenden Turkmenen basierende Macht gefestigt hatten, versuchten sie den Einfluss der Nomadenstämme zurückzudrängen, z.B. durch Waffensklaven-Armeen und Söldner (wie später auch die Osmanen). Sie drängten auch die Nomaden dazu, weiter im Westen zu weiden und zu kämpfen (Anatolien, Syrien, Kaukasus). Sie verstanden sich als Verteidiger des sunnitischen Islams und des Kalifen. Weite Teile des Landes wurden in Lehen eingeteilt, wo Militärs eingesetzt wurden, diese wurden später immer unabhängiger, so dass das Großreich fragmentierte.
Durch den "
Mongolensturm" (13. Jh.) und die damit einhergehende Plünderungen stark beschleunigte Zunahme des Nomadismus, während der Verwüstungswelle waren die Mehrzahl der mongolischen Reitersämme türkisch. Im Laufe der Zeit wurden die Mongolen daher durch die Türken absorbiert, langfristig wurde daher auch der Iran nicht mongolisiert, sondern türkisiert (ethnisch). Dadurch bis heute geschlossene türkische Besiedlungsgebiete, wie erwähnt im NW-Iran, Khorasan, südl. des Kaspischen Meeres, um die wichtigsten zu nennen. Diese Gebiete sind auch bis heute turksprachig, das persische wurde dort absorbiert, nachdem zuvor schon das mongolische absorbiert wurde. Ein heutiger Türke kann sich dort ohne größere Probleme unterhalten.
Die späteren mongolischen
Ilkhane (13. Jh.) iranisierten sich sehr stark, traten zum Islam über, wobei eine starke Zunahme des Volksislam (und des Sufismus) einherging, die Umwandlung des nunmehr von (turkmenischen) Nomaden genutzten Weidelandes gelang ihnen nicht, landwirtschaftliche Erträge gingen rapide zurück, unislamische Steuern wurden erhoben, die später trotz theologischer Kritik auch nicht wieder zurückgenommen wurden- Durch die Eroberung Bagdads wurde neben der islamischen Herrschaftslegitimation die nomadische Form hinzugesellt (kein fester Hauptsitz der Regierung, sondern mobile immer wechselnde Hoflager (türkisch ordu)). Diese nomadische Herrschaftspraxis blieb bis ins 16. Jh. bestehen.
Die mongolischstämmigen Herrscher der Ilkhaniden führten auch wieder den seit den Sasaniden bestehenden Begriff
Iran wieder ein, und diesmal nicht nur als geographischer Begriff, sondern als politischer Begriff und Reichsidee.
Der wohl türkischstämmige
Timur (15. Jh.), vereinigte dann nochmals, und das letzte mal den iranischen Kultur- und Sprachraum (der Eliten und Städter) in einem gewaltigem Reich, mit starker Zuneigung zur iranischen Kultur und dem Staatsverständnis eines Dschingiskhans, dem er nacheiferte.
Nach seinem Tode zerfiel das Reich rasch, wie üblich bei Reitervolk-Reichen, und von Ostanatolien kam die turkmenische Stammeskonföderation der
Kara Koyunlu (15. Jh), später der
Ak Koyunlu und von Osten und Nordosten die türk.
Usbeken, die Transoxanien und Khorasan eroberten.
Mütterlicherseits mit Dschingiskhan verwandt, väterlicherseits ein Türke, zog später ein Sohn Timurs (Babur) nach Nordindien und gründete das
Mogulreich.
Die Reichsverwaltung unter Timurs Nachfolgern war das Resultat der nun schon seit langem bestehenden ethnischen Dichotomie von Iranern und Türken. Die oberste staatliche Behörde (diwan) war unter anderem für die Angelegenheiten der Armee zuständig, die sich weitestgehend aus Türken und türkisierten Mongolen zusammensetzte. Die Zivil- und Finanzverwaltung lag traditionell in den Händen der einheimischen Iraner. Daran änderten weder die Mongolen noch die Timuriden etwas, und so bestand eine separat vom obersten diwan arbeitende Finanzbehörde, deren Mitglieder wie erwähnt iranische Beamte waren.
