Die Ziele Stalins zu definieren düfte extrem schwer sein. Im Gegensatz zu den programmatischen Aussagen von Hitler, war Stalin nicht so mitteilungsbedürftig und es finden sich wenige brauchbare Dokumente.
Ganz im Gegensatz zu Hitler war Stalin verschlossen und nur in einem geringem Umfang für kontroverse Meinungen bei deisem Thema zugänglich. Es gibt beispielsweise eine Passage in den Memoiren von Chruschtschow, in denen er eine ander Meinung in Bezug auf den Krieg in Korea vertritt und sehr rüde von Stalin gemaßregelt wurde.
Außenpolitik war "Chefsache" und er akzeptierte nur das Urteil seiner Außenminister in diesem Aspekte. Also zunächst das Urteil von Litvinow und ab 1939 das von Molotov.
Maxim Maximowitsch Litwinow ? Wikipedia
Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow ? Wikipedia
Bei der Beurteilung der außenpolitischen Zielsetzungen von Stalin muss man sich vergegenwärtigen, dass die UdSSR in den zwanziger und dreißiger Jahren den Versuch unternahm, die industrielle Grundlage zu schaffen, um ihre Grenzen zu verteidigen.
Sie entwickelte sich in dieser Zeit zu einer militärisch relevanten Macht, deren Position jedoch nicht zu vergleichen war mit der der Supermacht nach dem WW2.
Vor diesem Hintergrund verfolgte Stalin Zielsetzungen, die unter der Dynamik der damaligen Zeit, Konstanten aufwies, aber auch pragmatische Anpassungen seiner außenpolitischen Ziele ermöglichte, wie der Hitler-Stalin-Pakt.
Konstanten und Pragmatisus in der Frühphase:
Stalin war vor allem "Revisionist" und diese Position wurde in der politischen und militärischen Führung auch so gesehen und in zweiter oder dritter Linie der Verteter einer aggressiven Komintern-Lösung. Seine ideologische Position orientierte sich am "Sozialismus in einem Land" und kann als eine defensive Orientierung unter dem Gesichtpunkt des generellen ideologischen Auftrags zur Bekämpfung des Kapitalismus verstanden werden.
Schaposchnikow, als ehemaliger zaristischer Offizier unterstützte ihn in dieser Sichtweise und noch deutlichere Positionen vertrat Tukhachevsky, der mehr oder minder deutlich für eine Revanceh des Krieges mit den Polen von 1920 eintrat.
Im wesentlichen betraf diese revisionistische Zielsetzung in den dreißiger Jahren die Gebiete, die im Rahmen des Hitler Stalin Paktes an die SU gefallen sind und ehemalige zaristische Gebiete umfasste.
Interessanterweise bildet Finnland, als ehemalige zaristische Provinz, eher die Ausnahme, da Stalin an diesem Gebiet nicht aus revisionistischer Sicht interessiert war, sondern es ihm um die Sicherheit von Leningrad ging und er im wesentlichen Hangö als Stützpunkt forderte (vgl. Trotter: The Winter War).
Die baltischen Staaten, als ehemaligen zaristischen Gebiete, sollten auch unter revisionistischer Perspektive "repatriiert" werden. Daneben ging es ihm auch um einen erweiterten "Sicherheitsring" und darum, potentiellen Angreifern das Baltikum als Aufmarschgebiet vorzuenthalten.
Diese Überlegung kann man als außenpolitische Konstante ansehen.
Vor diesem Hintergrund verliefen die außenpolitischen Zielsetzungen von Stalin in folgenden Phasen ab.
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1. Phase nach 1933: Kollektives Sicherheitssystem
Mit dem Aufstieg des NS-Regimes und der Beendigung der Zusammenarbeit zwischen der RW und der RKKA stellte sich für Stalin die Frage, wie er die Sicherheit seiner Grenzen auch weiterhin gewährleisten kann. Aus seiner Sicht ergaben sich multiple Konfliktlinien und nahezu zwangsläufig ein potentieller Zwei- oder Mehrfrontenkrieg
1. Europa:
- Ein schlechtes Verhältnis zu England und zu Frankreich
- Ein schlechtes Verhältnis zu Polen, Ungarn, Finnland, den baltischen Staaten und der Türkei
- ein zwiespältiges Verhältnis zum DR, das als zunehmende Bedrohung wahrgenommen wurde
2. Amerika:
- ein schelchtes Verhältnis zu den USA
3. Fernost:
- ein traditionell sehr schlechtes Verhältnis Japan
Da die SU zu dieser Zeit nciht über ein angemessenes militärökonomisches Potential verfügte, war sie gezwungen im Rahmen einer "kollektiven Sicherheitslösung" die Grenzen in Europa und somit ach ihre eigenen Grenzen zu sichern.
Diese Politik verfolgte vor allem Litvinow und es kam in dieser Periode zu einer Annäherung an Frankreich und an die Tschechoslowakei. Die SU setzte sich im Rahmen dieser Zusamenarbeit dafür ein, die Forderungen von Hitler zurückzuweisen, insbesonder in Bezug auf die Tschechoslowakei und bot in Zusamenarbeit mit Frankreich, Polen und Rumanien eine direkte militärische Unterstützung an (vgl. Ragsdale: The Soviets, the Munich Crisis and the Coming of the World War II).
Ein Beispiel für die "komplizierte" Außenpolitik von Stalin war der Spanische Bürgerkrieg. Da er Frankreich nd GB nicht durch eine zu deutliche Intervention provozieren wollte bzw. auch nicht durfte, lief die Unterstützung für die Republik unter maximal möglicher Geheimhaltng ab.
Dieses Konzept scheiterte im wesentlichen an der Politik von Chamberlain, der die SU demonstrativ ausgrenzte und Hitler als Gesprächspartner präferierte.
Vor diesem Hintergrund stellte Stalin die Bereitschaft der Westallierten auf den Prüfstand und näherte sich Hitler an, da dieser ebenfalls zu einer Übereinkunft kommen wollte.
Noch im Jahr 1939 kam es zu fast gleichzeitigen Verhandlungen in Moskau mit Frankreich und GB als dem einen Gesprächspartner und mit Ribbentropp als dem anderen.
Da Hitler den revisionistischen Erwartungen von Stalin weitgehend entsprach, schwenkte Stalin opportunistisch auf die Linie von Hitler ein und es kam zum Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts 1939. Kurz vor dem Angriff des Dritten Reichs auf Polen.
Damit hatte Stalin seine ursprünglichen revisionistischen Zielsetzungen nahezu erfüllt.
Mit dem Abgang von Litvinow, nich zuletzt aufgrund des Scheitern seiner Vorstellungen von "kollektiver Sicherheit" und dem Berufen von Molotow als neuem Außenminister kann man eine zweite Phase erkennen.
2. Phase 1939 bis 1941: "Wohlwollende Neutralität"
Diese Phase ist durch mehrere Ziele gekennzeichnet. Zum einen sollten durch das Verschieben der Staatsgrenze nach Westen den Sicherheitsbedürfnissen gegenüber dem DR entsprochen werden. Wobei Erickson (The Soviet High Command) zu Recht anmerkte, dass je weiter sie nach Westen verschoben wurden, sie militärisch um so unsicherer wurden.
Im Rahmen der wohlwollenden Neutralität gegenüber dem Deutschen Reich wollte Stalin Deutschland stärken und zur Kriegsführung befähigen.
Die Zielsetzungen, die Stalin Molotov im November 1940 als grobe Richtlinie mitgab für die Verhandlungen mit Hitler bzw. Ribbentropp, deuten am ehesten die langfristigen außenpolitischen Zielsetzungen an.
In diesem Sinne wollte Stalin die geostrategische Position der UdSSR verbessern und sie in die Nähe der relevanten Handelsströme bringen. Wichtig waren ihm eisfreie und blockadesichere Häfen aus wirtschaftlichen und auch militärischen Gesichtspunkten und das betraf in einem hhen Maße den Zugang zum Mittelmeer bzw. den Bosporus.
Aufgrund der Hilfslieferungen konnte Deutschland sich der einsetzenden Blockade durch die Westmäche entziehen. Damit hoffte Stalin auf einen möglichst langen Konflikt, da er die französiche Armee für einen leistungsfähigen Gegner für die WM hielt.
Diese Zeit wollte er Nutzen, um die eigene Rüstung an die Erfordernisse moderner Kriege anzupassen. Aus diesem Grund wollte er möglichst lange dem Krieg der kapitalistischen Mächte unbeteiligt zusehen und eventuell in einem passenden Moment intervenieren. Aber das ist reine Spekulation.
Diese Erwartung wurde enttäuscht mit dem Angriff der Wehrmacht auf die SU am 22.06.1941.
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3. Phase: Die große Allianz 1941 bis 1945
Den schweren Verlusten der Rote Armee in den Jahren 41 und 42 erzeugten bei Churchill und bei Rossevelt, vor allem beim letzten, eine hohe Bereitschaft zur Kooperation mit der SU.
Im Rahmen von "Lend-Lease" kam es zu einer Annäherung der politisch sehr konträren Partner. Die Frage der "Zweiten Front" war allerdings sehr frühzeitig ein Sprengsatz in der Koalition und auch die Frage der Behandlung von exilierten Regierungen im Verhältnis zu den nationalen Widerstandsbewegungen.
Sehr deutlich wurden die unterschiedlichen Interessen bereits frühzeitig im Fall von Polen und ebenfalls in Jugoslawien.
In dieser Phase entwickelte sich die Rote Armee, primär ab 44, zur stärksten Landmacht der Welt, im Gegensatz zu der USA, die die dominierende amphibische Luftmacht wurden.
Vor dem Hintergrund der militärischen Stärke muss man jedoch auch die kollektive Erfahrung der Sowjetvölker berücksichtigen, die mehr als 20 Millionen Tote durch den Einmarsch zu verzeichnen hatten.
Dieses erzeugte einen innenpolitischen Erwartungsdruck, den Stalin zu berücksichtigen hatte, für eine zukünftige Nachkriegsordnung. Das zentrale Paradigma für die Außenpolitik wurde die maximale militärische Stärke und manifestierte sich im kollektiven Aufstieg des militärischen Establishments in der UdSSR.
4. Phase: Der Bruch und der Beginn des Kalten Krieges
Die Gründe für die Entwicklung hin zum Kalten Krieg sollen nicht dargestellt werden.
Kalter Krieg ? Wikipedia
In diese Phase fällt die Entwicklung der USA und der SU zu militärischen Supermächten und der Abstieg von GB und von Frankreich zu Mittelmächten.
Erst in dieser Phase wird ein "imperialistischer Impuls" in der russischen Außenpolitik deutlich, der zum einen den innenpolitischen Veränderungen Rechnung tragen mußte, aber auch dem einsetztenden "Containment" durch die Außenplitik von Truman.
Vor diesem Hintergrund der sich verändernden Rahmenbedingungen für die Weltpolitik nutzte die SU ihren komparativen Wettbewerbsvorteil, den sie sich als Lernkurve bei der Produktion leistungsfähiger und günstiger Waffen im WW2 erworben hatte, als Instrument der Außenpolitik.
Sie setzte diesen Vorteil gezielt ein, um im Rahmen der nach 1945 wieder einsetzenden Systemrivalität, ihre Position gegenüber dem wirtschaftlich überlegenen Westen einzusetzten.
Es ist somit letztlich eine Frage machiavellistischer Machtpoltik gewesen, die die UdSSR ur Durchsetzung ihrer Position ermunterte und sie aufgrund der militärischen Stärke auch befähigte.
Niccolò Machiavelli ? Wikipedia