Scorpio
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Das ist so wie du es formulierst nicht richtig.Es wäre sicherlich ein staatsmännischer Schachzug gewesen, Frankreich dadurch zu beruhigen oder zu besänftigen, Elsass-Lothringen, zurückzugeben. Allerdings, hätte er sich damit sicherlich zu Hause sehr, sehr unbeliebt gemacht. Galt doch Elsass-Lothringen, als rechtmäßige Kriegsbeute! Auch wenn, man dabei vollkommen außer Acht lässt, dass die dortigen Menschen, nicht nur die deutschstämmigen, alles andere als glücklich waren, dem Deutschen Reich anzugehören. Aber seinerzeit, war man noch lange nicht soweit, auf die Meinungen der Menschen einzugehen.
Die Elsässer und Lothringer erhielten die deutsche Staatsangehörigkeit, sie hatten aber die Möglichkeit, sich bis Ende 1872 für die französische Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Insgesamt waren es nur etwas mehr, als 10% der Bevölkerung, die für die Beibehaltung der französischen Staatsbürgerschaft optierten. Im Oberelsass waren es fast doppelt soviele, etwa 20% der Bevölkerung, die Franzosen bleiben wollten.
Dabei gab es starke Unterschiede zwischen den Konfessionen: Die Protestanten waren mehrheitlich für die Anbindung an Preußen-Deutschland, während viele Katholiken unter dem Eindruck des Kulturkampfes den neuen Verhältnissen eher skeptisch gegenüberstanden und sich eher mit Frankreich identifizierten. Die preußischen Beamten im Reichsland Elsass-Lothringen haben sich häufig ungeschickt aufgeführt, es wäre vermutlich besser gewesen, Beamte aus Süddeutschland, aus Württemberg, Baden oder der Pfalz zu entsenden, die mentalitätsmäßig sich leichter hätten verständigen können. In der Armee waren die Elsässer und Lothringer vielfach Diskriminierung ausgesetzt. Ein Leutnant Forster hatte im Rahmen der Zabern-Affäre seinen Soldaten geraten, bei Streitigkeiten von der Schusswaffe Gebrauch zu machen und er hatte ihnen 5 Mark versprochen, wenn sie einen "Wackes" (Elsässer) niederschossen. Auch im Weltkrieg waren die "Wackes" Anfeindungen ausgesetzt. Paul Ettighofer, selbst Elsässer berichtete darüber in seinem autobiographischen Roman "Gespenster am Toten Mann".
Die überwältigende Mehrheit der Elsässer war deutschsprachig, und im Laufe der Jahre wussten sie durchaus die deutsche Staatsangehörigkeit zu schätzen, zumal auch Elsaß-Lothringen erheblich vom Wirtschaftswachstum Deutschlands profitierte. Die Protestanten waren ohnehin mehrheitlich pro-deutsch eingestellt, und die jüdische Bevölkerung sah die Verwerfungen der Dreyfus-Affäre mit großer Besorgnis und versprachen sich von Deutschland mehr Schutz vor Antisemitismus. Aber auch die Katholiken gaben nach dem Ende des Kulturkampfs ihre Opposition auf, und die Elsässer schlossen sich den reichs-deutschen Parteien an. Die laizistische Politik Frankreichs und die Trennung von Kirche und Staat erregte auch bei Katholiken Besorgnis, und auch sie identifizierten sich mit Deutschland und wählten deutsche Parteien: Katholiken wählten das Zentrum, Arbeiter die SPD. Um die Jahrhundertwende war längst eine Generation herangewachsen, die kaum noch Bezüge zu Frankreich hatte. Es gab schlichtweg um 1900 keine relevante Gruppe der Bevölkerung, die im Reichsland Elsass-Lothringen eine Anbindung an Frankreich gewünscht hätte.
Die Vorstellung, dass die Elsässer eine unterdrückte Minderheit waren, die sehnsüchtig darauf wartete, von Frankreich "befreit" und wieder in die Grande Nation aufgenommen zu werden- das war Bullshit! Französischen Schulkindern erzählte man das, trichterte es ihnen ein. Es war aber genauso ein Bullshit wie die These von der unüberwindlichen deutsch-französischen Erbfeindschaft. Im Elsaß und in Lothringen gab es viel zu viele genealogische Verflechtungen in beiden Staaten, als dass man das unkritisch geschluckt hätte.
Auch im Elsass und in Lothringen sind 1914 die Freiwilligen zu den Fahnen geströmt, und trotz zahlreicher Schikanen und Benachteiligungen haben die Elsässer im Weltkrieg tapfer und loyal für Deutschland gekämpft.
Eine Abtretung von Elsass-Lothringen wäre kurz nach dem Krieg 1870/71 vielleicht noch akzeptiert worden, obwohl auch damals nur 10% für Frankreich optierten. Um 1900 aber wäre so etwas nicht zuletzt von der einheimischen Bevölkerung mit Empörung aufgenommen worden. Trotz aller Kalamitäten in der Armee, trotz Vorurteilen fühlte sich die überwältigende Mehrheit der Elsässer und Lothringer mittlerweile als Deutsche, und das galt für alle Gruppen der Gesellschaft über alle Grenzen von Konfession oder Religion hinweg.
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsland_Elsass_Lothringen