Wie oben schon erwähnt, begann zu Beginn des 15. Jh. eine Rückwanderungswelle türkischer Nomaden in den Iran, diesmal vom Westen, und zwar in drei Schüben.
1. Die Kara Koyunlu, 2. die Ak Koyunlu, 3. die
Kizilbasch, die mit Ismail als Führer das Reich der Safawiden gründeten.
Die Vorfahren der
Safawiden gründeten sich auf den sunnitischen Derwisch-Ordensgründer des Safi ad-Din, der von einer wohlhabenden Bauern- und Viehzüchterfamilie entstammte, die wohl kurdischstämmig war, jedoch zunehmend türkisiert wurde. Später wurde aus dem sunnitischem Orden ein militanter schiitischer Sufi-Orden.
Ismail gründete nun also das
Safawidenreich 1501, wobei die aus Ostanatolien mitziehenden türkischen Nomadenverbände nicht weiter Richtung Zentralasien ziehen konnten, da dort die Usbeken eine dauerhafte militärische Barriere bildete, für die nächsten Jahrhunderte.
Dies führte in der Folge zu weiterem Streit um Weideland mit den Bauern und Städtern und vor allem auch untereinander, unter den zahllosen Stämmen, wodurch sich eine Transformation der Turkmenen ergab, um zu überleben: Sie wandelten sich von ursprünglich ökonomisch bedingten Gemeinschaften zu mehr oder weniger militärischen Zusammenschlüssen. Nur die politisch-militärische Oberhoheit über eine sesshafte Bevölkerung, die sie ernährte, garantierte das Überleben der Nomadenstämme in ihrer herkömmlichen Lebensform. Sie konnten im Übrigen auch nicht mehr in andere Richtungen weitergeleitet werden, wie zuvor, da sich im Westen das Osmanische Reich ausbreitete und ihrerseits die anatolischen Nomaden in das Reich integrieren wollte, damit sie Steuern zahlten, und auch dadurch die Kizilbasch regen Zulauf erhielten, da die anatolische Nomaden sich nicht integrieren lassen wollten.
Diese Safawiden prägten dann auch den Iran maßgeblich in seiner bis heute gültigen geoggraphischen und inhaltlichen Form, da sie die Staatsreligion des Schiismus einführten - auch unter Zwang, und im Laufe der Jahrhunderte die Mehrheit der Menschen im Iran schiitisch wurde, was sie zuvor wie oben erwähnt nicht war. (Der 12er-Schiismus wurde im übrigen nun erst zu seiner Form ausgeprägt, die wir heute noch kennen.) Damit einhergehend ergab sich dann auch unter den einfachen Menschen erst dann ein Gefühlt des "Anderssein" eingezwängt in den Machtblöcken des sunnitischen Usbeken und Osmanischen Reiches, ein Gemeinschaftggefühl entwickelte sich, oberhalb des Stammes- und Clan-Zusammengehörigkeitsgefühl. Auch bei den Safawiden ergab sich eine Mischung aus iranischer Zivilisation und Kultur, türkischen Elementen, und arabischem Einfluss. So schrieb z.B. der iranische Schah dem osmanischen Sultan auf türkisch Schmähbriefe, und der türkische Sultan antwortete auf persisch zurück.
Im übrigen stimmt es nicht, das die Türken 1000 Jahre ununterbrochen im Iran herrschten, es gab Unterbrechungen, nämlich z.B. die Ilkhaniden, die Afghanen und die Zandprinzen. 1925 endete die türkische Herrschaftsfolge iranischer Prägung, erst da gelang es der Zentralgewalt, die turkmenischen Stämme allmählich aus ihrer militärischen Machtposition zu verdrängen, was den Osmanen schon 500 Jahre zuvor gelang.
Zitat Emirkan1989: "...türkischen wörter liegen klar in dominanz zum altpersischen."
Dafür hätte ich gerne einen Beleg. Wäre mir nämlich neu.
:winke: